Unsere Gesprächspartnerinnen Rutta Mekonen, Anna Kaiser, Sahil Tesfu und Anna Yona (v.l.n.r.) – Fotos: Sarah Hohmann, Christian Stumpp, privat, Sandra Dienemann

Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Vier Frauen über ihre Visionen

Kund*in
She's Mercedes
Autor*in
Nora-Vanessa Wohlert
Gesponsert

Die Frage, wie wir in der Zukunft arbeiten werden beziehungsweise wie wir arbeiten wollen, ist aktuell vielleicht wichtiger als je zuvor. Unsere Co-Gründerin Nora-Vanessa Wohlert hat darüber für den She’s Mercedes Newsletter mit vier ganz unterschiedlichen Frauen gesprochen.

„Mehr Flexibilität und Vertrauen von dem*der Arbeitgeber*in – diese Erwartungshaltung sehen wir immer häufiger.“

Sahil Tesfu
Sahil Tesfu – Foto: privat

Sahil Tesfu ist Partnerin im Münchner Büro von McKinsey und seit 2013 bei der Unternehmensberatung. Sie berät Klient*innen unterschiedlichster Branchen unter anderem zu Fragen der Digitalisierung, Reorganisation, HR-Strategie und Diversität. Bei McKinsey engagiert sie sich für die „Women in Operations“-Initiative sowie im Frauen-Recruiting und als Mentorin. Vor ihrem Einstieg bei McKinsey arbeitete sie als Beraterin bei Capgemini und übernahm anschließend die Geschäftsführung eines Londoner Fashion-Start-ups. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und absolvierte ihren MBA an der IESE (Instituto de Estudios Superiores de la Empresa) in Barcelona und der Haas School of Business in Berkeley.

Welche Rolle wird Arbeit in Zukunft für unser individuelles Leben spielen?

Sahil Tesfu: „Ich sehe insbesondere zwei Trends: Einerseits suchen vor allem Berufsanfänger*innen nach einer sinnstiftenden Arbeit. Sie wollen sich mit ihrem*r Arbeitgeber*in und dem Inhalt ihrer Tätigkeit identifizieren und das Gefühl haben, etwas zu bewegen. Und auch für alle anderen gewinnen persönliche Ziele, Interessen und Leidenschaften an Bedeutung. Andererseits erwarten immer mehr Talente, dass auch anspruchsvolle und verantwortungsvolle Tätigkeiten mit dem Familienleben oder den Hobbies vereinbar sind. Damit ist weniger der Wunsch nach einem Nine-to-five-Job gemeint, sondern vor allem mehr Flexibilität und Vertrauen von dem*der Arbeitgeber*in. Diese Erwartungshaltung sehen wir immer häufiger.“

Du beschäftigst dich in deiner Arbeit mit Digitalisierung und Talentmanagement – was hat die aktuelle Krise offenbart, was beschleunigt?

Sahil Tesfu: „Nicht wenige Unternehmen haben es teilweise deutlich zu spüren bekommen, dass sie die Digitalisierung vor der Pandemie nicht mit der notwendigen Schlagkraft und den zugehörigen Investments vorangetrieben haben. So war es beispielsweise in vielen Unternehmen kein Standard, dass die Mitarbeitenden mit der notwendigen Technik und Zugriffsmöglichkeit auf interne Systeme ausgestattet waren, um auch im Homeoffice produktiv arbeiten zu können. Da hat sich durch die Pandemie vieles sehr schnell verändert. Aber das örtlich flexible Arbeiten birgt auch Herausforderungen für das Talentmanagement und die Teamführung. So ist es zum Beispiel schwieriger geworden, Talente durch regelmäßiges Feedback und Coaching bestmöglich zu fördern. Auch fehlen gerade jungen Mitarbeitenden häufig die Möglichkeiten, sich bei erfahrenen Kolleg*innen Best Practices abzuschauen, weil sie diese nicht persönlich erleben.“

Wenn es um Unternehmensberatung geht, haben viele noch ein klassisches Bild im Kopf. Wie wollt ihr in Zukunft New Work möglich machen? Und was macht ihr bereits konkret?

Sahil Tesfu: „Unternehmensberatungen haben den Vorteil, dass die Tätigkeiten auch schon vor der Pandemie dezentral vor Ort bei den jeweiligen Klient*innen ausgeführt wurden. In der Arbeit mit unseren Kund*innen hat sich gezeigt, dass Teams auch von zu Hause aus sehr effizient zusammenarbeiten können. Der persönliche Kontakt zu unseren Klient*innen und Kolleg*innen wird für uns immer sehr wichtig bleiben, aber ich rechne damit, dass sich die Zeit, in der Berater*innen auf Reisen sein werden, nach der Pandemie reduzieren wird. Zudem haben wir auch schon immer ein hohes Maß an Flexibilität ermöglicht, zum Beispiel durch den frühzeitigen Einsatz von Videokonferenz-Technik, die Möglichkeit persönlicher Auszeiten zwischen Projekten oder aufgrund von Teilzeitmodellen. Aber auch diesbezüglich haben wir durch die Pandemie dazugelernt. Konkret werden verschiedene neue Formate angeboten, um auch im Homeoffice den persönlichen Austausch mit den Kolleg*innen zu fördern, zum Beispiel durch gemeinsame Lunch- oder Coffee-Dates, virtuelle Teamevents oder Coaching-Einheiten.“

„Neue Arbeitsmodelle werden uns Freiraum für ein gesellschaftliches Engagement im Beruf geben.“

Anna Yona
Anna Yona – Foto: Sandra Dienemann

Anna Yona gründete 2015 mit ihrem Mann Ran “Wildling Shoes”. Ihre drei Kinder wuchsen in Israel barfuß auf, bevor die Familie 2013 nach Deutschland zog. Die größte Herausforderung: passende Schuhe für die Kinder zu finden. Aus einer Idee für ihre eigene Familie ist mittlerweile ein mittelständisches Unternehmen mit 200 Mitarbeiter*innen geworden, das Barfußschuhe für jedes Alter produziert. Von Anfang an war das Arbeiten von Zuhause für das Unternehmen mit Sitz ins Engelskirchen bei Köln Teil des Alltags. Denn die Unternehmerin hatte keine Lust, täglich ins Büro zu pendeln.“

Welche Rolle wird Arbeit in Zukunft für unser individuelles Leben spielen?

Anna Yona: „Der Trend von Arbeit als Notwendigkeit hin zu Arbeit als sinn- und identitätsstiftende Tätigkeit wird sich verstärken. Gleichzeitig wird die Trennung zwischen Beruf und Privatem weiter verschwimmen. Einmal, weil die Entkopplung von Arbeit, Zeit und Raum mehr Flexibilität ermöglichen wird, aber auch, weil neue Arbeitsmodelle uns Freiraum für ein gesellschaftliches Engagement im Beruf geben werden.“

Remote Arbeit war schon immer normal für euch – wie führst du aus der Distanz und wie entsteht auf diese Weise Zusammenhalt und Nähe?

Anna Yona: „Führung bei uns basiert auf Visionsentwicklung, Management im Sinne von Klarheit und Struktur, sowie Coaching durch Teamaufbau und individuelle Förderung. Nähe und Zusammenhalt entstehen durch einen gemeinsamen Purpose, durch Werte, Transparenz und Mitnahme, One-on-One-Meetings sowie einen regelmäßigen Teamaustausch ohne Arbeitsbezug. Trotzdem können wir das nächste ,echte Treffen‘ kaum erwarten.“

Vertrauensbasierte Arbeit ist euer Kern – wie können alle Chef*innen das lernen?

Anna Yona: „Die Grundvoraussetzung sind klare Absprachen. Was sind die gegenseitigen Erwartungen an Rolle und Aufgaben? Was ist das Ziel und woher weiß man, wann es erreicht ist? Wenn der Rahmen steht, fällt es gar nicht schwer, loszulassen und gemeinsam auf das Ergebnis zu schauen, statt auf Präsenz und Mikromanagement zu setzen.“

„Wir haben verstanden, dass Arbeitszeit gleich Lebenszeit ist und somit Arbeitszufriedenheit gleich Lebenszufriedenheit.“

Rutta Mekonen
Rutta Mekonen – Foto: Sarah Hohmann

Rutta Mekonen ist Human-Centered Leadership Coach und bietet mit ihrem Unternehmen “Imnet” Einzel- und Teamcoachings sowie Trainings und Workshops an, die die Entwicklung hin zu einer Arbeitsweise fördern, bei der die Person im Mittelpunkt steht. Schon als Kind entdeckte sie ihre Faszination für Menschen und deren Verhalten. Das ist einer der Gründe, weshalb die Wirtschafts- und Organisationspsychologin voller Begeisterung für Gespräche ist. Kein Wunder, dass Rutta auch einen Podcast hat, in dem sie über New Work, Mindful Business und Führung spricht. In „Making the workplace a better place“ teilt sie mit den Hörer*innen ihre Idealvorstellung der Berufswelt, in der beides miteinander verbunden ist: Erfolg und menschenzentriertes Arbeiten.

Welche Rolle wird Arbeit in Zukunft für unser individuelles Leben spielen?

Rutta Mekonen: „Die Arbeit wird auch in Zukunft eine große Rolle in unserem Leben spielen, aber eine andere als noch für Generationen vor uns. Wir verstehen sie als einen Teil unserer Identität. Wir achten immer mehr bei der Berufs- und Arbeitgeber*innen-Wahl auf übereinstimmende Werte. Passt die Tätigkeit zu den eigenen Stärken sowie Interessen und können wir uns authentisch zeigen? Wir haben verstanden, dass Arbeitszeit gleich Lebenszeit ist und somit Arbeitszufriedenheit gleich Lebenszufriedenheit.“

Dir geht es in deinem Unternehmen vor allem um ein menschenzentriertes Zusammenarbeiten. Wie können Teams in der aktuellen Zeit und in Zukunft mehr aufeinander achtgeben?

Rutta Mekonen: „Alle Menschen wollen das Gleiche: gesehen und gehört werden. Daher gilt es mehr zuzuhören und hinzuschauen, insbesondere in Krisenzeiten wie der aktuellen. Wie geht es jeder einzelnen Person im Team und welche Herausforderungen beschäftigt sie? Mitgefühl ist ein zentrales Element von menschenzentrierter Zusammenarbeit. Praktisch könnte es zum Beispiel bedeuten, Unterstützung anzubieten oder Aufgaben entsprechend umzuverteilen.“

Vier-Tage-Woche, Job-Exchange, keine Chef*innen mehr – bald Regel statt Ausnahme?

Rutta Mekonen: „Es kommt darauf an, welchen Berufszweig wir betrachten. In den Pflegeberufen, der Gastronomie oder in der Produktion spielen die Themen kaum eine Rolle. Betrachten wir die New Work-Szene, sieht es anders aus. Selbstbestimmung und Freiheit sind entscheidende Werte. Die Umsetzung dieser Werte wünsche ich mir in allen Berufen. Von diesen Vorteilen zu profitieren, sollte nichts Elitäres sein.“

“Vorgesetzte müssen es schaffen, loszulassen und ihre eigene Rolle in einem sich wandelnden Gefüge zu finden.”

Anna Kaiser
Anna Kaiser – Foto: C. Stumpp

Anna Kaiser gründete 2013 gemeinsam mit Jana Tepe das Berliner Unternehmen “Tandemploy”. Die beiden teilen sich die Geschäftsführung im Jobsharing. Gemeinsam mit ihrem Team entwickelt sie Software, die Konzerne wie Mittelständler*innen darin unterstützt, neue Strukturen und Arbeitsmodelle in der Praxis umzusetzen. Für ihre Arbeit wurde sie über 25-fach ausgezeichnet. Ihr Anliegen einer vernetzten, innovativen und zukunftsorientierten Arbeitswelt diskutiert sie auch auf höchster politischer und gewerkschaftlicher Ebene, ist im Beirat ,Junge Digitale Wirtschaft‘ des Bundeswirtschaftsministeriums und engagiert sich im ,Ethikbeirat HR-Tech‘.

Welche Rolle wird unsere Arbeit in Zukunft für unser individuelles Leben spielen?

Anna Kaiser: „Arbeit bleibt ein wichtiger Teil des Lebens. Wenn wir Technologie clever einbinden und uns ernsthaft als Menschen füreinander interessieren, kann jede*r mit weniger Arbeitsstunden ganz viel erreichen. Spannend wird sein, wie sich der Stellenwert der unterschiedlichen Tätigkeiten verändern wird. Für viele Aufgaben brauchen wir in Zukunft keine Menschen mehr. Andere dagegen, und es sind vor allem die Care-Berufe, brauchen das Menschliche. Wäre es nicht toll, wenn diese Tätigkeiten die Wertschätzung erfahren würden, die sie verdienen? Und gleichzeitig attraktiver würden, weil sie – auch mit Hilfe von digitaler Technologie – bessere Arbeitsbedingungen böten? Für die großen Herausforderungen unserer Zeit, ob Bildungskollaps oder Klimakrise, brauchen wir Menschen, die anpacken und Lösungen finden, die den Mut haben zu gründen, oder sich im Ehrenamt engagieren.“

Du teilst dir die Geschäftsführung im Jobsharing, alle Mitarbeiter*innen arbeiten bei euch in flexiblen Arbeitsmodellen – wird das irgendwann in allen Unternehmen so sein?

Anna Kaiser: „Das sollte Ziel und Anspruch sein. Auch wenn die Pandemie Türen geöffnet hat, was die Flexibilisierung von Arbeit angeht, so gibt es auch Rückschritte. Erst kürzlich hat wieder eine Studie gezeigt, dass aktuell vor allem Frauen berufliche Nachteile erfahren. Zudem fehlt es an Lern- und Weiterbildungsmöglichkeiten, um unter den neuen Bedingungen gut arbeiten zu können. So viele Unternehmen zeigen, wie es gehen kann, wie Mitarbeitende entlang ihrer Fähigkeiten und Bedürfnisse arbeiten können. Das sind nicht nur die jungen Wilden, sondern auch große Konzerne. Viele Unternehmen spüren den Veränderungsdruck, aber wissen nicht so richtig, wo sie anfangen sollen. Hier kommen wir dann mit einer sehr praktischen Lösung um die Ecke, um einfach mal loszulegen. Wir ermöglichen mit unserer Software zum Beispiel, dass Mentor*innen und Mentees zusammenpassen, dass sich Jobsharing-Kolleg*innen finden oder Menschen miteinander lunchen gehen, die sich sonst vermutlich auf der Arbeit nicht getroffen hätten. Ein Pilotprojekt lässt sich in wenigen Monaten umsetzen. Wenn der erste Schritt gemacht ist, eröffnen sich viele neue Möglichkeiten.“

Euer Ziel ist, Unternehmensstrukturen mit ihren Silos aufzubrechen. Wie überzeugt man seine*n Chef*in davon, Arbeit neu zu denken?

Anna Kaiser: „Positive Erfahrungen sind ein mächtiger Hebel. Wer einmal erlebt hat, wie es sich vernetzt und kollaborativ arbeitet, möchte es nicht mehr missen. Vorgesetzte müssen es schaffen, loszulassen und ihre eigene Rolle in einem sich wandelnden Gefüge zu finden, in dem Mitarbeitende zunehmend eigeninitiativ und selbstorganisiert lernen und arbeiten. Das zu erkennen, ist ein Prozess, der durch tolle Vorbilder oder positive Erlebnisse beschleunigt werden kann. Mitarbeitende sollten sich trauen, die Spielräume, die sie haben, auch auszureizen und ruhig auch etwas darüber hinaus zu wagen. Gelebte Veränderung ist der beste Beweis, dass das Konzept funktioniert.“

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