In ihrer Twentysomething-Kolumne schreibt Silvia über alles, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und diese Woche über ungewollte Ernährungstipps.
Na dann, guten Appetit!
Wann hat das eigentlich angefangen, dieses stets und ständige sich-gegenseitig-ungeniert-auf-den-Teller-schauen? Steht das wirklich in Zusammenhang mit Instagram, Facebook und Errungenschaften wie dem Hashtag #Foodporn? Na, auf jeden Fall hat es das nicht verbessert. Ein Teller-Battle und die Frage, auf welchem die schönste Abendbrot-Stulle liegt, ist ja nun Teil des Lebens geworden. Ach was, Stulle! Pulled-Pork, gerösteter Sesam, Ingwer-Algensalate, selbstgeräucherte Forelle. Ihr wisst schon. Natürlich ist das alles super lecker.
Und ja, auch ich recke hier oft meinen Daumen hoch, weil ich es vor allem bemerkenswert finde, was die Leute so können. Und dann schaue ich auf meine Spaghetti mit Tomatensoße, pardon Spaghetti Napoli – das klingt besser. Ach ja, das kann schon ziemlich nerven. Aber die wirklich nervigen Dinge und Protagonisten im Zusammenhang mit Essen, das sind ja ganz andere.
„Iss das und du wirst schön“
Die schlimmsten sind diese am laufenden Meter auf dem Bildschirm aufpoppenden Tipps wie: „Iss das und du wirst schön“, „Das solltest du unbedingt aus deinem Essensplan streichen“, „Ich aß das und dann passierte Unglaubliches“, „Iss das und du wirst schneller abnehmen“. Aaargh! Lasst doch mal die Lebensmittel in Ruhe! Jeder halbwegs normale Mensch weiß doch, was gut für einen ist und was nicht. Dass Brokkoli besser ist als Currywurst und dass Lasagne glücklich, aber nicht zwingend schlank macht.
Warum laufen diese Tipps so gut? Wieso wird das so viel geklickt? Warum lässt man sich auf derart verlogene und vor allem verlorene Tipps ein? Denn bitte, wer ändert denn nach solchen Ratschlägen wirklich was, außer sich vielleicht mal ein Leinöl zu kaufen, wegen der megaguten Omega-3-Fettsäuren und macht dann etwas anderes, als es sich in den Schrank zu stellen – und höchstens einmal über den Salat zu kippen? Und ja, auch hier muss ich, trauriges Essenspropaganda-Opfer, die Hand heben.
Ernährungsterror? Nicht erst seit Facebook!
Aber dass wir auf ein besseres Leben und ein besseres Selbst dank kruder Ernährungstipps hoffen, das fing ja nicht erst mit den neuen Kanälen an. Das war ja auch schon früher so. Vor Facebook, als wir unsere Nachrichten noch in Steintafeln kratzten. Oder zumindest in Handys, die noch keine Smartphones waren und wie solche aussahen. Da waberten die neuesten Super-Ernährungstipps eben durch den Schulbus, und wurden auch andernorts von allerlei Menschen verbreitet. Ich finde es rückblickend pervers, dass ich und meine Freundinnen dachten, wir müssten mit elf oder zwölf Jahren schon eine Diät machen. Das waren dann so Knaller wie die Ananas- oder die Kartoffeldiät. Super toll, super einseitig, super schlechte-Laune-Verbreiter.
Damals war Fett auch noch ganz schlimm und Getreide großartig! Kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Aktuell hat man dagegen ja Allergien oder hegt zumindest große Skepsis, wenn einer zu oft ins Brötchen beißt – und nach Dr. Atkins wurde sowieso alles ganz anders. Abnehmen mit Fett? Unser Weltbild stand Kopf. Wie gesund das war, nun, wir wissen es heute. Und wenn man ehrlich ist, wusste man es eigentlich auch schon damals.
Welches Essen euch guttut? Strengt euren Grips an!
Aber heute, heute ist Getreide ja tabu, Milch auch – und alles, was aus ihr so gezaubert wird. Und Wurst, klar, neben den ethischen Bedenken, die man durchaus wirklich haben darf, wird es uns nun auch rein körperlich zum Verhängnis, also so richtig. Denn zu Übergewicht kommt nun auch noch Krebs.
Leute, was soll ich sagen? Ich hab keinen Bock mehr. Macht von mir aus Diäten, esst Superfood, bis ihr von innen und außen glänzt oder hängt euch an den Milchtropf. Es ist mir egal. Wer wie sonst auch im Leben einfach mal den Grips benutzt, der einem gegeben wurde und danach handelt – was ja die eigentlich Herausforderung ist – der wird sich gut und gesund ernähren. Und für alle anderen: Macht euch bekloppt – aber lasst mich damit bitte in Ruhe. Danke.
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