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Keine Antwort – wann wurde es eigentlich normal, Textnachrichten zu ignorieren?

WhatsApp, SMS und E-Mails vereinfachen die Kommunikation, verleiten aber auch dazu, unverbindlich zu bleiben. Das nervt, findet unsere Praktikantin Alina.

Stress um das blaue Häkchen

Auch wenn wir mehr Möglichkeiten haben miteinander zu kommunizieren, hat sich vor allem die schriftliche Kommunikation durchgesetzt – zumindest in meinem Freundeskreis. In Echtzeit können wir mit anderen chatten, aber auch telefonieren oder mal schnell eine Videoübertragung ans andere Ende der Welt starten. „Einfach toll diese neumodischen Dinge“, würde meine Oma jetzt sagen. Und damit hat sie eigentlich Recht, oder nicht? Wir haben zahlreiche Möglichkeiten, um andere Menschen zu erreichen. Dadurch ist Kommunikation generell so einfach wie noch nie.

Und trotzdem beschleicht mich immer wieder das Gefühl, dass der eigentliche Sinn dahinter verloren geht. Etwa wenn ich tagelang auf eine Antwort meiner besten Freundin warte, und mich irgendwann die nüchterne Erkenntnis einholt: Zwei blaue Haken, das heißt gelesen. Offensichtlich hatte sie keine Lust zu antworten oder einfach etwas Besseres zu tun. Machen viele so, aber es nervt.

Je länger ich meine Chatverläufe und E-Mail-Postfächer betrachte, desto größer wird meine Frustration. Ich frage mich: Wann wurde es eigentlich normal Textnachrichten zu ignorieren? Es kann doch nicht sein, dass die Hälfte
meiner Nachrichten tagelang unbeantwortet bleibt. Nur knapp 200 Millisekunden dauert es, um einen Text zu verfassen. Eigentlich müsste man doch meinen, dass jeder Mensch ein so kurzes Zeitpensum aufbringen kann. Und auch könnte man annehmen, dass heutzutage jede Nachricht, die wir senden, mehr oder weniger, sofort gelesen wird. Wird sie ja meist auch, aber dann versandet die Konversation meist auch schon. Die eigene Neugier wurde befriedigt und der andere kann oder muss eben warten.

Hallo? Haaallo?

Dadurch, dass unser Gegenüber nicht zwangsläufig vor uns sitzt und uns mit einem erwartenden Blick beäugt, sind wir nicht gezwungen sofort auf ihn einzugehen. Kennt ja jeder: Mails erst mal im Posteingang hängen lassen, die dreiminütige Sprachnachricht erst mal sacken lassen und auch im Gruppenchat erst mal abwarten, was die anderen meinen. Es ist ja auch manchmal schön, nicht auf alles immer sofort reagieren zu müssen – aber auch das hat bei etwas Höflichkeit ja einen Zeitrahmen. Man will sich gar nicht vorstellen, wie viele der 55 Milliarden WhatsApp-Nachrichten pro Tag unbeantwortet irgendwo in den Weiten des Internets verschwinden. Moderne Kommunikationswege sind zwar diskreter, deswegen aber auch viel unverbindlicher.

Auf diese Weise fällt uns das Ignorieren leichter – Texte bleiben stunden- und tagelang unbeantwortet, bis man dann irgendwann mit einer Entschuldigung für die verspätete Antwort um die Ecke kommt. Oder noch besser, nach sechs Monaten peinlicher Stille einfach so tut, als hätte man die Nachricht erst jetzt gelesen. „Hey, mir geht’s gut. Hoffe bei dir ist auch alles klar?“. Die sind mir ja die liebsten.

Ich weiß E-Mails sind total Neunziger, bitte antworten Sie mir trotzdem

In privaten Chats ist das Risiko größer, ignoriert zu werden – zum Glück kann man seinen Freunden aber auch weniger verkrampft mitteilen, dass sie
nerven. Zum Beispiel mit lustigen Emojis und Gifs. Was die Kommunikation im Job angeht, ist es deutlich schwieriger den richtigen Ton zu finden. Insgeheim
wissen wir nämlich, dass es gute Gründe dafür geben kann, dass jemand auf eine E-Mail nicht reagiert. Vielleicht ist derjenige beschäftigt, hat die Nachricht
noch gar nicht gesehen oder denkt noch über seine Antwort nach. Möglich, ja. Viele Professoren, PR-Menschen und Firmenvertreter antworten aber überhaupt nicht mehr.

Um den immer gleichen  Monolog meinerseits zu vermeiden, gehe ich mittlerweile mehrere Schritte. Angefangen mit der Standard-Nachfrage: „Sie haben sicher viel zu tun, ist wahrscheinlich untergegangen“. Und dann nochmal: „Huhu, eine Antwort wäre echt nett.“ Schließlich gibt man die Hoffnung ja nicht gleich auf. Falls das alles nichts bringt und man es sich mit seinem Gegenüber nicht gleich verscherzen will, kann man es vielleicht noch mit einer originellen Ausrede versuchen: „Mit meinem Account stimmt etwas nicht, hier noch einmal die Mail von letzter Woche“.

Eigenartig, aber heutzutage muss man wohl kreative Wege gehen, um eine schriftliche Antwort zu bekommen. Wenn mir dafür die Geduld fehlt, greife ich manchmal auch ganz oldschool zum Hörer. Positiver Nebeneffekt: Man kann nicht so leicht abgewimmelt werden und kommt meistens schneller zum Ziel. Und das sind doch eigentlich gute Neuigkeiten. Das persönliche Gespräch funktioniert nach wie vor am besten. Die Gestik und Mimik, der Respekt und die Höflichkeit gegenüber anderen – genau das fehlt uns in der schönen, neuen Kommunikationswelt. Vielleicht sollten wir uns alle ein bisschen mehr Zeit für unsere Freunde und Kollegen nehmen, so schwer ist das doch nicht.

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