Fast alle tun es, und doch fällt das sprechen darüber vielen noch schwer: Masturbation. Aber warum eigentlich? Unsere Community-Autorin hat ein Bekenntnis zu ihrer heimlichen Lieblingsbeschäftigungen und darüber geschrieben, wie wir von unseren allein erlebten Orgasmen ganz viel lernen können.
Erst einmal eine Runde masturbieren
Bestimmt kennt ihr diese beschämende Vorfreude. Die Vorhänge werden zugezogen, die Kopfhörer aufgesetzt – und der Vibrator auf die höchste Stufe gestellt. Ja, dieses summende, beruhigende Geräusch eures wohl privatesten – und treuesten – Begleiters. Der Freund, der zuhause unter der Bettdecke oder in der untersten Schublade eurer Flohmarktkommode vergraben liegt und nur darauf wartet, Aufmerksamkeit von euch zu bekommen. Der Freund, der euch kurze Zeit vergessen lässt, dass, er*sie „zuletzt vor zwei Minuten online“ war und trotzdem noch nicht auf die vor Stunden verschickte Nachricht geantwortet hat. Der Freund, der sich nicht daran stört, dass das Minus auf dem Konto seinen neusten Höchststand erreicht hat.
Masturbation ist ein Allerweltsheilmittel – sei es mit Vibrator, Gurke, elektrischer Zahnbürste oder der altbewährten Hand. Es hat mir Stunden, wenn nicht Jahre Therapie erspart. Dabei hätte ich zwar auch auf dem Rücken liegen, jedoch an viel unangenehmere Dinge denken müssen, als an den Typen aus dem Buchladen, der mich am Verkaufstresen nimmt. Und seien wir mal ehrlich: Wir sprechen oft mit weniger Scham über die Therapiestunden, in denen wir dem*der Therapeut*in unser Innersten offenbaren (während er*sie wohlmöglich gerade an Masturbation denkt), als über Masturbation. Dabei dient beides schlicht der „Wartung“ des Körpers und Geistes – etwas, das jede*r mal gebrauchen könnte. Masturbation ist es eine der schönsten Tätigkeiten, die man mit sich selbst anstellen kann. Und dazu ist es auch noch gesund – für den Körper und für den Geist. Denn Masturbation wirkt stimulierend auf das Nervensystem, entspannt Muskeln und stabilisiert Blutdruck und Herz-Kreislauf. Also, Hand in die Hose!
Ein verpixelter Penis reicht mir
Ich persönlich masturbiere fast täglich. Ja, das kostet schon seine Zeit, aber die nehme ich mir. Meistens tue ich es, wenn ich von einem langen Arbeitstag nach Hause komme, ausgelaugt und geil bin. Masturbation entspannt mich, pustet meine Gehirnwindungen durch und lässt mich nach einem guten Orgasmus mit neuer Energie meinen Alltag angehen. Ich bin auch eine Liebhaber*in feministischer Pornografie, die ich oft mit meinem Freund diskutiere. Obwohl wir eine sehr ehrliche Beziehung führen und über so gut wie alles offen reden, sagt er, bei Pornografie fängt Privatsphäre an. Er teilt ungern mit mit, was er sich gerne anschaut. Ich respektiere das und behaupte, ihn gut genug zu kennen, um zu wissen, dass er sich keine „My-Little-Pony-Pornos“ anschaut. Ja, die gibt es tatsächlich!
Während unserer Gespräche, auch mit Freund*innen, fiel mir auf, wie unterschiedlich das Konsumverhalten von Pornografie ist. Für meinen Freund beispielsweise ist es vollkommen unverständlich, dass ich meine Filme auf dem Handy schaue. „Das musst du doch dann so umständlich halten und auf dem Bildschirm kannst du doch so gut wie nichts erkennen“, spottet er dann meist. Mir genügt mein kleiner Bildschirm, denn letztendlich geschieht die Erektion doch im Gehirn und da reicht mir ein verpixelter Penis. Und bei Pornografie geht es doch sowieso zum großen Teil um den Sound, sage ich, wobei ich den mitleidigen Blick eines guten Kumpels auf mir spüre: „Du schaust mit Ton? Boah, nee, das klingt doch so gekünstelt. Ich schalte den immer aus.“ Interessant. Während das Stöhnen für mich eine der erotischsten Eigenschaften von Pornografie ist, empfindet es mein Kumpel als lästig.
Masturbation verbessert Sex
Diese Unterhaltungen führten mir vor Augen, wie wichtig Masturbation für meine eigene sexuelle Entwicklung war. Masturbation hat mir dabei geholfen, meine Sexualität zu erkunden, zu lernen, was mir gefällt und wo meine Grenzen sind. Klar, Masturbation ist Arbeit. Natürlich hatte ich schon den einen oder anderen kampfhaften Orgasmus mit mir selbst und habe danach beschämt meinen Browserverlauf gelöscht und versucht, Gedanken aus meinen Gehirnwindungen auszuradieren, von denen ich bis zu diesem Moment zwischen meinen Laken nichts zu wissen glaubte. Doch halfen mir diese verrückten, zum Teil auch urkomischen Vorstellungen, mich selbst besser kennen zu lernen.
Schluss mit Tabu
Warum also sprechen wir noch immer so wenig über eine Tätigkeit, die uns selbst so viele Erkenntnisse und Freude bescheren kann und dabei auch noch so einfach zu praktizieren ist? Ich denke, einer der Gründe ist das Gefühl der Begrenzung, das wir zwischen unserem Konsumverhalten und dem anderer Menschen herstellen: Wir glauben, dass andere es nicht tun, weniger tun, öfter tun, anders tun – und so, wie wir selbst es tun es nicht „normal“ sei.
Würden wir mit anderen darüber reden, könnte vielleicht ans Licht kommen, dass wir doch viel mehr gemeinsam haben, als wir glauben. Seien wir doch einfach mal offener unserer und anderer Masturbationsvorlieben gegenüber – vielleicht kann dabei die eine oder andere Küchenphilosophie bei billigem Rotwein angefacht werden!
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