Wie wäre es wohl einen „Intimacy Coach“ zu haben, die*der für jede Beziehungsfrage eine Lösung hat? Das fragt sich Anne Philippi diesen Monat in ihrer Kolumne „My Superficial Self“.
Ein Intimacy Coach – und ganz neue Möglichkeiten
Es ist unwahrscheinlich, dass ich während eines Abendessens keinen heftigen Streit wegen Gwyneth Paltrow entfache, wenn das Thema aufkommt. Ich verteidige diese Frau aus Prinzip, die von anderen wegen ihrer extrem glänzenden Haut auch gerne mal als „radiokativer Schwan” beschimpft wird – und auch sonst ziemlich polarisiert. Denn sie hat mir kürzlich die Augen geöffnet. Und das nicht zum ersten Mal.
Diesmal dreht sich alles um die Frage: Habe ich ein Problem mit Intimität und merke das gar nicht? Bis letzte Woche habe ich darüber gar nicht nachgedacht. Aber dann, als ich meine täglichen Gwyneth-News überflog, las ich auf einmal den magischen Begriff „Intimacy Coach”. Gwyneth hat jetzt einen. Natürlich. Die Frau heißt Michaela Boehm und hat ihr empfohlen, nur vier Tage und Nächte mit ihrem Mann Brad zusammenzuleben. Den Rest der Woche hat sie intimacy-frei.
Habe ich einen Intimitätsdefekt?
Schon lange hat mich kein Begriff so angefasst wie „Intimacy Coach”. Und bedeutete das vielleicht, nicht nur Gwyneth, sondern auch ich würde so einen Coach brauchen? Schon als Teenager fanden mich die Leute „detached”, ein softeres Wort für arrogant, mein erster Therapeut sagte ich würde ihn an eine schicke Chefsekretärin erinnern (also quasi Joan aus „Mad Men”), weil ich kühl und etwas schnippisch auf eine seiner tieferen, emotionalen Fragen antwortete. Ich war richtig sauer auf ihn, doch er hatte recht – und heute in Social Media- und Texting-Zeiten lebe ich in meinem persönlichen Detachment-Paradies. Texten und posten erlaubt eine gewisse Distanz zu den Dingen des Lebens, was mir ganz gut gefällt, und weil ich zudem auch schon ein paar Mal „concious uncoupled” habe, auch eine Idee von Gwyneth, glaube ich, dass es bei mir einen Intimacy-Defekt gibt.
An die Stelle von kurzfristigem Hass, giftigen Gedanken und Heulattacken beim Yoga transformierte mein Gefühl den Ex-Partnern gegenüber beispielsweise immer rasch in ein elegantes Detachment, also eine gewisse Distanz zum Gewesenen. Und das erlaubte mir mit meinen Ex-Männern auf eine Art zu kommunizieren, die mich manchmal vergessen ließ, dass es ja Ex-Männer waren, mit denen ich ja nicht flirten sollte, es dann aber tat. Und das, natürlich, „unconcious”. Denn das ist ein Nebeneffekt von Detachment: Ich verwechsle Gefühle zwischen „coupling” und „uncoupling”. Zumindest ab und zu.
Also noch einen Grund mehr für einen „Intimacy Coach?” Ich schleppte den Gedanken eine Woche mit mir herum. Ich konnte deshalb nicht mehr schlafen. Ich überlegte Tage, Nächte und in der Schlange an der Supermarktkasse spielte ich alle Bedeutungen dieser neuen Möglichkeit eines „Intimacy Coaches“ durch, während vor mir ein paar etwas distanziert wirkende Väter mit AirPods die veganen Breie für ihr schreiendes Kind einpackten. Brauchten auch sie einen? Nur aus anderen Gründen? Etwa, um mit ihrem Kindern besser zu „connecten”? Ich würde Männer mit diesen Kopfhörern jedoch solche Dinge nicht fragen.
Was würde ein solcher Coach bei mir auslösen?
Am anderen Morgen, beim Aufwachen, fand ich den Begriff plötzlich ekelhaft, übertrieben, ja snobistisch. Als ob es keine anderen Probleme im Leben gäbe. Was aber wäre, wenn es genau eines der größten und kriegsentscheidenden Probleme ist, die uns alles andere versaut? Schon am Abend kam dann die vollkommene Klarheit, dass dieser Begriff an Genialität und Präzision kaum zu überbieten ist. Kurz, dass es exakt das ist, was ich bräuchte.
Ich googelte noch im Halbschlaf, wo ich meinen persönlichen „Intimacy Coach” ordern könnte. Ab morgen früh, wenn es ginge. Am besten in einer Alexa-Variante, die ich jederzeit befragen könnte. Ich würde meine Intimitäts- Alexa zum Beispiel fragen, welche Antworten ich zurück texten sollte, welche ich lassen könnte und welche meinem Texting-Partner von meiner Seite besonders intimitätsgeübt vorkommen würden. Und welche ein völlig falsches Bild von mir zeichnen könnten: die kalte Bitch.
Gwyneth‘ „Intimacy Coach” hat ihr offenbar in einer entscheidenden Sache weitergeholfen und ihr besagtes „Living Together Apart”-Relationship-Modell (LAT) ans Herz gelegt. Also, dass sie nur vier Nächte mit Ehemann und Gesamtfamilie verbringt, den Rest soll ihr neuer Ehemann bei seiner Ex-Frau und seinen Kindern wohnen. Zumindest für einen bestimmtem Zeitraum, um das ganze mal zu testen. Denn, so sagt ihre Coach-Frau, dass würde eine gewisse Polarität am Leben erhalten, denn wenn menschliche Körper übermäßig viel Zeit zusammen verbringen würde, stelle sich im Nervensystem eine gewisse Berührungsmüdigkeit ein. Mit anderen Worten: der Sex ist besser, wenn man sich nur vier Tage die Woche sieht und in Sachen Intimität verhindert das den Umschwung in eine ungute Co- Abhängigkeit. So jedenfalls der Plan.
Wann ist man bereit für so ein Modell?
Einmal hatte mir ein Ex-Freund auch so ein LAT-Arrangement vorgeschlagen, doch da ich damals keinen Intimitätscoach besaß und mich zudem in der herausfordernden Position eines „Re-Bound Girls“ befand, also die erste neue Frau nach der Scheidung des Mannes, habe ich nicht zugeschlagen. Ich glaube, der Mann hatte mich damals genau wegen meines Intimitäts-Defizits ausgesucht, weil er dachte, ich würde vielleicht nicht so richtig einsteigen. Unsere LAT-Beziehung hätte funktionieren können. Zwei Orte, in einer Stadt wie Los Angeles, und nur an dem einen Ort hätte ich gegen den Zehnjährigen, der auch da wohnte, haushoch beim Minecraftspiel verloren – was ich heute ein wenig vermisse. Denn so hätte ich nicht nur alle wichtigen Minecraft-Kniffe gelernt, sondern hätte durch das zeitweise Zusammenleben mehr Intimität üben müssen. Ein bisschen so wie bei einem Klavierstück.
Doch damals bin ich voll eingestiegen, recht un-detached. Was ich aber erst später bemerkt habe. Mein Herz, mein ganzes System waren involviert. Ich plante heimlich Feste und Dinner, ich suchte online nach Le Creuset-Töpfen, in denen ich regelmäßig kochen würde und es dann nicht tat. Ich hatte mir meine Intimitätswünsche nicht eingestanden und es war genau das, was mich aus der ganzen Sache hinauskatapultierte, mich in einen unerwarteten Crash verwickelte. Da bin ich wieder raus. Hätte ich jetzt so eine*n „Intimacy Coach” an der Seite, würde ich mir erklären lassen, wie diese LAT-Geschichte funktioniert, denn ich halte sie für ein gutes Modell. Aber eben eins, was nur in einem Leben von Detachmentwilligen wie Gwyneth und mir funktioniert. Ich bin mir aber derzeit sicher, dass es Zeit wird, diese Haltung jetzt aufzugeben. In gewisser Weise ist es langweilig. Und es fühlt sich falsch an. Etwas ähnliches hat sich offensichtlich auch Gwyneth gedacht. Nach einem Jahr Ehe zieht Familie Paltrow und Familie Faltschuk jetzt zusammen. Gwenyth sagte der „Sunday Times“ ihr Mann würde „ein bestimmtes Level an Intimtiät und Kommunikation verlangen” und da muß Gwyneth jetzt einfach mal durch. Möglicherweise ohne Coach. Genau wie ich.