Caro Kroll hat gemeinsam mit ihrem Vater das Beauty-Unternehmen Nø Cosmetics gegründet. In dieser ungewöhnlichen Gründungsgeschichte und -konstellation ist eine Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben nicht immer leicht. Wir haben mit Caro über Work-Life-Balance und mentale Gesundheit gesprochen und wie sie mit beiden Themen als Chefin umgeht.
Du hast dein Unternehmen Nø Cosmetics gemeinsam mit deinem Vater gegründet. Wie funktioniert das und wie schafft ihr es, Beruf und Privatleben voneinander abzugrenzen?
„Anfangs war es durchaus schwer, das Berufliche vom Privaten zu trennen. Nø Cosmetics war dann oft das Nummer-Eins-Thema beim Abendessen. Damit mussten wir lernen umzugehen. Es ist ein ewiges Wachsen. Heute kommunizieren wir deutlich bewusster miteinander. Wir legen vorab fest, ob es sich um ein berufliches oder privates Anliegen handelt. So weiß jede*r direkt, wohin dieses Telefonat oder das Gespräch führt. Insbesondere auch in der Kommunikation zwischen meiner Mutter und mir.
Meine Mutter betreut bei uns den Onlineshop und packt daher teilweise auch samstags Ware. Und wenn sie mich dann anruft, sagt sie direkt vorab, dass es sich um eine berufliche Frage handelt und fragt, ob es mir gerade passt. Das funktioniert für uns sehr gut und zeugt auch von Respekt für die andere Person und deren Zeit, wenn man nicht sofort drauf los redet. Aber natürlich gibt es auch Familienessen, wo fast ausschließlich über die Firma gesprochen wird. Das passiert oft ungewollt. Man kommt so vom Hölzchen aufs Stöckchen und irgendwann, nach dem Dessert stellen wir fest, dass es nur um die Arbeit ging. Dann wissen wir, dass wir das beim nächsten Mal anders lösen müssen. Dass wir uns das bewusst machen und auch klar benennen, hilft mir aber, besser damit umzugehen.“
Wurden diese Kommunikationsregeln bei euch von Anfang an festgelegt oder sind die mit der Zeit entstanden?
„Die gab es nicht von Anfang an. Das war wirklich ein absolutes Learning. Wir haben festgestellt, dass es Situationen gab, wo es uns einfach zu viel war und wir gerne, ganz normal, als Familie gesprochen hätten, weil uns private Themen belasten. Dadurch, dass wir aber schon immer sehr offen kommuniziert haben, gab es auch den Raum dafür, offen anzusprechen, dass man sich mehr Klarheit wünscht. Und so haben wir es uns irgendwann angeeignet.“
Für eine gute Work-Life-Balance muss man auch loslassen können. Welche Mechanismen hast du für dich gefunden?
„Ich bin kein Fan von dem Bild, das uns High-Performance-Entrepeneur*innen auf Social Media suggerieren. Da geht es immer darum, dass sie um 5 am Club sind und gleichzeitig aber auch keine Kohlenhydrate und kein Zucker essen und dann noch acht Mal die Woche zum Sport gehen. Ich finde, dass das kein Pensum ist, das ein Mensch lange aushalten kann. Viel mehr ist es eine Rolle, die man sich auferlegt. Ich werde ganz häufig gefragt, wie ich das alles mache. Das löst auch in mir einen gewissen Druck aus, von dem ich mich immer wieder zu befreien versuche.
Ich mache mir dann bewusst, dass ich in meinem Alltag genug leiste und jetzt nicht noch eine App brauche, die mir ermöglicht, ein Buch in zehn Minuten zu lesen, nur damit ich mich weiterentwickeln und mehr Wissen anhäufen kann. Das ist für mich wichtig. Ich bin eine Person, die oft runterspielt, was sie eigentlich leistet. Gerade an Tagen, wo ich vielleicht mehr Zeit habe, an denen nicht ein Termin den nächsten jagt, dann frage ich mich, ob ich denn wirklich genug gemacht habe, obwohl ich es eigentlich andersherum sehen und dankbar dafür sein sollte, dass ich heute mal einen ruhigeren Tag und Zeit für Mails habe, die schon länger liegengeblieben sind.
Ich arbeite viel. Das wissen auch meine Freund*innen und es kommt manchmal vor, dass die Kommunikation darunter leidet. Aber auch hier bin ich klar. Es kann sein, dass ich es mal nicht schaffe, mich bis Donnerstag zu melden, aber wenn ich mich dann auch bis Freitagmorgen nicht gemeldet habe, schicken mir meine Freund*innen eine kurze Nachricht, damit der Chat wieder weiter nach oben rutscht. Und auch da habe ich versucht, mehr auf mich zu hören und die Schnelligkeit rauszunehmen.“
Du bist auch das Gesicht von Nø Cosmetics. Wie fühlt sich das für dich an?
„Es ist total schön, wenn ich irgendwo hinkomme und man mich erkennt und Menschen mir von ihren persönlichen Erfahrungen mit Nø Cosmetics erzählen. Das freut mich sehr und macht mich auch stolz. So geht es übrigens nicht nur mir, sondern auch unseren Mitarbeitenden. Auch die kriegen oft positives Feedback von Außenstehenden zu unserer Arbeit und unseren Produkten. Das freut uns alle sehr.
Manchmal kann das aber auch sehr viel sein und dann, ganz selten, sage ich einfach, dass ich im Marketing arbeite. Da genieße ich dann die Anonymität. Ich bin das Gegenteil einer Person, die reinkommt und sagt, was sie alles leistet.“
Wie wichtig ist euch die mentale Gesundheit im Team und was tut ihr für die mentale Gesundheit eurer Mitarbeitenden?
„Wir sind momentan ein kleines Team, dass sehr eng miteinander arbeitet. Bei uns ist es so, dass wir versuchen, sehr stark aufeinander zu achten. Wir wissen, wer zum Beispiel eine Fernbeziehung führt. Von daher können wir da auch sehr offen sprechen und zum Beispiel den entsprechenden Personen sagen, dass sie auch gerne Home-Office machen können und dann einen Tag länger bei der*dem Partner*in verbringen können. Wir achten sehr darauf, dass jede*r im Team glücklich ist und wir haben auch niemanden im Team, und da bin ich sehr stolz drauf, der*die einfach ihr eigenes Ding auf Kosten der anderen durchzieht. Und wir versuchen genau das dann auch zu bestärken.
Wir haben bestimmte Richtlinien, an die sich jede*r halten muss. Zum Beispiel sprechen wir nicht über Personen, wenn diese gerade nicht anwesend sind und achten da auch untereinander sehr stark drauf. Das heißt, dass sich auch Mitarbeitende untereinander darauf hinweisen, dass die entsprechende Person gerade nicht anwesend ist und man das Thema doch lieber direkt mit dieser Person besprechen sollte.
Zudem habe ich mit jedem Teammitglied in einem regelmäßigen Zyklus einen 15-minütigen Termin, bei denen sie 15 Minuten nur über sich reden können. Dabei geht es nicht um konkrete fachliche Fragen zu den einzelnen Projekten oder Feedback zu der eigenen Arbeit, sondern um die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Personen. Seitdem wir diesen Termin eingeführt haben, habe ich gemerkt, wie viel das manchen gibt. Man merkt auch einen klaren Unterschied zwischen neuen Teammitgliedern, für die dieser Termin neu ist und denen, die schon länger dabei sind. Neue Teammitglieder wissen oft noch nicht so ganz, worüber sie in dem Termin sprechen wollen. Mit der Zeit werden sie aber sicherer und dann ist das wie eine Mini-Therapiestunde. Unsere Mitarbeitenden machen sich dann vorab Gedanken dazu, sie wissen genau, was sie beim letzten Mal erzählt haben und knüpfen dann dort an und reflektieren ihre Fortschritte. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Mitarbeitenden alle Themen sammeln und dann in das Gespräch mitnehmen. Das gibt ihnen auch eine gewisse Sicherheit und sie fressen die Themen nicht mehr in sich hinein.
Zudem arbeiten wir auf Vertrauensbasis. Auch was unsere Arbeitszeiten angeht. Da hilft es auch, dass wir uns so gut untereinander kennen und auch auf die individuellen Bedürfnisse Rücksicht nehmen können. Wir haben auch eine Person im Team, die heißt bei uns Head of Happiness, die dafür da ist zu schauen, dass es allen gut geht und sie die Dinge erhalten, die sie gerade brauchen. Zum Beispiel Fortbildungen oder ähnliches. Aber diese Person pflegt auch den persönlichen Kontakt und verhindert so, dass sich Mitarbeitende nicht nur wie eine Nummer fühlen.“
Wie kommuniziert ihr digital miteinander? Gibt es da auch klare Regeln und feste Zeiten?
„Für mich und meine Kolleg*innen ist klar, dass ich auf Nachrichten nach Feierabend keine Antwort erwarte. Bei mir kann es mal vorkommen, dass ich auch noch spät Nachrichten oder E-Mails schreibe, weil ich dann einen Gedanken habe und den schnell aufschreiben möchte, damit ich ihn nicht vergesse. Ich schreibe aber berufliche Dinge grundsätzlich nur auf die Arbeitshandys. Falls jemand doch mal direkt darauf antwortet, dann stelle ich auch nochmals klar, dass dieses Thema Zeit bis zum nächsten Arbeitstag hat. Für den absoluten Notfall haben wir aber auch eine SOS-Gruppe mit den privaten Nummern der Festangestellten. Die haben wir bislang einmal genutzt als plötzlich alle Server an einem Samstagabend zusammengeklappt sind. Aber, wie gesagt, das ist die absolute Ausnahme. Dadurch, dass bei uns alle Arbeitshandys haben, ist es auch klar voneinander getrennt. Die private Kommunikation läuft über die privaten Nummern, die berufliche über die berufliche Nummer. Und so funktioniert das bei allen sehr gut. Ich kommuniziere auch mit meinen Mitarbeitenden privat. Dann halt ausschließlich über die private Nummer. Aber mir ist der persönliche und private Austausch schon wichtig. Dafür muss man auch der Typ sein, na klar. Aber ich bin lieber die Chefin, die nahbar ist, als diejenige, wo man zuckt, wenn sie auf dem Gang kommt.“
Routinen sind ein wichtiger Ankerpunkt im täglichen Leben. Hast du spezielle Routinen, die du in deinen Arbeitsalltag integrierst?
„Ich nehme keine Termine vor zehn Uhr an. Von acht bis zehn habe ich einen Blocker im Kalender. Ich bin oft früh im Büro und nehme mir die Zeit in den Tag zu starten. Aber ich versuche mir nie da feste Regeln zu machen. Ich versuche sehr stark auf meinen Körper zu hören und wenn ich merke, dass mein Körper gerade mehr Zeit braucht, dann gehe ich auch mal später ins Büro. Ich nehme mir selber den Druck. Ich persönlich komme tatsächlich besser damit klar im Büro zu arbeiten als zuhause. Im Home-Office fange ich zum Beispiel immer super früh an zu arbeiten, weil ich denke, dass ich ja eh schon wach bin und dann bin ich aber noch gar nicht fertig gemacht und dann ist schon der erste Call und ich habe dann nur noch zehn Minuten und ich bin super gehetzt. Ich habe einen Home-Office Tag die Woche, weil ich es auch schön finde, wenn ich parallel zur Arbeit meine Wäsche machen kann oder ähnliches. Aber ansonsten bin ich im Büro und genieße zum Beispiel sehr die erste Dreiviertelstunde am Morgen, wenn noch keine*r da ist und alles noch sehr ruhig ist. Das ist so eine friedvolle Atmosphäre. Und genauso ist es auch abends. Ich mag es total gerne, wenn nur noch ein oder zwei Personen im Büro sind und wir alle an den letzten To-Do’s arbeiten. Das ist eine sehr produktive Atmosphäre.“
In einer perfekten Welt: Wie würde das Verhältnis von Beruf und Privatleben sein?
„Ich habe das große Privileg, dass ich einen Job habe, der wie ein großer Spielplatz ist und ich machen kann, was ich möchte und worauf ich Lust habe. Mein Job ist fast durchweg positiv und macht Spaß. Von daher, wäre es in einer perfekten Welt so, dass jede*r einen Job hätte, der Spaß macht. Mein Vater hat früher immer gesagt: wenn man einen Job hat, der Spaß macht, dann muss man keinen Tag im Leben arbeiten. Und so ungefähr ist es bei mir mit Nø Cosmetics. Ich sehe kein Problem zwischen Arbeit und Freizeit, sondern eher darin, dass man so viel Zeit auf der Arbeit verbringt und diese dann auch möglichst positiv gestaltet sein sollte. Ich weiß noch, als ich Praktikantin in einem großen Konzern war und ich mich gefühlt habe, wie eine unbeachtete Nummer. Es wäre schön, wenn es überall flache Hierarchien geben würde und niemand Angst haben müsste, wenn der oder die Vorgesetzte einen anspricht. Man sollte jedem*r im Team zuhören. Egal ob Praktikant*in oder Führungskraft.
In einer perfekten Welt wäre da keine so große Kluft zwischen Arbeit und Freizeit. Ich glaube Freizeit wird in vielen Köpfen stark romantisiert. Insbesondere wenn der Job anstrengend und belastend ist, man versucht sich zu verstellen und man nicht die Person sein kann, die man eigentlich ist. Alles in einem schreit nach Entfalten und wenn man das im Job nicht kann, dann ist der Feierabend ein Rettungsanker.“
Was ist dein wichtigstes Learning zum Thema Work-Life-Balance?
„Ich glaube das wichtigste Learning ist, dass ich auf mich selbst höre und ich versuche ganz bei mir zu sein. Manchmal ertappe ich mich noch dabei, dass ich mich für gewisse Dinge rechtfertige, wie wenn ich zum Beispiel früher gehe. Man muss da den Druck rausnehmen. Ich versuche auf mich selbst zu hören und mir meine Freiheiten einzuräumen. Es ist natürlich super schön, dass das mein Arbeitsplatz auch hergibt und ich mir meinen Tag flexibel gestalten kann.“