Foto: Andi Weiland

„Auch beim Heiraten gehört der Rollstuhl dazu“

Adina Hermann hat eine angeborene Muskelkrankheit und sitzt deshalb im Rollstuhl. Als ihr Freund ihr einen Antrag macht, ist für sie sofort klar, dass sie eine große Party möchte. Von den Hochzeitsvorbereitungen erzählt sie im Interview mit unserem Partner IGP-Magazin.

Heiraten mit Rollstuhl

Der 30. August 2014 war einer der glücklichsten Tage ihres Lebens. An diesem Tag heiratete Adina Hermann ihren Freund. Die Hochzeitsvorbereitungen waren für die damals 27-Jährige jedoch auch anstrengend. Adina hat eine angeborene Muskelkrankheit und sitzt im Rollstuhl. Unserem Partner IGP-Magazin erzählt sie, worauf sie als Braut im Rollstuhl achten musste.

Im Oktober 2013 hat dein Freund dir einen Heiratsantrag gemacht. War für dich von Anfang klar, dass du deine Hochzeit groß feiern willst? Oder hast du zwischendurch darüber nachgedacht, wegen des Rollstuhls darauf zu verzichten?

„Ich wollte eine Party. Dass ich im Rollstuhl sitze, heißt ja nicht, dass ich nicht feiern kann. Aber es stimmt, ich kenne einige Menschen mit Behinderung, die tatsächlich überlegen, auf eine große Feier zu verzichten – wegen ihres Hilfsmittels, der Anstrengungen oder des Planungsaufwands. Mit ein Grund, warum ich den Blog „Adina traut sich“ gestartet habe. Er soll anderen Betroffenen zeigen, dass sich Behinderung und Hochzeitsfest nicht ausschließen.“

Mit dem Bloggen hast du parallel zu den Hochzeitsvorbereitungen angefangen. War das nicht zusätzlicher Stress?

„Für mich war es eher ein Ventil, um mit den ganzen Anstrengungen umzugehen. Außerdem habe ich in dieser Zeit viel im Internet recherchiert – etwa wegen der Dekoration. Dabei fiel mir auf, dass es zwar eine Menge Hochzeitsblogs gibt; das Thema Rollstuhl und Behinderung wurde hingegen nie thematisiert – zumindest in deutschen Blogs. Das wollte ich ändern.”

Das Kleid muss auch im Sitzen gut aussehen

Bild: Andi Weiland

Was muss eine Frau bei einer Hochzeit mit Rollstuhl beachten?

„Da ist einmal die Location. Die muss auf jeden Fall barrierefrei sein. Dazu kommen Fragen wie: Sieht das Kleid auch im Sitzen gut aus? Soll der Rollstuhl mitdekoriert werden? Wie mache ich das mit dem Hochzeitstanz? Letztendlich geht es um viele Kleinigkeiten, die man im Blick haben muss.”

Was zeichnet ein Hochzeitskleid aus, das auch im Rollstuhl gut aussieht?

„Es sollte nicht zu lang oder zu üppig sein, sonst gerät der Saum leicht unter die Räder. Auch Reifröcke oder Kleider mit steifen Falten sind schwierig. Weil man lange sitzt, sollte das Oberteil nicht unangenehm eng sein und im Sitzen Verrutschen oder kneifen. Frauen, die ihren Rücken betonen wollen, brauchen außerdem einen Rollstuhl mit niedriger Rückenlehne. Ich habe mich am Ende für ein knielanges, elfenbeinweißes Kleid mit Spitze und Tüll-Rock entschieden.”

Durch die Muskelkrankheit sind deine Beine zwar sehr geschwächt, aber du kannst trotzdem noch laufen. Hast du zwischenzeitlich überlegt, doch ohne Rollstuhl zu heiraten?

„Ja, gerade über den Weg zum Altar habe ich lange nachgedacht. Nach einigem Hin und Her habe ich mich bewusst für den Rollstuhl entschieden. Mit Stützen kann ich zwar laufen, mein Gang ist jedoch sehr unsicher. Wenn ich aufgeregt oder angespannt bin, verkrampfen außerdem meine Muskeln. Letztendlich wollte ich den Moment genießen. Ich habe mich dann für den Mittelweg entschieden.”

Wie sah der aus?

„Wir haben in einem alten Schloss in Mecklenburg-Vorpommern geheiratet und die Trauung fand draußen im Garten statt. Den Weg zum Altar bin ich im Rollstuhl gefahren. Dort standen dann zwei schöne alte Sessel. Ich stand auf, stellte mich kurz neben Timo, meinen jetzigen Mann, und dann nahmen wir gemeinsam Platz.”

Der Rollstuhl war also dabei, stand aber nicht im Mittelpunkt.

„Genau. Zuvor hatte ich überlegt, ihn mit Schleifen oder Blumen zu dekorieren. Aber es war meine Hochzeit und nicht die des Rollstuhls, deshalb entschied ich mich dagegen. Der Rollstuhl gehört zu meinem Leben und das ist auch okay. Aber auch sonst style ich ja nicht ihn, sondern mich – je nach Anlass und Laune.”

Sich Pausen gönnen

Bild: Andi Weiland

Auf deinem Blog erwähnst du das sogenannte „Wheelchair Cover“. Was ist das?

„Eine Mischung aus Husse und Rollstuhl-Reifrock, die offensichtlich dazu dient, das Hilfsmittel zu verstecken. Persönlich kann ich mit solchen Sachen nicht viel anfangen. Wenn mir mein Verlobter das Jawort gibt, dann weiß er, dass Rollstuhl und Stützen zu unserem Leben gehören – und gehören werden. Aber das muss natürlich jeder selbst entscheiden.“

Gibt es etwas, was du im Nachhinein anders gemacht hättest?

„Ich würde mehr Pausen einplanen – etwa bei den Hochzeitsfotos. Die haben Timo und ich direkt nach der Trauung machen lassen. Durch den Adrenalinkick der Zeremonie war ich da allerdings kurzzeitig ziemlich k.o. Im Rückblick hätte ich mir hier einen kleinen Break einplanen sollen. Nun entstand diese Pause ungeplant, weil sowohl Timo als auch ich kurz Luft holen mussten.“

Und was wurde am Ende aus dem Hochzeitstanz?

„Den habe ich an meine Schwester und ihren Freund abgegeben – zumindest dachte ich das. Nachdem der Walzer vorbei war, zogen die beiden uns jedoch mit auf die Tanzfläche. Das war unheimlich schön. Gerade weil ich davon nichts wusste, war ich überhaupt nicht aufgeregt und habe einfach mitgemacht. So haben wir die Party gemeinsam eröffnet.“

Das Original-Interview von Stella Hombach ist bei unserem Kooperationspartner IGP-Magazin erschienen.

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