Was kommt dabei heraus, wenn man den Kunden frei entscheiden lässt, was er für die Idee oder den Text zahlen möchte? Der österreichische Texter und Konzepter Jonathan Schröder hat es ausprobiert – steht er jetzt vor der Pleite oder geht der Plan auf?
Werde ich Wertschätzung finanzieller Art bekommen, wenn ich sie nicht einfordere?
Wir kennen das: Geistige und kreative Arbeit wird viel zu häufig gering geschätzt, obwohl es dafür schon lange keine Grundlage mehr gibt – wenn es sie denn jemals gab. Denn genau das ist in der heutigen Arbeitswelt unsere Aufgabe, ganz gleich, ob man CEO in einem Konzern ist oder in der Kreativbranche arbeitet. Und dennoch hören Texter eben gerne, dass acht Cent pro Zeile doch wirklich ausreichend seien, endlose Korrekturschleifen inbegriffen versteht sich, wonach sich der Kunde dann doch für eine andere Ausrichtung entscheidet und man noch einmal von vorne beginnt. Und am Ende steht man da, und hat für seine Arbeit draufgezahlt, statt sie entlohnt zu bekommen.
Was also würde geschehen, wenn man die Kunden einfach bezahlen lassen würde, was sie wollten? Ohne Vorgabe. Und ohne anzumerken, dass man eine Miete zu bezahlen hat – dass das gerne Mal vergessen wird, wissen alle, die in dem Bereich arbeiten. Tja, genau das wollte der österreichischeTexter Jonathan Schröder herausfinden und hat einen sogenannten „Free Friday“ eingeführt. An diesem Tag entscheiden alleine die Kunden, was seine Arbeit wert ist. Eine guteI dee? Und macht das nicht die Branchenpreise kaputt?
Was passiert, wenn man die Kunden alleine entscheiden lässt, was sie für kreative Arbeit bezahlen
Erst einmal zu den Fakten: Begonnen hat Jonathan Schröder das Experiment Anfang des Jahres 2016 und die Idee war, jeden Freitag für eine andere Agentur oder ein anderes Unternehmen zu arbeiten – und auf keinen Fall für einen Kunden, der seine Dienste schon einmal in Anspruch genommen hat. Laufen wird das Experiment bis zum 24. Juni. Die ersten Free Fridays verliefen für den Freiberufler erst einmal schleppend, nämlich mit Aufträgen, aber Null umgesetzten Euros. Weil er seine Leistung zwar schon erbracht hatte, aber (Pitch-) Entscheidungen ausstanden, und es so kein GO für einen Geldtransfer auf sein Konto gab.
Also alles eine ziemlich dumme Idee? Nein, schreibt er auf seinem Blog, denn mittlerweile hat das Experiment gezeigt, dass er in der Regel tatsächlich mehr Geld für seine Arbeit angeboten bekommt, als er zuvor selber für die Leistung festgesetzt hätte – nämlich rund 100 Euro die Stunde. Und das ist erstaunlich, schließlich hat er schon für die Kreativagentur Jung von Matt und Kunden wie McDonalds, Mercedes-Benz oder MTV gearbeitet und dürfte so wissen, was er verlangen kann und was nicht.
Kaputt macht er Branchenpreise mit seinem Experiment also nicht. Doch neben der Erkenntnis, dass durchaus manchmal mehr Geld drin ist, als vermutet, hat sich die Sache für ihn auch deshalb gelohnt, weil die unterschiedlichsten Auftraggeber – auch aus Ländern und Regionen, wo er zuvor noch gar keine Kunden hatte – auf ihn zugekommen sind und sich so ganz neue Tätigkeitsfelder eröffnet haben, die auch den Weg für seine berufliche Zukunft klarer zeichnen.
Doch eigentlich wollte er sich mit dem Projekt vor allem Freiheit verschaffen, wie er der W&V zu Beginn des Experiments sagte, über den eigenen Tellerrand schauen und herausfinden, was finanziell wirklich für seine Arbeit drin ist.
„Grundsätzlich möchte ich um Erfahrungen reicher sein, möchte im Idealfall auch meine Preise und meine Arbeit selbstbewusster vertreten können. So dass ich nicht immer nach Zeit abrechnen muss, sondern nach Leistung. Daraus verspreche ich mir mehr Spaßan der kreativen Arbeit.“
Ein spannender Ansatz – denn wenn wir mit Systemen unzufrieden sind, dann kann dieLösung nicht alleine sein, sich zu beschweren, sondern muss eben auch so aussehen, dass neue Wege gefunden werden. Auch wenn diese erst einmal unkonventionell klingen mögen.
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