Foto: Dennis Dirksen

„Ich habe begriffen, dass mein Beruf in die Kategorie ‚Zeit für mich‘ fallen muss“

Kund*in
She's Mercedes
Autor*in
EDITION F studio
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Warum es mutig und wichtig ist, seinen eigenen Weg zu gehen, egal was andere sagen – damit beschäftigt sich Stefanie Luxat in ihrem Porträt über Verena Pausder für den Newsletter von She’s Mercedes.

Am Ende kommt doch vieles so, wie es soll

Es geht gleich zur Sache. „Können wir alles haben als Mütter und Berufstätige?“ ist meine erste Frage, als Verena Pausder und ich uns in ihrem Berliner Büro zum Interview treffen. Die 39-Jährige spielt beruflich in der Top-Liga der digitalen Pioniere. Ihr Steckenpferd ist die digitale Weiterbildung von Kindern. Mit dem von ihr gegründeten Unternehmen Fox & Sheep entwickelt sie Apps für Kinder und hat es für mehrere Millionen Euro an den Spielzeughersteller HABA verkauft. Ihre Bildungsstätten, die HABA Digitalwerkstätten, gibt es mittlerweile deutschlandweit. Aktuell arbeitet sie mit ihrem Team am weiteren Ausbau dieser Idee. Sie hat drei leibliche Kinder (eineinhalb, acht und zehn Jahre alt) sowie ein sechsjähriges Bonuskind und ist in zweiter Ehe glücklich verheiratet. Ist es also doch möglich, alles zu haben?

Verena Pausder lacht. „Die Frage stelle ich mir auch oft! Ich habe begriffen, dass mein Beruf in die Kategorie ‚Zeit für mich‘ fallen muss. Denn davon bleibt darüber hinaus nicht viel übrig. Ich liebe meinen Beruf und kann diese Zeit daher sehr genießen.“ Das war nicht immer so. Als Verena Pausder gerade ihren zweiten Sohn bekommen hat und beruflich für eine Führungsposition zwischen Hamburg und Berlin pendelt, verlässt sie plötzlich ihr erster Ehemann.
Foto: Dennis Dirksen

Eines Abends steht er vor ihr und verkündet, er würde jetzt sofort nach München zu seiner neuen Freundin ziehen. Ohne Vorwarnung. Es ist Freitagabend. Verena Pausder schreibt trotz Schock übers Wochenende eine Rede an ihre 60 Mitarbeiter in Berlin und versucht sie Montagfrüh zu halten. Doch außer sehr vielen Tränen und herzzerreißendem Schluchzen bekommt sie nicht viel raus. Bis auf: „Wenn ihr mir helfen wollt, ich euch leid tue, dann macht euren Job gerade bitte einfach extra gut.“

Ihre damaligen Chefs, Szene-Größen wie Oliver Samwer, fragen sie, wie sie helfen können. Verenas Antwort: „Ich brauche zwei Monate, um alles neu zu organisieren“. Die bekommt sie. Zum ersten Mal bittet sie Freunde und Verwandte um Hilfe. Bei der Kinderbetreuung und dem Umzug nach Berlin. Als im Groben alles organisiert ist, geht sie eine Woche alleine in die Berge nach Südtirol, um sich selbst Zeit zum Verstehen und Neuausrichten zu geben.

Zum Stillen nach Hause rennen

Ein Jahr später lernt sie ihren heutigen Mann kennen, fünf Jahre später bekommen sie ein gemeinsames Kind und zum ersten Mal gönnt sich Verena eine Elternzeit für sechs Monate. „Bei meinen ersten zwei Kindern, meinen Söhnen, bin ich noch alle vier Stunden zum Stillen nach Hause gerannt. Klingt harmlos, war aber wirklich tough.“ Nach dem Verkauf von Fox & Sheep hätte Verena Pausder eigentlich aufhören können zu arbeiten. Eigentlich. Wäre da nicht ein ganz anderer Anspruch, der sie antreibt, abseits vom Geld: „Ich will, dass auf jedem deutschen Schulhof eine Digitalwerkstatt steht. Vorher höre ich nicht auf. Ich habe noch so viel vor, es wäre eine Verschwendung, hier einfach nur rumzusitzen!“
Foto: Dennis Dirksen

Ihre Kinder gehen morgens früh in die Schule und Kita, nachmittags kümmern sich die Nannies, in Krankheitsfällen übernimmt gleich morgens eine von ihnen. Sie machen auch Besorgungen, die Wäsche, beziehen die Betten neu und erledigen mit den Kindern die Hausaufgaben. Verena Pausder verlässt um Punkt 17.55 Uhr ihr Büro, damit sie kurz nach sechs zum Abendbrot Zuhause sein kann: „Das ist mir heilig. Das mache ich, weil ich es möchte, nicht, weil ich es muss.“ Hat sie manchmal ein schlechtes Gewissen? „Nein, habe ich tatsächlich nicht. Mein Selbstbild ist auch nicht, dass ich meine Kinder nicht sehe. Ich bin morgens mit ihnen zwei Stunden zusammen und abends noch mal drei Stunden, das finde ich ganz schön viel.“

Die Nannies wohnen nicht mit im Haus, morgens und auch am Wochenende oder im Urlaub sind sie nicht dabei: „Das wollen wir einfach alleine schaffen. Natürlich würden wir uns freuen, wenn Samstag jemand käme und fragen würde: ‚Wollt ihr mal kurz Luft holen und nichts tun?‘, aber das würde zu sehr an unserem Selbstverständnis als Eltern kratzen.“ Ob sie manchmal angefeindet wird von anderen Müttern für ihr Lebensmodell, möchte ich gern von ihr wissen. „Nicht ins Gesicht, aber hintenherum bestimmt. Es trifft mich aber nicht, weil ich weiß, dass ich das für mich Richtige tue. Ich hätte auch gar kein Problem damit, mich für eine Podiumsdiskussion zum Thema Rabenmütter auf eine Bühne zu setzen. Mich könnte da kein Argument treffen. Ich sehe meine Kinder und bin so zufrieden damit, wie gut es ihnen geht.“
Foto: Dennis Dirksen
Wir treffen uns zwei Mal für dieses Gespräch und einen Videodreh. Sie zeigt mir ihr Büro – sie sitzt mit ihrem Team zusammen in einem Raum, alle haben die gleichen Tische. Großes, eigenes Angeberbüro? Fehlanzeige. Wir springen zusammen Trampolin bei ihr Zuhause im Garten. Ich treffe eine ihrer Nannies, sehe, wie sie schon mal das Abendbrot für die Kinder vorbereitet und wie ordentlich die ganze Wohnung ist. In der Ecke sehe ich die Fitness-Hilfsmittel für die Sporteinheiten mit dem Trainer zwei Mal die Woche. Auf einem Regal Fotos von ihr und ihrem Mann – beide sehr hübsch und strahlend.

Was man von inspirierenden Frauen lernen kann

Es wäre jetzt ganz einfach, Verena Pausder in eine Schublade zu stecken und damit die hochkommenden neidischen Gefühle wegzuschieben. Oder, und das halte ich für tausendmal schlauer, einfach zu schauen, wie man das, was einen an ihrem Lebensstil fasziniert, ins eigene Leben überträgt. In dem Maß, das sich für einen selbst gut anfühlt. Und wenn man ein anderes Lebenskonzept verfolgt, das von ihr vielleicht nicht nachvollziehen kann, es nicht zu verurteilen. Sondern sie und sich selbst sein zu lassen.

Am Ende des Tages sitzen wir zusammen in ihrer V- Klasse, Verena fährt, wir sammeln ihre Familie ein, es entsteht etwas Zeitdruck und ich merke: Egal wie viel Geld man hat oder wie viele Nannies – wir kommen doch alle in die gleichen Situationen. Verenas Söhne wollen übers Wochenende nach Hamburg, ihren Patenonkel besuchen, und müssen pünktlich zum Bahnhof. Ihre kleine Tochter quengelt, weil sie nicht parallel entertaint wird, der Gatte ist mürrisch, weil ihn im Job etwas nervt. Wir müssen noch mal nach Hause, weil sie den Buggy vergessen hat und dann ruft der Patenonkel auch noch an, dass etwas schief geht mit dem Wochenende. Verena lacht mich an und sagt: „Der normale Wahnsinn.“ Der ganz normale Wahnsinn, wie wir ihn alle kennen.

Drei Tipps von Verena Pausder, wie man das Muttersein und Karriere machen unter einen Hut bekommt

1. Suche dir eine sehr gute Vertretung.

Es ist total hilfreich, wenn man weiß, dass Zuhause jemand die Kinder betreut, der das gleiche Wertesystem hat, der einen sehr gut kennt und an einer langen Beziehung interessiert ist. Dann kann man mit einem sehr guten Gefühl ins Büro gehen. Ich selbst bin mit Au-Pairs aufgewachsen. Das war ein ständiger Wechsel, was gut war, wenn ich jemanden nicht mochte, aber furchtbar, wenn ich jemanden lieb gewonnen hatte.

2. Finde klare Lösungen, setze nicht auf Flickenteppiche.

Damit meine ich: nimm nicht eine Babysitterin, die nur mittwochs kann, dann noch für Donnerstag die Nachbarin und Freitag hat noch eine Freundin Zeit. So ein Flickenteppich an Betreuung fliegt einem auf Dauer um die Ohren. Setz dich lieber ein Mal hin, überlege dir: wie will ich arbeiten? Und gebe für die Kinderbetreuung Geld aus. Das ist ja nicht für immer nötig, nur für die ersten Jahre.

3. Gehe Vollzeit zurück in deinen Job.

Die meisten Teilzeit-Mütter arbeiten wie eine Vollzeit-Kraft, werden nur nicht dafür bezahlt. Das möchte ich unbedingt ändern. Sonst haben die Frauen natürlich kein Geld für Kinderbetreuung und der Hund beißt sich in den Schwanz. Wenn nur Teilzeit möglich ist, investiere dein Gehalt trotzdem in Kinderbetreuung, damit du im Job am Ball bleiben kannst. Es wird sich später auszahlen.

Die tollsten Frauen in dein Postfach

Frauen, die uns nachhaltig inspirieren und eine wichtige Rolle in unserem Leben einnehmen, treten manchmal ganz unverhofft in unser Leben, auch wenn sie nicht Teil der Familie oder des engen Freund*innenkreises sind. Im neuen Newsletter von She’s Mercedes porträtieren Jessie von Journelles, Stefanie von Ohhh…Mhhh und wir von EDITION F abwechselnd genau solche Frauen, die uns im Kopf bleiben und deren Geschichten gehört werden wollen. Den neuen She’s Mercedes Newsletter bekommst du monatlich – und unter diesem Link kannst du dich anmelden.

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