Niemand macht gerne Fehler. Dabei sind sie eine wichtige Voraussetzung, um zu lernen und sich weiterzuentwickeln. So gelingt dir der Umgang mit Rückschlägen.
Jeder Mensch macht Fehler
„Irren ist menschlich“ – das sollte uns eigentlich allen bewusst sein. Und doch trauen sich viele nicht, die eigenen Fehler einzugestehen. Denn in einer Welt, die von der perfekten Selbstdarstellung geprägt ist, wird es immer schwerer zuzugeben, dass man seine Schwächen hat. Dass Dinge nicht gelingen. Dass man auch einmal richtig daneben greift. Anstatt zu akzeptieren, dass Fehler ganz gewöhnlicher Teil des Menschseins sind, werden sie oft als persönliches Versagen empfunden und vor dem Umfeld vertuscht. Und im beruflichen Kontext herrscht erst recht der Anspruch, stets perfekt zu funktionieren.
Dabei gibt es durchaus Projekte, die zeigen wollen, dass das Nicht-Perfekte und das alltägliche Scheitern ganz normal sind. Instagram-Channel feiern hässliches Essen statt perfekter Food-Bilder. Startups retten verwachsenes Gemüse. Und in so genannten „Fuck-up Nights“ treffen sich in vielen Städten Gründer und Interessierte, um ihre Misserfolge zu teilen und gemeinsam über sie zu lachen. Über Misserfolge, aus denen sie häufig viel gelernt und neue Ideen generiert haben. Denn tatsächlich zeigen Studien, dass nur in einer offenen Fehlerkultur Innovation entsteht. Und auch im Privaten tut es gut, Fehler offen zuzugeben – vor sich selbst und vor anderen.
Die Kosten negativer Fehlerkultur
Gerade in Deutschland herrscht traditionell ein hoher Anspruch an Qualität und Perfektion. In vielen Firmen werden Fehler überhaupt nicht gerne gesehen. Stattdessen sollen Mitarbeiter bei immer höherem Arbeitstempo funktionieren und sind dabei oft mit einer negativen Feedback-Kultur konfrontiert. Doch der Druck, durchweg perfekt zu funktionieren, führt nicht nur beim Einzelnen zu Anspannung und schlimmstenfalls Burnout, sondern mindert auch die Innovationskraft der gesamten Organisation, zeigen Studien. Denn wer Angst vor den Vorgesetzten hat, geht keine Risiken ein und treibt keine neuen Ideen voran.
In einer Untersuchung der Universität Wien betrachteten die Autoren das gestiegene Arbeitstempo und den internen Wettbewerb in Dienstleistungsunternehmen und wollten ermitteln, ob die Mitarbeiter dennoch Eigeninitiative zeigen. Ihr Ergebnis: Wer ständig negatives Feedback für seine Fehler erhält, schlägt seltener eigene Ideen vor. Stattdessen führt eine negative Fehlerkultur zu Stress, Druck und Perfektionismus. Denn Menschen neigen dazu, Fehler vor allem bei sich selbst zu suchen, egal wie komplex die Umstände sind. „Wir suchen Fehler häufig im individuellen, menschlichen Versagen, weil das für uns am einfachsten ist”, so Tabea Scheel, Psychologin an der Humboldt-Universität Berlin und Co Autorin der Wiener Studie, gegenüber Spiegel Online. Dabei handele es sich in den meisten Fällen um Fehlerverkettungen, selten liege die Schuld bei einer Einzelperson.
Auch eine Studie der California School of Professional Psychology zeigt die Auswirkungen von negativen Reaktionen von Vorgesetzten auf ihre Mitarbeiter. Lässt eine Führungskraft nach einem Fehler Wut, Frust oder Ärger auf die Mitarbeiter einprasseln, sinkt in der Folge die Risikobereitschaft. Auch Kreativität und Engagement lassen nach, wodurch in der Folge weitere Fehler entstehen.
Ohne Scheitern keine Innovation
Doch es gibt auch Bereiche, in denen Rückschläge anders gesehen werden. Aus der Wissenschaft sind „Fehler“, die sich als Entdeckungen entpuppen, nicht wegzudenken. Erst kürzlich fand die spanische Forscherin Federica Bertocchini durch Zufall eine plastikfressende Raupenart – nachdem Motten ihre Bienenstöcke befallen hatten und sie die Schädlingslarven entnervt in einer Plastiktüte entsorgen wollte. Das lebensrettende Penicilin wurde der Überlieferung zufolge nur entdeckt, weil Alexander Fleming 1928 versehentlich das Laborfenster offen ließ und seine Bakterienkulturen von dem Penicillium-Schimmelpilz befallen wurden.
Auch im Forschungsalltag sind lange Verkettungen von Scheitern ganz selbstverständlich – besser bekannt als Experimente. „Wissenschaft ist eigentlich das Berufsbild, das auf Scheitern aufbaut“, fasst Molekularbiologe Josef Penninger in der F.A.Z. zusammen. „Scheitern ist Teil unseres Lebens, aus dem man eine Gelegenheit machen muss.“ Entscheidend sei aber zu verstehen, woran man gescheitert ist, und daraus zu lernen.
Von Gescheiterten lernen
Auch in der Unternehmenswelt trifft man auf erfolgreiche Menschen, die auf Rückschläge zurückblicken. Bevor Bill Gates der reichste Mann der Welt wurde, ging er mit seiner ersten Firma Traf-O-Data pleite. Ihr Produkt war ein Mikroprozessor, der den amerikanischen Verkehr analysieren sollte, doch die Demo-Version funktionierte nicht und kostenlose Berichte der Bundesstaaten machten das Produkt ganz überflüssig. Doch Gates und sein Mitgründer lernten so das Programmieren und gründeten später gemeinsam eine kleine Software-Firma namens Microsoft.
Sein größter Konkurrent in späteren Jahren, Steve Jobs, wurde nach dem Scheitern seines ersten Computer-Projekts „Lisa” als Angestellter von Apple gefeuert. Einige Jahre später war Jobs mit seinem eigenen Unternehmen so erfolgreich geworden, dass er Apple aufkaufte und so zum legendären Firmenchef wurde. Später bezeichnete er den Rauswurf bei Apple als „das Beste, was mir passieren konnte. Die Schwere des Erfolges wurde durch die Leichtigkeit, wieder ein Anfänger zu sein, ersetzt. Ich war weniger sicher und rutschte in einen der kreativsten Abschnitte in meinem Leben.”
Inzwischen gehört die persönliche „Phönix aus der Asche”-Geschichte im Silicon Valley geradezu zum guten Ton. Kein Erfolgsmensch, der nicht mindestens einmal schwer gescheitert sein will. Selbstverständlich ist diese romantische Erzählung von der Realität oft weit entfernt. Die meisten Unternehmer stammen aus privilegierten Verhältnissen und nicht aus jedem Scheitern wird eine märchenhafte Erfolgsgeschichte. Doch die Grundhaltung, Rückschläge und Fehler als Anreiz für neue Ideen und Entwicklung zu sehen, kann auch im normalen Leben inspirieren. Solange wir offen mit Fehlern umgehen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen.
So gelingt dir der Umgang mit Fehlern:
1. Lachen ist gesund
Der richtige Umgang mit Fehlschlägen und Missgeschicken hängt natürlich von deren Schwere ab. Aber gerade wenn es um Kleinigkeiten wie das vergeigte Abendessen oder den falschen Einkauf des Partners geht, hilft die gute alte Wunderwaffe: Humor. Also anstatt den Abend gleich ganz für gescheitert zu erklären, weil der Auflauf angebrannt ist oder die Glühbirne nicht passt, atme erst einmal tief durch, betrachte das ganze mit etwas Abstand und versuche, die absurde Seite an der Situation zu sehen. Es gibt sie ganz bestimmt, und ein herzhaftes Lachen kann die Anspannung schnell lösen. So fällt es auch leichter, gemeinsam eine Lösung zu finden, und ein netter Abend mit Pizza bei Kerzenschein ist sicher besser als Streit.
Auch im Job darf bei allem Anspruch auf gute Arbeit Humor erlaubt sein, wenn etwas schiefgeht. Eine positive Atmosphäre trägt zu größerer Offenheit bei und hilft, den gleichen Fehler in Zukunft gemeinsam zu vermeiden. Gerade als Führungskraft schadet es daher nicht, auch einmal mit einem Spaß den Druck herauszunehmen – und trotzdem gemeinsam die richtigen Lehren zu ziehen.
2. Trau dich, ehrlich zu sein – auch zu dir selbst
Ob privat oder beruflich, aus Fehlern können wir nur lernen, wenn wir sie auch eingestehen – mindestens vor uns selbst. Wahrscheinlich hatte jeder von uns schon einmal das Gefühl, die Welt hätte sich gegen ihn verschworen, dass einfach alles schief läuft, obwohl man selbst sich doch die größte Mühe gibt. Sind denn wirklich alle anderen schuld? Oder könnte es sein, dass man selbst doch etwas zur Situation beiträgt? Während manche zu selbstkritisch sind, suchen andere gerne nach Ausreden oder Schuldigen. Und es ist ein ganz natürlicher Reflex, das eigene Ego zu schützen. Doch gemeinsame Fehlersuche und Weiterentwicklung wird dadurch nicht leichter.
Wenn du das nächste Mal Streit hast oder im Team etwas gründlich schief läuft, frag dich: Welchen Anteil habe ich daran? Die eigene Verantwortung einzugestehen hilft, die Situation offen zu analysieren, den Konflikt zu entschärfen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Eine ehrlich gemeinte Entschuldigung bringt dich in vielen Fällen deutlich weiter als Verdrängung oder Gegenangriff.
3. Nimm dir Zeit, deine Wunden zu lecken
Viele brüsten sich damit, echte „Stehaufmännchen” zu sein. Dabei zeigen Studien tatsächlich, dass Menschen, die zu Selbstmitleid neigen, besser in der Lage sind, Rückschläge zu verkraften. Denn sie nehmen sich die Zeit, die sie brauchen, um eine Situation zu analysieren, zu reflektieren, darüber zu sprechen und sie zu verarbeiten. Wer beispielsweise mit einem ambitionierten Projekt scheitert, ist auch emotional getroffen und braucht Zeit, um darüber hinwegzukommen. Von privaten Schlägen wie dem Scheitern einer Beziehung ganz zu schweigen.Wer sich emotional und analytisch die Zeit nimmt, die Situation zu verarbeiten, hat gute Chancen, daraus zu lernen.
Bleibt stattdessen in dem Bestreben, schnell weiterzumachen, nur das Scheitern hängen und nicht die Lektion daraus, wird man für die Zukunft eher negativ geprägt. Also mach dich frei von falschen Idealen und nimm dir die Zeit, die du brauchst.
4. Hake es irgendwann ab
Schwere Rückschläge und Verletzungen lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen abhaken. Doch irgendwann muss das Gedankenkarussell ein Ende haben. Wenn du merkst, dass ein Vorwurf sich verselbständigt hat, sag irgendwann „Stop” oder such dir die Hilfe, die du brauchst, um damit umzugehen. Ab einem gewissen Punkt hilft es nicht mehr weiter, die gleichen Gedanken immer und immer wieder im Kopf zu wälzen. Früher oder später muss man akzeptieren, dass man etwas falsch gemacht hat und es auch nicht mehr ändern kann, sondern nur daraus lernen.
Achtsamkeitstraining ist eine große Hilfe, um die eigenen Gedanken in den Griff zu bekommen und empathisch mit den eigenen Fehlern umzugehen. Die regelmäßige innerliche Konzentration und Besinnung erleichtert es, die Aufmerksamkeit zu steuern, Gedanken und Gefühle mit Abstand zu betrachten und sie zu akzeptieren. So wird es leichter, zu reflektieren und offen auch mit den weniger perfekten Seiten des Lebens umzugehen – sich selbst und anderen gegenüber.
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