Sollten Führungskräfte coachen oder führen? Die erfahrene Personalerin Beate Werhahn erzählt, wie sich die HR-Arbeit verändert und sie sich selbst für ihren Job weiterentwickelt hat.
Personalerin zu werden ist ja kein typischer Berufswunsch, den man als Kind hat. Wie kam also das Interesse an diesem Bereich?
„Ich habe mich schon immer für Menschen interessiert. Zum Bereich Human Resources bin ich aber erst nach meiner Bankausbildung und einem Studium an der Bankakademie gekommen. Nach der Wende bin ich nach Gera gegangen und durfte dort unsere Mitarbeiter bei den Herausforderungen dieser einmaligen Zeit begleiten. Dabei war große Sensibilität und großes Empathievermögen gefragt. Ich musste die Menschen abholen, ihnen Angst vor der Veränderung nehmen und alle zu einem starken Team zusammen wachsen lassen. Dabei habe ich einmal mehr erkannt, wie sehr ich es liebe, mich in unterschiedliche Menschen hineinzudenken.“
Für welche Arbeitgeber hast du bisher im HR-Bereich gearbeitet?
„Ich bin seit 1992 im HR-Bereich tätig. Begonnen habe ich bei Deutsche Bank AG, danach ging ich zu KPMG, einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Und jetzt arbeite ich als HR Direktorin für die Wirtschaftskanzlei CMS in Berlin.
Findet eine Personalerin anders einen neuen Job als andere Arbeitnehmer?
„Nein, auch bei mir spielte der Zufall eine große Rolle. Ich kam mit einem Vater ins Gespräch, der seine Kinder im selben Kindergarten hatte wie ich. Das Angebot hat mich sofort gereizt. Insbesondere, weil es mir ermöglichte, regelmäßiger bei meiner Familie zu sein. Für mich war das eine tolle Chance. Nun kann ich direkt in Berlin arbeiten und für CMS national wie international reisen.“
Du hast eine Ausbildung zum systemischen Management-Coach gemacht, bei der man lernt, als Führungskraft erfolgreich Teams zu entwickeln. Wie hat die Ausbildung deine Karriere vorangebracht?
„Die Ausbildung hatte einen unglaublich großen Einfluss auf meine Karriere und mich persönlich. Ich habe sie in einer recht heißen Phase begonnen, in der ich für KPMG viel in London und Schweden unterwegs war. Parallel musste ich alle zwei bis drei Wochen für die Ausbildung nach Hamburg. Damals war mein Sohn zwei und meine Tochter fünf Jahre alt. Mein Mann hat mir den Rücken frei gehalten, anders wäre es nicht gegangen. Ich muss sagen, das war schon sehr anstrengend, aber gerade deshalb habe ich viel daraus gezogen. Da verschwendet man keine Zeit.“
Was war der Fokus der Coaching-Ausbildung?
„In der Ausbildung geht es um die Begleitung von Veränderungen, sowohl im System als auch besonders bei den Menschen persönlich. Die Coaching-Gespräche dazu kann man sich so vorstellen: Wo stehst du heute? Was ist dein Umfeld? Was willst du wann erreicht haben? Im Prinzip gebe ich Hilfe zur Selbsthilfe und spiele die Zukunft mit Mitarbeitern durch.
Beim Coaching muss man sich ganz von sich selbst lösen und komplett beim anderen sein. Das ist unglaublich wertvoll im beruflichen Kontext. Man praktiziert Nähe und professionellen Abstand zugleich, begleitet ohne einzugreifen, stellt sich mutig der Zukunft und formuliert verbindliche Ziele.“
Hast du auch selbst einen Coach oder eine Mentorin, die dir neue Impulse gibt?
„Da habe ich mein eigenes Vorgehen. Jedes Jahr wähle ich jemand Neues für diese Rolle – eine Person, zu der ich aufschaue und von der ich lernen will. Die Person selbst weiß davon nichts, vielleicht ahnen es aber manche. Das mache ich sogar privat so. Es gibt immer etwas zu lernen. Man ist ja schließlich immer wieder in einer neuen Lebensphase und braucht andere Impulse.“
Sollten Führungskräfte ihre Mitarbeiter eher coachen als führen? Wenn ja, wie könnte das konkret aussehen?
„Auf jeden Fall! Wichtig ist es, auf jeden einzelnen individuell einzugehen, um zu sehen, was denjenigen antreibt. Das klappt in kleineren Gruppen besser. In großen Teams empfehle ich Allianzen mit weiteren Coaches, um die ganze Gruppe zu sehen.
Ganz konkret kann Coaching auch bedeuten, in anderen Kontexten als dem Beruf zusammen zu kommen. Offsites sind tolle Ideenschmieden, bei denen man Neues wieder mit in den Beruf nehmen kann. Dafür braucht es einen ganzheitlichen Ansatz.“
Wie plant man im Unternehmen gezielt die Weiterentwicklung seiner Mitarbeiter?
„Wichtig ist es, einen konkreten Plan zu haben, zum Beispiel für 2017 wollen wir dieses Ziel erreichen. Dann geht es um die Umsetzung. Dafür machen wir Mentorengespräche: Wo stehen wir als Team? Wo willst du persönlich hin? Wir stellen gemeinsam fest, wo Wünsche und Potenziale liegen, denn jeder hat eine eigene ganz individuelle Agenda – mal geht es darum, sich selbst unternehmerisch einzubringen, mal geht es darum, internationale Erfahrungen zu sammeln. Den eigenen Mut, Neues auszuprobieren, sollten Unternehmen unterstützen.“
Wie schafft man es auf der anderen Seite als Mitarbeiter, sich trotz des voll bepackten Arbeitsalltags Räume für die eigene Weiterentwicklung zu schaffen?
„Aus meiner Sicht kommt es auf die innere Haltung an. Man darf sich nicht fremdbestimmen lassen vom Alltag. Man muss sich Termine für sich selbst setzen – das ist man sich schuldig. So wie andere sich auf einen verlassen können, muss man sich auch auf sich selbst verlassen können.“
Beate Werhahn ist Initiatorin von Courageous Minds – den mutigen, unabhängig denkenden Talenten bei CMS, die sich gemeinsam den Herausforderungen der Rechtswelt stellen.
Mehr bei EDITION F
Gute Führung: Das brauchen Mitarbeiter von ihren Chefs. Weiterlesen
Wie man den richtigen Mentor für sich findet. Weiterlesen
Warum deine Karriere viele Mentoren braucht. Weiterlesen