Foto: Alicia Kassebohm

Juliane Eller: „Wenn man das nicht lebt und das Herz nicht zu fünfhundert Prozent dafür schlägt, funktioniert es nicht”

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Was bedeutet es, mit Anfang zwanzig in das elterliche Unternehmen einzusteigen und dort alles zu verändern? Darüber spricht Jessie von Journelles mit Juliane Eller.

Wie man mit Mut, Leidenschaft und Disziplin eine ganze Branche verändert

Mit 23 Jahren steigt Juliane in das Weingut ihrer Eltern ein und stellt erstmal alles auf den Kopf. Das war vor sechs Jahren. Seitdem hat sie erfolgreich zwei neue Weinmarken etabliert: JuWel, die nach ihr benannte Linie, ist heute im Gault&Millau, einem der einflussreichsten Restaurantführer, aufgelistet. Rund 100.000 Flaschen werden jährlich weltweit verkauft. Gemeinsam mit dem Moderator Joko Winterscheidt und Schauspieler Matthias Schweighöfer gründete sie außerdem den Drei-Freunde-Wein. „Wir möchten jungen Menschen deutschen Wein näherbringen und sie dazu bewegen, keine günstigen Weine aus dem Ausland für unter zwei Euro zu kaufen. Wir haben tolle deutsche Winzer und trotzdem ist Deutschland einer der größten Importmärkte für Wein. Das ist schade.“  

Juliane Weller ist mit 23 Jahren ins Wein-Business ihrer Eltern eingestiegen.
Foto: Alicia Kassebohm 

Vom Ferienjob zum Unternehmen

Dabei hatte Juliane gar nicht vor, in das heimische Familienunternehmen einzusteigen. Während ihre Schulfreunde in den Sommerferien verreisten, muss sie ihren Eltern auf dem Weingut helfen. „Meine Schwester und ich haben nur ganz viel Arbeit gesehen. Keine freien Wochenenden, keinen wirklichen Urlaub. Ich habe mir immer einen geregelten Job gewünscht.“ Nach dem Abitur heißt es für sie deshalb erst einmal: ganz weit weg. Für knapp ein Jahr reist Juliane im Rahmen eines Work-and-Travel-Aufenthalts durch Australien.  

Sie sagten uns immer: Wenn man das nicht lebt und das Herz nicht zu fünfhundert Prozent dafür schlägt, funktioniert es nicht.

Als sie nach Alsheim zurückkehrt, wird ihr erstmals bewusst, wie idyllisch ihr Heimatort ist, wie glücklich sie sich schätzen kann. Plötzlich ist die Idee zu bleiben nicht mehr so abwegig: „Ich wusste, dass ich etwas Handwerkliches machen will. Also gab ich dem Wein eine Chance.“ Sie entscheidet sich für ein Praktikum beim berühmten Winzer Klaus Peter Keller: „Bei ihm habe ich erkannt, dass man alles anders machen kann. Ich war fasziniert und begeistert. Vom Wein, von der Qualität. Plötzlich sah ich die unzähligen Möglichkeiten, die unser Weingut bot. Und das Potenzial, das wir gar nicht nutzten.“ 

Juliane studiert Weinbau an der renommierten Hochschule Geisenheim, parallel macht sie Praktika in der Branche und sammelt Erfahrung, um das Wissen später im Familienbetrieb einzubringen. Unter Druck setzen die Eltern ihre beiden Töchter dennoch nie: „Sie sagten uns immer: Wenn man das nicht lebt und das Herz nicht zu fünfhundert Prozent dafür schlägt, funktioniert es nicht.“  

Vom Brechen der Traditionen

Nur zwei Tage nach der Zeugnisvergabe steigt Juliane in das Weingut ihrer Eltern ein und legt sofort los. Ohne Businessplan, ohne konkrete Strategie oder Ziel vor Augen. „Ich war jung und naiv und habe einfach mal angefangen.“ Über 30 Jahre erntete die Familie Eller ihre Trauben maschinell und produzierte überwiegend Fassweine. Juliane bricht radikal mit der Tradition und strukturiert um: Sie schraubt die Erträge runter, um eine höhere Qualität zu erzielen, stellt vom Fasswein zum Flaschenwein um, reduziert das Sortiment von 35 auf sechs Weine. Stellt auf biologischen Weinbau um. Die Trauben werden nicht mehr maschinell, sondern von Hand gelesen. „Ich bin ein Gefühlsmensch und treffe so auch meine Entscheidungen. Ich wollte eine sehr hohe Qualität anbieten und wusste, da gibt es nur einen Weg – und das ist der im Einklang mit der Natur.“ Zudem investiert die junge Winzerin: In ein neues Kühlungssystem, in neue Weinberge, in ein neues, zeitgemäßes Design.  

Jessie von Journelles hat Juliane zum Interview getroffen.
Foto: Alicia Kassebohm 

„Am Anfang kostete ich meine Eltern erstmal nur viel Geld. Hätten sie das Unternehmen über die letzten Jahrzehnte nicht so gewissenhaft geführt und mir so eine gute Basis geschaffen, hätte ich zu Beginn auch nicht direkt so viel wagen und investieren können.“ Wie reagierten ihre Eltern auf ihren Tatendrang? Hatten sie keine Bedenken, dass etwas schief geht? „Natürlich waren sie skeptisch, ob ich so jung auch die richtigen Entscheidungen treffen kann. Aber sie ließen mir freie Hand, vertrauten mir und gaben mir direkt Verantwortung und die Freiheit, mich zu entfalten und auszuprobieren.“ Nach wie vor hält die Familie fest zusammen und zieht an einem Strang: „Meine Eltern sind überall eingespannt, ohne sie würde es nicht gehen. Meine Schwester war Lehrerin, inzwischen arbeitet aber auch sie in der Firma und kümmert sich um den Export der Weine. Und meine Oma kocht für die ganze Familie. Es ist sehr harmonisch.“  

Trotzdem – oder gerade deshalb – war vor allem die Anfangszeit nicht leicht für Juliane. „Das alles kam nicht über Nacht.“ Anfangs kreisten ihre Gedanken permanent um das Weingut: Wie wird das Wetter? Hoffentlich gibt es keinen Frost oder Hagel. Wie entwickeln sich die Trauben? Sind die Investitionen zu hoch? „Ich erinnere mich an viele schlaflose Nächte. Die Verantwortung für das Unternehmen zu tragen, das meine Eltern und Großeltern mit so viel Herzblut aufgebaut haben, und es nicht gegen die Wand zu fahren, das war eine enorme Belastung.“  

Ich bin eine Vollblut-Winzerin, es ist ein ganzes Lebensgefühl. Sonst könnte ich meinen Job nicht mit so viel Hingabe und Leidenschaft machen.

Julianes Erfolgsrezept? Viel Mut, Fleiß, Selbstbewusstsein und Ehrgeiz. Der Arbeitsalltag auf dem Weingut hat es in sich, die 29-Jährige bezeichnet sich selbst als Workaholic: „Wir fangen morgens um acht an und arbeiten bis abends um sechs. Am Wochenende kommen noch Veranstaltungen hinzu. Während der Ernte starten meine Tage morgens um vier Uhr und gehen bis nachts um zwei Uhr. Ich schlafe zwei Stunden und dann geht es weiter. Aber da ich liebe, was ich tue, fühlt es sich nicht wie Arbeit an. Ich bin eine Vollblut-Winzerin, das ist ein Lebensgefühl. Sonst könnte ich meinen Job nicht mit so viel Hingabe und Leidenschaft machen.“ 

Foto: Alicia Kassebohm 

Hinter den Kulissen eines Weingutes 

Inzwischen ist Juliane selbst das Gesicht der Marke, auf Instagram nimmt sie ihre Community mit auf das heimische Weingut, gibt Einblicke hinter die Kulissen und in ihr Privatleben. Der persönliche Ansatz ist mitentscheidend für den Erfolg des Unternehmens. „Ehrlich gesagt wollte ich keinen Wein machen, nur um ihn in einen Tank auf einen LKW zu pumpen und dabei anonym zu bleiben. Ich wollte wissen, wofür ich so hart arbeite, das Ergebnis in einer Flasche zeigen und den Wein Menschen einschenken. Der Marke ein Gesicht geben. Das ist am Ende meine Bestätigung.“ 

Auch im Umgang mit der Konkurrenz nimmt Juliane eine neue Haltung ein und setzt auf den Austausch miteinander: Um deutsche Weine, insbesondere aus der Region Rheinhessen, sichtbarer zu machen, hat sie sich mit einigen Kolleg*innen als Gruppe Weinblick5 zusammengeschlossen. „Die Generation meines Vaters war noch anders: Man hatte immer die Sorge, dass der andere einem etwas abgucken könnte. Ich dagegen gebe gerne Tipps weiter und möchte gemeinsam mit den anderen die deutsche Weinbranche nach vorne bringen. Steigt das Interesse an deutschen Weinen und jungen Winzer*innen, profitieren wir alle davon.“ 

Fünf Tipps von Juliane Eller: Wie macht man sein Ding? 

  1. Von nichts kommt nichts. Jedem sollte bewusst sein, dass man seinen Weg nicht innerhalb weniger Tage findet. Ganz im Gegenteil: Es braucht einen langen Atem und es ist mit viel Arbeit verbunden, sich in klassischen Unternehmensstrukturen zu beweisen. 
     
  2. Es gehören Selbstbewusstsein und Mut dazu. Die Ideen, die man im Kopf hat, muss man auch bewusst angehen. Heißt: sich trauen, Dinge auszuprobieren und keine Niederlagen scheuen. Natürlich fällt man auch mal auf die Nase, aber das gehört dazu. Erfolgreiche Unternehmer*innen sind am Anfang sicherlich nicht nur einmal gescheitert. 
     
  3. Ich halte nichts von Konkurrenzkampf und Ellenbogendenken. Allein ist man nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, zusammen kann man viel mehr erreichen.
     
  4. Verschwende deine Energie nicht auf negative Dinge. Es gab mir gegenüber bestimmt Vorurteile: Ein blondes junges Mädchen steigt in das Unternehmen ihrer Eltern ein – aber ich habe mich davon nie beeinflussen lassen. Gerade als Unternehmer*in setzt man sich mit vielen Dingen auseinander, die einem Energie rauben. Da muss man sich nicht noch über Vorurteile Gedanken machen. 

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Frauen, die uns nachhaltig inspirieren und eine wichtige Rolle in unserem Leben einnehmen, treten manchmal ganz unverhofft in unser Leben, auch wenn sie nicht Teil der Familie oder des engen Freund*innenkreises sind. Im neuen Newsletter von She’s Mercedes porträtieren Jessie von Journelles, Stefanie von Ohhh…Mhhh und unsere Gründerinnen Susann und Nora abwechselnd genau solche Frauen, die uns im Kopf bleiben und deren Geschichten gehört werden wollen. Den neuen She’s Mercedes Newsletter bekommst du monatlich – und unter diesem Link kannst du dich anmelden.

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