Wer hochsensibel ist, nimmt Reize verstärkt und ungefiltert wahr – bei Autorin Maria Anna Schwarzberg folgte auch deswegen ein Burnout. Mit ihrem Podcast und als Verlegerin will sie über das Thema Hochsensibilität aufklären – jetzt erscheint ihr erstes Buch im Rowohlt-Verlag. Unsere fünf Learnings aus dem Buch.
Reiz, Reiz, Baby
Mit „Proud to be Sensibelchen: Wie ich lernte, meine Hochsensibilität zu lieben“ liefert Maria Anna Schwarzberg eine Momentaufnahme ihrer eigenen Geschichte: Sie hat schon früh gemerkt, dass viele Reize auf sie einprasseln und eine intensivere Wirkung auf sie haben, als das augenscheinlich bei ihren Mitmenschen der Fall war. Was das konkret bedeutet? Sie ist sehr empathisch, ihre Erinnerungen sind voller Details. Dafür fühlt sie sich aber auch schneller überreizt, mental und körperlich erschöpft und braucht mehr Zeit ganz für sich allein – eben, um all die Reize verarbeiten zu können.
Das wollte sich Maria Anna Schwarzberg aber nicht zugestehen und akzeptieren, ihr eigener Leistungsanspruch und die Erwartungen an sich selbst haben sie davon abgehalten. Ihre Hochsensibilität, von der sie zu der Zeit zwar eine Ahnung, aber für die sie noch keinen Namen hatte, hat ihr Grenzen gesetzt, die sie regelmäßig überschritten hat – bis mit Mitte 20 der Burnout folgte. Schwarzberg begann eine Therapie und stellte sich die Frage: Was brauche und will ich eigentlich wirklich? Und warum bin ich so anders?
In einem Artikel stolperte sie dann über den Begriff Hochsensibilität – und fühlte sich schlagartig erleichtert. Viele der beschriebenen Merkmale kamen ihr sehr bekannt vor: Reizempfindlichkeit, ein detailliertes Erinnerungsvermögen, überangepasst, perfektionistisch, wenig belastbar. Nach Rücksprache mit ihrem Therapeuten stand schnell fest: Maria Anna Schwarzberg ist hochsensibel. Endlich hatte sie eine Erklärung dafür, wie es für sie zum Burn-Out kam und warum sie immer das Gefühl hatte, ein wenig anders zu sein. Seitdem beschäftigt sie sich mit dem Thema und leistet Aufklärungsarbeit – wer ihr Buch liest, lernt viel über Hochsensibilität und Maria Anna Schwarzberg eigenen Umgang damit. Diese fünf Dinge haben wir beim Lesen gelernt:
1. Hochsensibilität ist keine Krankheit, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal
In der Fachliteratur hat Hochsensibilität ganz unterschiedliche Namen – highly sensitive person, überempfindlich, hypersensibel und noch ganz viel mehr. Alle Begriffe meinen aber denselben Sachverhalt: „Die verstärkte Wahrnehmung von Außenreizen, mit der eine tiefergehende Verarbeitung und ein detailreiches Erinnerungsvermögen einhergehen, lässt Hochsensible tief empfinden und erleben, empathisch, aber eben auch schmerz- und rauschempfindlich, stimmungsbeeinflusst, perfektionistisch und selbstkritisch sein, häufig überangepasst und weniger belastbar“, schreibt Maria Anna Schwarzberg in ihrem Buch.
Das heißt konkret: Hochsensibilität ist keine Krankheit, sondern beschreibt die Persönlichkeit einer Person. Die Forschung dazu steht noch ganz am Anfang, Maria Anna Schwarzberg hat viel recherchiert. Was sie bei der Recherche besonders interessant fand? Das haben wir sie gefragt: „Überraschend schön finde ich, dass es ein Forschungsfeld der Liebe und Beziehungen gibt. Überraschend schade ist dagegen, dass es in diesem Bereich noch zu wenig Wissenschaftler*innen und Ergebnisse gibt.
Für die Hochsensibilität bedeutet das, dass zwar seit 30 Jahren spannende Erkenntnisse gewonnen werden, aber immer noch zu wenig, um die Thematik ausreichend wissenschaftlich definieren zu können.“
2. Der Begriff „hochsensibel“ ist nicht inklusiv
Das findet zumindest Maria Anna Schwarzberg. Denn wer sich fragt, ob er*sie hochsensibel ist, kann einen Test machen und so herausfinden, ob er*sie genug Eigenschaften und Merkmale mitbringt, um als hochsensibel eingestuft zu werden. Damit wird aber jede*r ausgeschlossen, der*die nicht (hoch-)sensibel genug ist. Maria Anna Schwarzberg möchte jedoch niemanden aus dem Kreis der Hochsensiblen ausgrenzen – und plädiert damit für den offeneren Begriff „Sensibilität“: „Sensibilität schließt für mich mehr Menschen ein, Hochsensibilität sehr viele Menschen aus, die sich gerade wegen ihrer sensiblen Persönlichkeit ohnehin anders fühlen. In welchen Abstufungen jede*r einzelne hochsensibel ist, mag für die Wissenschaft (zu Recht!) von Bedeutung sein, nicht aber für mich als Autorin. Ich berichte über sensible Themen, um Emotionen statt Effizienz in den Fokus zu holen“, sagt sie. Einen exklusiven Club der Hochsensiblen soll es zumindest bei ihr nicht geben.
3. Hochsensibilität ist vererbbar
Die Wissenschaftlerin Elaine Aron hat mit ihren Forschungen den Begriff Hochsensibilität maßgeblich geprägt. Dabei hat sie herausgefunden, dass es in manchen Familien eine „signifikante Häufung von Hochsensibilität“ gibt. Die Veranlagung zur Hochsensibilität ist wahrscheinlich erblich bedingt und dann von entwicklungspsychologischen Faktoren abhängig.
4. Jede Hochsensibilität ist einzigartig
Manche haben bestimmte Merkmale besonders ausgeprägt, die bei anderen kaum auftreten – deswegen sind sie aber nicht weniger hochsensibel. Maria Anna Schwarzberg beschreibt es so: Während sie sich besonders gut visuell erinnert, also vor ihrem inneren Auge ganze Räume und Situationen visualisieren kann, können andere in Geräuschen träumen oder verbinden eine Erinnerung mit einem bestimmten Geruch. Denn oft ist ein Sinn ganz besonders ausgeprägt. Was Hochsensible als sehr anstrengend empfinden, variiert ebenfalls, und auch, worauf sie körperlich schnell negativ reagieren und was sie dann brauchen, um sich zu erholen.
5. Hochsensibilität kann eine Superkraft sein
Durch die ausgeprägte Wahrnehmung und Empathie können (Hoch-)Sensible im Vorteil sein, denn sie erkennen oft schnell, wie es einer Person gerade geht, sind besonders aufmerksam und haben ein tolles Gedächtnis. Das ist ihre Superpower – vorausgesetzt, sie akzeptieren die eigenen Grenzen. Und die sind oft schneller erreicht, als bei Menschen, die weniger sensibel sind. Wer ignoriert, dass man Pausen und mehr Zeit braucht, um das Erlebte zu verarbeiten, wird früher oder später die Rechnung dafür zahlen – Maria Anna Schwarzberg hat es erlebt. Dazu gehört auch eine große Portion Selbstakzeptanz: Wer sich eher nach einem Sofa und Ruhe sehnt, sollte nicht jedes Wochenende ausgehen, nur weil man das eben mit Anfang und Mitte 20 so macht.
(Hoch-)Sensible neigen dazu, ihre Grenzen zu ignorieren. Sie wollen dazugehören und versuchen, sich anzupassen. Dabei steht doch eigentlich fest: Wer die Balance zwischen den eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen hält, auf sich selbst hört und sich ehrlich eingestehen kann, was man gerade braucht, ist gesünder und zufriedener – und das gilt eigentlich für jede*n, ob (hoch-)sensibel oder nicht. Denn jede*r ist anders, braucht, will und kann ganz Unterschiedliches. Das ist auch eine Superkraft. Wahrscheinlich sogar die beste.
Lasst uns doch miteinander reden!
Ganz zum Schluss haben wir Maria Anna Schwarzberg noch gefragt, was ihr Ratschlag an diejenigen ist, die mit (hoch-)sensiblen Personen zusammenleben. Ihre Antwort ist gleichzeitig ein perfektes Schlusswort: „Mein genereller Ratschlag für alle Unterschiede, die die Diversität der Menschen mit sich bringt, ist immer wieder: Kommunikation. Durch das Mitteilen und den Austausch über unsere Gefühle und Gedanken entstehen Verständnis und Empathie. Wir sollten mehr Brücken statt Mauern bauen, weil wir alle in einem wichtigen Merkmal gleich sind: Wir sind Menschen.“ Yes, girl!
Ihr wollt reinlesen? Hier findet ihr die Leseprobe.