Wir lieben es durchs Netz zu streifen, zu lesen und zu entdecken. Wenn da nur nicht all die schlecht gemachte und deplatzierte Online-Werbung wäre, die uns regelmäßig die Laune verdirbt. Muss das wirklich (noch) sein?
„Klick dich bitte selbst”
Die Köpfe hinter der täglichen Flut an Online-Werbung, wollen uns zeigen wie viel toller unser Leben mit neuen Produkten, Services und Apps sein könnte. Stattdessen kitzeln sie in regelmäßigen Abständen auch aus der sanftmütigsten Person ein „Klick dich bitte selbst” heraus. Man munkelt, dass ein nicht kleiner Teil gesplitterter Smartphone-Displays gerissenen Geduldsfäden und dreiundvierzig gescheiterten Versuchen, den Pop-Up-Schließen-Button im Miniaturformat anzuwählen, zu verdanken ist. Und wie viel Lebenszeit haben wir eigentlich schon dafür aufgewendet, die Sekunden vor einem Player abzuwarten, bis wir das gucken dürfen, was wir eigentlich gucken wollen?
Ein freundlicher Rant über fünf Formate der Online-Werbung, die uns den letzten Nerv rauben.
1. Das Pop-up, das nicht kleiner wird, sondern größer.
Es gibt Dinge, die auf den ersten Blick halb so schlimm wirken. Wir unterschätzen sie allerdings maßlos. Zum Beispiel, wenn man neues Papier in den Drucker schiebt und sich dabei an den scharfen Kanten haarklein am Zeigefinger schneidet. Das ist nicht dramatisch, kann aber eine Woche schmerzhaft daran erinnern, dass man eigentlich nie wieder etwas ausdrucken wollte. Genauso fühlt sich digitale Werbung an, die erst nur ein kleines, knallbuntes Rechteck ist und sich beim Darüberscrollen ohne Vorwarnung in ein displayfüllendes Monster verwandelt.
2. Verfolgungswahn dank Werbung
Helga, der neue Welpe einer guten Freundin ist wirklich zum Anbeißen. Deshalb hat sie einen kleinen Gummiknochen als Willkommensgeschenk bekommen, natürlich online bestellt. Leider taucht seitdem überall Werbung für Hundespielzeug, Hundeleinen und Hundefutter auf. Als ob ein Einkauf alles darüber aussagt, was wir den Rest des Lebens bestellen wollen! Selbst wenn man für sich selbst geshoppt hat, kein Mensch braucht die gleiche rote Handtasche zweimal. Warum also verfolgt sie uns vom privaten Laptop zum Firmenrechner zum Handy? Und überhaupt: Wieviele persönliche Daten sammelt so ein Werbebanner, während es als Stalker unterwegs ist?
3. Ads mit Autoplay. Warum?
Dienstagabend, nach 22 Uhr: Man sitzt in der Bar des Vertrauens bei einem Drink und erzählt mit – formulieren es wir es positiv – erhobener Stimme, dass im Meeting ohne diesen Vollhorst von Kollegen alles ganz anders verlaufen wäre. Und genau an der pikantesten Stelle, folgt das Universum einer besonders perfiden Regel: Die Musik stoppt kurz und schon ist man die Person im Raum, die gerade eine Bezeichnung für Geschlechtsteile in doppelter Zimmerlautstärke brüllt. Liebe Autoplay-WerbemacherInnen: So fühlt es sich an, eure Videos zu gucken. Niemand möchte dass das passiert, zu keinem Zeitpunkt.
4. „Nur noch ein Spot, ehrlich!”
Eine gute Freundin spricht gerne von einem Artikel, der ihr Leben verändert hat. Er weist darauf hin, dass wir eigentlich permanent lügen, wenn wir sagen, dass wir keine Zeit hätten. Tatsächlich haben wir nämlich sehr wohl Zeit, wir räumen der Sache nur keine Priorität ein. Das erklärt unter anderem, warum man alle „Game Of Thrones”-Staffeln gesehen, aber sich immer noch nicht vom Fitnessstudio um die Ecke abgemeldet hat, in das man sowieso nicht geht. Ich habe eine weitere Theorie: Wir fühlen uns konstant gestresst, weil uns beim Prokrastinieren auf YouTube regelmäßig sechs Sekunden geraubt werden, die als Werbung laufen, bis wir das Video gucken dürfen, das wir eigentlich sehen wollen. Das wirkt sich heimtückisch auf den Rest des Alltags aus und sorgt dafür, dass wir immer das Gefühl haben, spät dran zu sein. Generation Praktikum? Von wegen. Eher Generation „Dieses Video wird nach nur einem kurzen Spot abgespielt.”
5. „Auch wir können unser Produkt mit drei Erdbeeren, Filtern und Sexismus inszenieren.”
Sich einmal quer durch Instagram zu scrollen, ist Urlaub fürs Gehirn. Besonders, wenn man in Vorleistung gegangen und die Accounts, denen man folgt, mit akribischer Sorgfalt ausgewählt hat. Solange ich in einer Welt leben muss, in der mir ein Algorithmus ästhetisch inszenierte Diätshakes zwischen feministische Inhalte packt, fühlt sich das Ganze nicht nach Innovation und Zukunft an. Dasselbe gilt für den Rest der sozialen Netzwerke, vor allem für „Facebook-Ads, die mir einreden wollen, dass ich doch dringend heiraten, aber davor noch abnehme sollte”, sagt Laura Dornheim. „Nur, weil Facebook weiß, dass ich eine Frau um die 30 bin.”
6. Die immer noch nicht mobil optimierte Werbung.
Werbung soll auffallen. So weit, so okay. Was in der Desktopversion schon nach kaum erträglich blinkender Augenachterbahn aussieht, ist mobil auf einmal so bildschirmfüllend, dass man genau gar nichts mehr tun kann. Geschweige denn, das Pop-Up irgendwie zu schließen, weil darüber noch drei andere Pop-Ups kleben. Man möchte „Hallo? 21. Jahrhundert? Ist da jemand?” brüllen. Herzrasen und feuchte Hände hat man jetzt auch. Allerdings nicht aufgrund von akutem Kaufwillen. Am schlimmsten: Das Laden von Werbung verbraucht oft mehr von unserem kostbaren Datenvolumen als der eigentliche Inhalt.
Und trotzdem: Wir brauchen Werbung
Die Wahrheit ist aber auch: Ohne Werbung geht es für Online-Angebote auch nicht. Aus eigener Erfahrung wissen wir natürlich, dass Online-Werbung als Finanzierungsform ganz einfach notwendig ist, weil EDITION F, genau wie viele andere Online-Angebote, kostenlos für die Leserinnen und Leser zur Verfügung gestellt wird und Werbung in unserem Fall auch erst möglich macht, dass ganz viele andere tolle Herzenstexte und -projekte entstehen können. Doch auf das Wie kommt es an, denn mit gut gemachter und ordnungsgemäß gekennzeichneter Werbung können sich sogar die anfreunden, die sonst alle Ads blocken.
„Es gibt ja wirklich oft neue Services oder tolle Produkte, über die ich gern mehr wissen will. Wenn diese Informationen dann in eine interessante Story verpackt sind, schaue ich mir das gerne an. Ich will aber natürlich wissen, wenn eine Firma dafür bezahlt hat. Sonst ist es einfach Schleichwerbung“, sagt Laura. Generell gilt für sie bei Online-Werbung zwar „weniger ist mehr“, trotzdem muss Werbung auch nicht pauschal negativ sein. „Für Adblock Plus haben wir deshalb die Kriterien für ‚Acceptable Ads‘ etabliert, die wenige, aber eben bessere Werbe-Anzeigen fördern.“
Nie wieder nervige Werbung!
Und für alles andere, gibt es Mittel und Wege, diese digitalen Nervensägen loszuwerden. „Die einfachste Lösung ist sicher einen Adblocker zu aktivieren.“ sagt Laura Dornheim, die sich als Public Affairs Manager von Adblock Plus von Berufswegen mit der Thematik auseinandersetzt. Adblock Plus gibt es für jeden Browser und sogar auf dem Handy kann man ohne Werbung surfen, wenn man sich den Adblock Browser als App herunterlädt.“ Schluss mit Pop-ups, plötzlich auftauchenden Videos und Sounds, Schluss mit verbrauchtem Datenvolumen – und das klingt doch danach, als könnten wir uns doch noch mit Online-Werbung anfreunden.
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