Wir brauchen politische Lösungen, um Menschen mit Kindern und dabei besonders Alleinerziehende in der Pandemie zu entlasten – die Verantwortung darf nicht weiterhin auf die Familien abgewälzt werden. Unsere Chefredakteurin fordert Solidarität für Familien, privat und politisch.
Am Ende des Jahres würde ich gern eine positive Bilanz ziehen, auf die familienpolitischen Inhalte des Koalitionsvertrags hinweisen, die Hoffnung machen können. Aber: Eine positive Bilanz ziehen ist nach diesem Jahr leider nicht möglich. Nicht, wenn wir schauen, wie es Alleinerziehenden gerade geht.
Sieben Wochen in Quarantäne mit drei Kindern
Auf meinem Instagram-Account habe ich nachgefragt. Das sind ein paar der Antworten:
„Ich war dieses Jahr sieben Wochen mit drei Kindern in Quarantäne. Interessiert es irgendwen? Nein. Ich habe dem Gesundheitsamt mehrfach gesagt: Ich schaffe es nicht. Nicht, weil es meinen Kindern schlecht geht, ganz im Gegenteil. Die fanden es super, alleine mit Mama. Nein, ich gehe dabei drauf.“
„Alles, wovon ich träume: Ich wache morgens auf, trinke Kaffee und kann einen Tag ganz normal arbeiten. Keiner, der mich anruft wegen irgendeinem Scheiß. Keine Quarantäne. Keine extra Belastung. Wenn Leute sagen: Du brauchst eine Kur. Dann sage ich: Ja! Aber wann denn!?“
Eine andere erzählt von ihrer Mutter-Kind-Kur:
„Die Vorbereitung und Anreise waren mega anstrengend. Nach drei Tagen mussten wir wieder nach Hause und in Quarantäne. Mehr als zu Hause sein und das Kind pausenlos Peppa Wutz gucken lassen, habe ich nach der Tortur nicht geschafft.“
Und eine andere:
„Ich bin nicht alleinerziehend, aber sogar wir sind am Limit. Als ich beim Kinderpsychologen geweint und gesagt habe, dass wir nicht mehr weiter wissen, sagte er nur: Das ist was für eine systemische Therapie, und schickte uns nach Hause. Niemand ist zuständig. Und es interessiert auch niemanden.“
Kein privates Problem, sondern politisches Versagen
Dass es Alleinerziehenden und Familien generell gerade so geht, ist kein privates Problem. Die Ursache liegt in den Strukturen, in denen wir leben. Und in einer Pandemie-Politik, die Familien, Eltern und vor allem Kinder nicht in den Mittelpunkt ihrer Entscheidungen stellt.
Die wenigen politischen Maßnahmen, die es gibt, sind ein Witz. 300 Euro Schweigegeld, ein paar Luftfilter hier und da, aber nicht flächendeckend, und den Leitspruch „Wir lassen die Schulen geöffnet“, aber komplett ohne Konzept. Das Ergebnis: Schulen und Kitas sind zwar offen, ich kenne aber keine Familie, in der die Kinder in den vergangenen Monaten verlässlich betreut und die Eltern verlässlich erwerbsarbeiten konnten.
Ja, es gibt Kinderkrankentage. Aber wenn Kinder wegen Corona in Quarantäne sind und die Kinderkrankentage aufgebraucht sind, bekommt der betreuende Elternteil nur noch 67 Prozent des Nettolohns. Und schon von 100 Prozent des Nettolohns können viele Alleinerziehende mehr schlecht als recht leben. Wie soll das gehen?
„Die Erschöpfung von Familien und vor allem von Alleinerziehenden ist ein politisches Problem. Es darf nicht von Familien selbst gelöst werden müssen, sondern von der Politik. Familien brauchen Solidarität, privat und politisch.“
Ich sehe aktuell weder Entlastungskonzepte für jetzt sofort und auch keine nachhaltigen für die Zukunft. Wie sollen sich Kinder und Alleinerziehende von den Strapazen der Krise erholen? Psychisch und finanziell? Ich sehe nicht einmal, dass das in den Überlegungen von Politiker*innen überhaupt eine Rolle spielt.
Eine grundlegend andere Politik
Um hoffnungsvoll in die Zukunft von Familien blicken zu können, muss sich Politik grundlegend ändern. Ein paar gute Punkte im Koalitionsvertrag reichen nicht aus. Und: Es kann und darf nicht die Aufgabe von Familien sein, dafür zu kämpfen. Kinder, Familien und Alleinerziehende brauchen Solidarität. Im Alltag und politisch. Damit meine Kolumne in einem Jahr einen anderen, hoffnungsvolleren Inhalt hat.
Die Erschöpfung von Familien und vor allem von Alleinerziehenden ist ein politisches Problem. Es darf nicht von Familien selbst gelöst werden müssen, sondern von der Politik. Familien brauchen Solidarität, privat und politisch.