Foto: Depositphotos | Daxiao Productions

Neuseeland diskutiert eine dreitägige Freistellung nach einer Fehlgeburt – für beide Eltern

Bislang hatten Menschen in Neuseeland nach einer Fehl- oder Totgeburt keinen Anspruch darauf, von ihrer Arbeit befreit zu werden. Das soll sich nun ändern. Besonders fortschrittlich daran ist, dass die Beurlaubung für beide Elternteile gelten soll.

Zeit zu trauern

Die neuseeländische Politikerin Ginny Andersen möchte eine Gesetzesinitiative einbringen, um Eltern nach dem Verlust der Schwangerschaft (Fehlgeburt oder Totgeburt) Raum zu geben, zu trauern. Das Gesetz solle eine dreitägige, bezahlte Freistellung von der Arbeit ermöglichen und damit Menschen absichern, die fürchten, dass ein Fehlen im Job ihren Arbeitsplatz gefährden könnte oder die zuvor die Erfahrung gemacht haben, mit ihren Vorgesetzten diskutieren zu müssen, ob eine Fehlgeburt sie dazu berechtige, sich eine Auszeit zu nehmen. Bislang steht Menschen in Neuseeland nach dem Verlust eines Familienmitgliedes, wie einem Kind, ein Tag Beurlaubung vom Job zu, nicht aber im Fall eines nicht lebend geborenen Babys, was bei Betroffenen und Unternehmen zu Unklarheiten über die Ansprüche geführt haben soll. 

Die Autorin Kathryn van Beek hatte sich nach ihrer eigenen Fehlgeburt und der Zeit danach an Abgeordnete gewandt, das Thema politisch zu adressieren, da sie mitbekommen hatte, dass Eltern immer wieder Probleme haben, nach einer Fehlgeburt Zeit zu finden, die Erfahrung zu verarbeiten. Das vorgeschlagene Gesetz soll nun Klarheit und Rechtssicherheit schaffen – und vor allem Raum, bei Bedarf die Zeit für gemeinsames Trauern und körperliche Erholung zu nutzen.

Nicht nur Schwangere brauchen Unterstützung

Ganz besonders fortschrittlich an der Initiative der neuseeländischen Politikerin ist, dass der Anspruch auf Freistellung den*die Partner*in der Schwangeren einschließen soll, denn Gesetze, die dem Schutz von schwangeren Personen dienen, richten sich in der Regel nur an sie. 

In Deutschland zum Beispiel besteht zwar die Möglichkeit sich nach einer Fehlgeburt durch ein ärztliches Attest krankschreiben zu lassen, so dass die Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall greifen, gesondert geregelt ist dies jedoch nicht. Bei Totgeburt des Kindes (davon spricht man ab einem Gewicht von 500 Gramm), ist der Gebärenden gesetzlich die Mutterschutzfrist zugesichert, für Partner*innen besteht jedoch kein Anspruch, sich eine Auszeit zu nehmen. Wer als Partner*in trauern möchte oder seelisch belastet ist, muss sich entweder Urlaub nehmen oder eine*n Ärzt*in finden, der ein Attest ausstellt. So befinden sich Menschen, die ein ungeborenes Kind durch eine Fehl- oder Totgeburt verloren haben häufig in der Situation, dass die vormals schwangere Person zuhause allein trauert, während der*die Partner*in direkt wieder zur Arbeit gehen muss.

Der gesetzliche Schutz rund um die Schwangerschaft behandelt diese damit in arbeitsrechtlichen Punkten in den meisten Ländern als Sache einer Person. Der neuseeländische Vorschlag zur Beurlaubung für beide Eltern wäre damit eine politische Initiative, die anerkennt, dass eine Schwangerschaft in der Regel zwei Personen betrifft und damit auch nicht nur körperlichen Aspekte, sondern ebenso emotionale einschließen würde.

Mitfühlende Politik

Der neuseeländische Arbeitsminister Iain Lees-Galloway werde das Gesetz unterstützen, berichtet der Guardian, denn der Vorschlag unterstütze den „mitfühlenden, mitmenschlich zentrierten und fortschrittlichen Ansatz“ der Regierungspolitik, so Lees-Galloway. Er ergänzte: „Eine Fehlgeburt ist eine schreckliche Zeit für die Eltern, und diese Gesetzesvorlage gibt Eltern und Arbeitgeber*innen die Gewissheit der gesetzlichen Definition einer Fehlgeburt, so dass die Eltern trauern und sich Zeit nehmen können, um den persönlichen Verlust einer Fehlgeburt zu verarbeiten.“ 

Das Gesetz soll vorsehen, die Freistellung bei einer Fehlgeburt zu gewähren, sofern die Schwangerschaft bestätigt war, wobei gerade noch aussteht festzulegen, welche Art der Bestätigung hier vorliegen solle. Neben dem Anliegen, Menschen nach einer Fehlgeburt besser zu unterstützen, möchte die Abgeordnete Ginny Andersen mit der Gesetzesinitiative auch dazu beitragen, offener über Fehlgeburten zu reden, da sie nach wie vor ein „Tabu-Thema“ seien.

Foto: Depositphotos.com

In eigener Sache

Wir haben jetzt unsere eigene Facebook-Gruppe rund um das Thema Familie. Wir wollen uns mit allen austauschen und vernetzen, die sich für das Leben mit Kindern interessieren – egal ob ihr selbst Eltern seid oder nicht. Schaut doch mal vorbei

Mehr bei EDITION F

Wie mir meine Fehlgeburt gezeigt hat, dass ich nicht länger in der Großstadt leben will. Weiterlesen

Das Ende vom Anfang: Fehlgeburten dürfen kein Tabu-Thema mehr sein. Weiterlesen

„In der Blase der Selbstperfektionierung ist für etwas wie eine Fehlgeburt kein Platz“. Weiterlesen

Anzeige