Frauen bleiben in ihren Jobs immer noch viel zu oft unter ihren Möglichkeiten. Der Professor Tom Schuller hat darüber ein Buch geschrieben. „Das Paula-Prinzip” erklärt, warum es immer noch wahrscheinlicher ist, dass unser Chef ein unfähiger Mann ist als eine kompetente Frau.
Eine schwangere Premierministerin? Klar geht das!
Am 18. Januar machte die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern ihre Schwangerschaft öffentlich. Damit ist sie die erste Premierministerin dort, die während ihrer Amtszeit Mutter wird. In einer Fernsehansprache gab sie dazu an: „Ich bin nicht die erste Frau, die arbeitet und ein Kind bekommt. Ich weiß, es sind etwas spezielle Umstände. Aber das haben schon viele Frauen vor mir geschafft.” Ardern ist sich sicher, dass sie die neue Doppelbelastung gemeinsam mit ihrem Partner Clarke Gayford bewältigen wird. Und die beiden haben einen gut durchdachten Plan: Nach der Geburt wird Ardern selbst sechs Wochen Mutterschaftsurlaub nehmen. In dieser Zeit wird sie der stellvertretende Premierminister Winston Peters die Staatsgeschäfte übernehmen. Danach wird ihr Partner zuhause bleiben. Und trotzdem musste sie nach der offiziellen Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft viel Kritik einstecken. Müssen wir im Jahr 2018 wirklich noch darüber diskutieren, ob eine Frau Premierministerin und (werdende) Mutter gleichzeitig sein kann?
Eigentlich nicht. Dahinter steckt aber ein strukturelles Problem: Eine Schwangerschaft wird viel zu oft immer noch als „Karriereknick” wahrgenommen. Und das wiederum ist ein Grund dafür, dass Frauen im Job oft unter ihren Möglichkeiten bleiben, ist sich der Wissenschaftler und Autor Tom Schuller sicher. 2017 erschien sein Buch: „Das Paula-Prinzip”, in dem er der Frage nachgeht, warum es immer noch so eine große Diskrepanz zwischen männlichen und weiblichen Karrieren gibt.
Peter- vs. Paula-Prinzip
Um die Frage zu beantworten, stellt Schuller ein altbekanntes Phänomen vor: das Peter-Prinzip. Ein in den 1960er Jahren entwickeltes Konzept des Autors Laurence J. Peters, dass behauptet, dass Mitarbeiter so lange aufgrund ihrer Kompetenz befördert werden, bis sie eine Stufe über ihrem Kompetenzlevel angekommen sind. Für diese Stelle sind sie dann unterqualifiziert und bleiben trotzdem in dieser Position.
Schuller arbeitet heraus, dass Frauen heutzutage das Gegenteil erleben: Sie bleiben in Positionen stecken, die unter ihrem Kompetenzlevel liegen. Und das nicht nur knapp unter der berühmten gläsernen Decke, sondern auf allen Jobebenen. Das Problem betrifft nicht nur Managerinnen großer Unternehmen, sondern eben auch Kassiererinnen. Angelehnt an das Peter-Prinzip nennt Schuller dieses Phänomen: das Paula-Prinzip, das Spiegelbild der unfähigen Männer in Führungspositionen.
Strukturelle Diskriminierung von Frauen ist immer noch Realität
Wie aber kann das sein, fragt sich Schuller, in seinem Buch, wenn, wie Studien belegen, schon Mädchen in der Schule und junge Frauen an der Universität seit geraumer Zeit besser abschneiden als ihre männlichen Mitschüler? Und Frauen auch im beruflichen Kontext deutlich öfter Fortbildungsmaßnahmen nutzen
Schuller identifiziert dafür fünf Hauptgründe:
1. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts existiert immer noch
Politikerinnen sind immer noch „Mädchen” oder „Muttis”. Junge Kollleginnen werden immer noch als „junge Dame” angesprochen. Sexistische Sprüche, Diskriminierung und sexuelle Belästigung sind weiterhin Alltag an vielen Arbeitsplätzen. Sicherlich, so Schuller, hat sich das Arbeitsklima für Frauen in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert, aber das Problem ist immer noch groß genug, um die Karriere von Frauen negativ zu beeinflussen.
2. Männliche Vorbilder und vertikale Netzwerke sind immer noch die Regel
Je männlicher die Führungsebenen weiterhin besetzt sind, desto mehr männliche Vorbilder gibt es für junge Männer – und so weniger weibliche Vorbilder für junge Frauen. Ganz nach dem Motto: ”You can only be, what you can see” ist das ein großes Problem. Dazu kommt, dass Männer gerne andere Männer in ihr Netzwerk aufnehmen und fördern. Schuller beschreibt das als „PlUs”, People like us”. Bereiche, die von Frauen dominiert werden, wie zum Beispiel der Pflegesektor, wiederum sind oft deutlich schlechter bezahlt.
3. Frauen trauen sich immer noch weniger zu
Das alte Muster scheint weiterhin zu greifen: Männer erfüllen eine Anforderung einer Stellenausschreibung und bewerben sich selbstbewusst. Frauen erfüllen eine Anforderung nicht und bewerben sich deshalb nicht.
4. Frauen stellen ihre Karriere seltener an erste Stelle
Frauen, so Schuller, würden sich vor einer Beförderung fragen: „Brauche ich das Geld?”, Brauche ich die Anerkennung?” und „Kann ich mich in meiner jetzigen Position noch weiterentwickeln?” Wenn sie Frage eins und zwei mit Nein und die dritte mit Ja beantworten können, würden sie vor einer Beförderung eher zurückschrecken. Davon profitieren dann wiederum männliche Kollegen, die auf der gleichen Ebene arbeiten.
Dieser Punkt ist tatsächlich ein oft angeführtes Argument dafür, dass Frauen ja gar keine Karriere machen wollen würden und damit selbst schuld wären. Dem entgegnet Schuller allerdings, dass es, andersherum eher sinnvoll wäre, wenn Männer sich diesen reflektierten Entscheidungsprozess zu eigen machen würden.
5. Verfestige Rollenklischees halten sich hartnäckig
Frauen sind immer noch hauptsächlich diejenigen, die sich um die Kinder oder die Pflege von Angehörigen kümmern, während Männer weiter Vollzeit arbeiten gehen. In Deutschland ging bei 51 Prozent der heterosexuellen Paare mit Kindern unter drei Jahren der Vater einer Vollzeittätigkeit nach, während die Mutter nicht erwerbstätig war. Bei weiteren 24 Prozent der Paare war der Vater Vollzeit erwerbstätig, die Mutter Teilzeit. Und nur bei zwei Prozent ging die Mutter Vollzeit arbeiten und der Vater gar nicht oder nur in Teilzeit. Neben dem generellen gesellschaftlichen Rollenbild haben diese Zahlen sicherlich auch etwas damit zu tun, dass Frauen, dank der strukturellen Benachteiligung um dem Gender-Pay-Gap häufiger weniger verdienen und mit ihrem Austritt aus dem Beruf weniger Geld verloren geht.
Wir müssen das System wandeln
All das gilt natürlich nicht für alle Männer und Frauen. Es gibt Männer, die in Elternzeit gehen und Frauen, die es in eine Position über ihren Fähigkeiten geschafft haben, aber die strukturellen Voraussetzungen diskriminieren eher immer noch kompetente Frauen und fördern unfähige Männer. Diese fünf Gründe, die Schuller in „Das Paula-Prinzip” herausarbeitet, tragen entscheidend dazu bei, dass es sehr viel wahrscheinlicher ist, dass unser Vorgesetzter ein unfähiger Mann ist als eine kompetente Frau.
Damit sich das ändert – was ein Gewinn für alle wäre – muss sich der Blick auf Teilzeitmodelle ändern, ist sich Schuller sicher: „Wir müssen das Bild loswerden, dass man keine Karriere machen möchte, wenn man in Teilzeit arbeitet. Die Dinge werden sich in Fragen der Karriere für Frauen nur wirklich ändern, wenn auch Männer Mosaik-Karrieren eingehen und sich nicht dem Vollzeit-Konzept als einzigen Weg verschreiben.”
Jacinda Ardern und ihr Lebensgefährte sind dafür ein weiteres großartiges Beispiel, das hoffentlich dazu beiträgt, dass sich endlich die grundsätzlichen Strukturen ändern. Das wäre nicht nur gut für alle Frauen, die Karriere und Familie wollen, sondern auch für alle Männer, denen es genauso geht.
Bild: depositphotos.com
Mehr bei EDITION F
Warum unfähige Männer so oft in Führungspositionen sind. Weiterlesen
Karrierestop: Fast alle Frauen machen den gleichen Fehler im Job. Weiterlesen
Warum deine Karriere viele Mentoren braucht. Weiterlesen