Es gibt Dinge, die scheinen fast jedem Menschen Freude zu bereiten, unabhängig von Geschlecht, Alter oder sozialer Herkunft. Die Designerin Ingrid Fetell Lee beschäftigt sich in ihrem TED-Talk mit der Frage, warum das so ist.
„Your work gives me a feeling of joy“
Als ihr Professor Ingrid Fetell Lee 2008 bei der Abschlussprüfung an der Designschule mitteilte, dass ihre Arbeit ihm „Freude bereiten würde”, ahnte er nicht, dass seine Worte sie auf eine zehnjährige Suche schicken würden: nämlich der nach dem Ursprung von Freude. Die Designerin fragte sich, wie es sein kann, dass uns manche Objekte, manche Momente aus dem Nichts Freude bereiten – und wie wir es schaffen können genau diese Momente öfter für uns selbst herzustellen. Fetell Lee wollte das Verhältnis zwischen greifbaren Objekten und dem ungreifbaren Gefühl von Freude erkunden. Ein Jahrzehnt später präsentiert sie ihre Ergebnisse in ihrem TED-Talk „Where Joy hides and how to find it.“
Um Antworten zu finden, fragte Fetell Lee bei Freund*innen, Bekannten, Kolleg*innen und sogar Fremden nach, was ihnen Freude bereiten würde, sowie in welcher Situation sie das letzte Mal Freude verspürt hätten. Oft fielen die Antworten sehr ähnlich aus: „Kirschblüten und Seifenblasen… Schwimmbäder und Baumhäuser… Heißluftballons und Kulleraugen und Eistüten, besonders die mit Streuseln.” Diese vermeintlich kleinen Dinge im Leben lösten bei den Befragten Zufriedenheit aus und ließen sich nicht auf ein bestimmtes Alter oder Geschlecht reduzieren.
„Ich meine, wenn Sie darüber nachdenken, halten wir alle inne und drehen unseren Kopf zum Himmel, wenn dort ein Regenbogen zu sehen ist. Und ein Feuerwerk- wir müssen nicht einmal wissen, wofür es bestimmt ist, und trotzdem ist uns nach Feiern zumute. Diese Dinge sind nicht nur für einige, wenige Menschen erfreulich; Sie lösen bei uns allen Freude aus.“
Für Fetell Lee sind es diese Momente, von vielen nur als flüchtig abgetan, die uns in unserer Menschlichkeit vereinen und die ihr Hoffnung auf eine bessere Welt machen.
„The Aesthetics of Joy“
Ingrid Fetell Lee wollte wissen, warum es diese vermeintlichen Kleinigkeiten sind, die uns Menschen so viel Freude bereiten. Im Zuge ihrer Recherche wurde ihr dann bewusst, dass sich diese Momente der Freude eigentlich überall im Alltag finden lassen können, wenn man die Augen nur offen genug hält. Freude, so Fetell Lee, lässt sich durch Farben und Formen hervorrufen, durch verspielte Designs und durch lustige Muster. Unter Designern wird hierbei von „Aesthetics“ gesprochen. Fetell Lee geht noch einen Schritt weiter und nennt sie „Aesthetics of Joy“. Greifbare, physische Objekte, die unermessliche Freude auslösen können. Mit dieser Erkenntnis änderte sich das Lebensgefühl der Designerin radikal:
„Ich fing an überall kleine Momente der Freude zu entdecken, in einem gelben Oldtimer oder cleverer Straßenkunst. Es war, als hätte ich eine rosarote Brille an, und jetzt, wo ich wusste, wonach ich suchen sollte, sah ich es überall.“
Colour your life
In ihrem TED-Talk erklärt Fetell Lee, dass es vor allem bunte, helle Farben und asymmetrische Objekte sind, die bei Menschen Freude auslösen. Trotzdem scheint es in Politik und Gesellschaft den Konsens zu geben so wenig Farben und möglichst unauffällige Designs wie möglich in offiziellen Institutionen und bei der Städteplanung zuzulassen. Fetell Lee fragt, warum wir eine so graue und leblose Welt geschaffen haben, wenn doch in der Psychologie und Soziologie allgemein bekannt ist, dass genau das Gegenteil unser Wohlbefinden verbessern würde. Die Designerin glaubt, dass das daran liegt, dass wir im Laufe unseres Lebens unseren Sinn für Freude verlieren.
„Wir fangen alle mit Freude an, aber wenn wir älter werden, werden wir für Farbenfreude und Überschwänglichkeit kritisiert. Erwachsene, die echte Freude zeigen, werden oft als kindisch oder zu weiblich, unseriös oder selbstsüchtig abgetan. So halten wir unsere Freude zurück und das Ergebnis ist eine Welt, die so aussieht.“
Ingrid Fetell Lee ist davon überzeugt, dass wir aufhören sollten nach dem großen Glück zu jagen. Stattdessen sollen wir uns darauf konzentrieren Freude in unserer Umgebung zu finden.
„ Freude ist kein überflüssiges Extra. Sie ist direkt mit unserem grundlegenden Überlebensinstinkt verbunden. Im Grunde ist der Antrieb zur Freude der Antrieb zum Leben.“
Den gesamten TED-Talk von Ingrid Fetell Lee könnt ihr im Original auf Englisch hier anschauen.
Mehr bei EDITION F
Michael Kurth: „Die Suche nach dem Glück hat mich immer unglücklicher gemacht“. Weiterlesen
Joana Breidenbach: „Für Glück und Zufriedenheit brauchen wir mehr als materiellen Wohlstand“. Weiterlesen
Eine gute Balance zwischen Job und restlichem Leben für alle – in 8 Schritten. Weiterlesen