Foto: Victor Hanacek | picjumbo

Multitasking schadet dem Gehirn

Menschen, die mehrere Dinge gleichzeitig tun, sind nicht klüger. Im Gegenteil: Sie arbeiten schlechter und können Relevantes nicht mehr unterscheiden.

In Stellenausschreibungen wird diese Fähigkeit noch nicht verlangt, dennoch ist Multitasking etwas, das wir als gute Eigenschaft abgespeichert haben.

Drei Dinge gleichzeitig tun? Kein Problem.

Information-Overload? Kenn ich nicht.

Die Generation, die immer online ist, findet es selbstverständlich, alles mögliche im Blick zu haben und von einer App zur nächsten zu springen. Eine Studie der Standford Universität hat jedoch herausgefunden, dass digitales Multitasking ein Mythos ist. Mehr noch: Es schadet dem Gehirn.

Menschen, die versuchen zahlreiche Ströme elektronischer Information gleichzeitig zu verfolgen, vermindern ihre Fähigkeit aufmerksam zu sein, haben ein schlechteres Erinnerungsvermögen und können weniger gut von einer Aufgabe zur nächsten wechseln, als diejenigen, die sich angewöhnt haben, etwas zu Ende zu machen, bevor sie sich etwas Neuem widmen. Der Kollege, der von sich behauptet, Multitasker zu sein, ist folglich nicht leistungsstärker – er schätzt sich falsch ein.

Ablenkung durch Irrelevantes

Das Forschungsteam hat etwa 100 Studierende durch eine dreistufige Testreihe geschickt und festgestellt, dass „Heavy Media Multitasker“ einen geistigen Preis für ihr Verhalten bezahlen. „Sie haben eine Schwäche für Irrelevanz”, sagte Clifford Nass, Professor im Fachbereich Kommunikation. Die Studie war zunächst darauf ausgerichtet, herauszufinden, welche Fähigkeit es ist, die Multitasker überlegen macht. „Wir haben danach gesucht, worin sie besser sind, aber wir haben nichts gefunden“, so Eyal Ophir aus dem Forschungsteam, der jetzt als User-Experience-Designer bei Yahoo arbeitet.

Für die Studie wurden die Teilnehmenden in zwei Gruppen aufgeteilt: Solche, die angeben viele digitale Dinge nebeneinander zu tun, und solche, die sich selbst nicht als Multitasker sehen. In den Testreihen ließen sich die Multitasker leicht ablenken und schnitten bei den gestellten Aufgaben sehr viel schlechter ab. Die Fähigkeit, irrelevante Informationen zu ignorieren, war bei der Vergleichsgruppe wesentlich besser ausgeprägt. Ebenso schnitten sie bei Tests zu ihrem Erinnerungsvermögen und dabei, sich von einer alten Aufgabe einer neuen zu zuwenden, sehr viel besser ab, als die Heavy-Multitasker. Versuchsteilnehmer, die als „Low Multitasker“ eingruppiert wurden, schlossen die Tests mit guten Ergebnissen ab.

Intensive Multitasker könnten sich nicht mehr auf separate Aufgaben konzentrieren, so die Studie. Sie versuchten alle verfügbaren Informationen mit einzubeziehen und kämen so durcheinander. Das Forschungsteam untersucht aktuell, ob chronisches Multitasken etwas Angeborenes ist, oder sich als Verhalten erst entwickelt.

Multitasking gelingt nur mit Routine

Ein deutsches Forschungsteam beurteilt Arbeitsunterbrechungen und Multitasking differenziert: Unterbrechungen könnten beispielsweise sehr monotone Arbeiten auf das Anforderungsniveau heben, das eine Person braucht. Bei Überforderung senken sie das Leistungsniveau jedoch noch stärker. Zudem führen häufige Unterbrechungen dazu, dass Menschen vergessen, was sie als nächstes tun wollten. Sie stellen zudem klar, dass Multitasking-Aufgaben nur gelingen, wenn eine Aufgabe bereits „hoch automatisiert“ ist. Sich zu unterhalten, während man bügelt, ist damit vorstellbar, gleichzeitig etwas zu twittern und einem Gespräch zu folgen, unmöglich.

Häufige Arbeitsunterbrechungen und die Anforderung, Dinge gleichzeitig zu tun, sind zudem Stressfaktoren, können sich auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Menschen auswirken und Kompensationsstrategien hervorrufen, die die Arbeitsqualität insgesamt senken.

Was bedeutet das für den Arbeitsalltag?

1) Verabschiede dich davon, auf Multitasking als eine deiner Fähigkeiten stolz zu sein. Zu glauben, dass man tatsächlich verschiedene Nachrichtenströme im Blick behalten kann und damit gute Ergebnisse erzielt, ist Selbstbetrug. Entscheide dich bewusst für eine Aufgabe und schließe sie ab, beginne erst dann mit der nächsten. Du kannst damit beginnen, deine E-Mails zum Beispiel in einem regelmäßigen Abstand zu checken und nicht alle paar Minuten.

2) Achte darauf, dass du Kollegen seltener bei ihrer Arbeit unterbrichst. Es ist zwar ein guter Ansatz, die Anzahl von Meetings zu reduzieren, weil sich vieles effektiver und auch zu zweit klären lässt als im Teammeeting, das sollte aber kein Grund dafür sein, jede Kleinigkeit sofort besprechen zu wollen. Wenn dein Anliegen Zeit hat, warte, bis du die Kollegin an der Kaffeemaschine triffst oder sammle das, was du mit ihr teilen willst, und vereinbare ein kurzes Gespräch.

Für eine gute Arbeitsatmosphäre ist es wichtig, dass Menschen ohne Unterbrechungen an ihren Aufgaben arbeiten können. Daran können vor allem Vorgesetzte mitwirken und zum Beispiel klar kommunizieren, welche Dinge Priorität haben und klare Abgabetermine vereinbaren. Selbstdisziplin ist auch gefragt. Alle Eilmeldungen zu lesen, kann von den wichtigen Dingen ablenken.

Weniger zu tun, kann tatsächlich bedeuten, mehr zu schaffen.

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