Sex, Feminismus und Politik: Die Serie „She’s Gotta Have It“ (der deutsche Titel ist „Nola Darling“) widmet sich Themen, die in vielen anderen Produktionen zu kurz kommen.
Sommer? Ab auf die Couch!
Ja, es ist Sommer und wahrscheinlich sollte man so viel wie nur möglich von der schönen Jahreszeit mitnehmen. Doch es gibt eben Abende (oder ganze Tage), an denen man lieber auf der Couch statt im Park liegt und sich der Welt da draußen entziehen möchte. Ein paar Stunden, in denen man sich in den Geschichten anderer verlieren und die eigenen Alltagsdramen vergessen kann. Falls es euch genauso geht, haben wir einen Serientipp für euch: „She’s Gotta Have it“ (deutscher Titel: „Nola Darling“). Gute Nachrichten für jene, die die Serie schon kennen: Seit Ende Mai ist die zweite Staffel online. Alle anderen können sich gleich über zwei Staffeln freuen. Binge-Watching ahoi!
Lasst euch nicht von der einfallslosen Beschreibung täuschen, die Netflix für die Serie gewählt hat. Wer auch immer diesen Kurztext für den Streamingdienst verfasst hat, scheint der Meinung zu sein, dass es reicht, eine Serie durch den Hinweis auf eine komplizierte Liebesgeschichte anzuteasern. Das wird „She’s Gotta Have it“ nicht nur nicht gerecht, sondern ist fast schon irritierend, wenn man weiß, wie vielfältig die Themen dieser Serie sind. Deshalb kommen hier drei Gründe, warum es sich lohnt, in die Welt von Nola Darling (ja, die Hauptfigur heißt wirklich so) einzutauchen.
Nola Darling lebt sexuelle Selbstbestimmung
Die polyamoröse und pansexuelle Nola Darling liebt Sex und genießt ihn ohne Zurückhaltung. Jede*r ihre*r Lover*innen hat Vorzüge – festlegen will sie sich also nicht. Doch genau das führt immer wieder zu Eifersuchtsszenen: Jede*r will Nola für sich haben, Nola hingegen will jede*n, statt nur eine*n. Endlich sind es mal nicht die Frauen, die sich mit einem freiheitsliebenden Mann arrangieren müssen, sondern umgekehrt. Nicht arrangieren sollte man sich als Frau hingegen mit Belästigung, bloß weil man „sexy“ Kleidung trägt – auch die Themen Cat Calling und Toxic Masculinity werden in der Serie aufegriffen.
Nola Darling will Unabhängigkeit
Nola Darling ist ein Freigeist. Die New Yorker Künstlerin lebt ihr Leben weitesgehend selbstbestimmt. Sie tut das, worauf sie gerade Lust hat und gibt nichts darauf, was andere von ihr erwarten. Den einen Abend hat sie ein heißes Sex-Date mit eine*r ihrer Lover*innen, den anderen Abend gibt sie sich voll und ganz ihrer Kunst hin. Sich diese Unabhängigkeit zu bewahren, ist jedoch nicht immer einfach. Insbesondere dann, wenn sie einmal mehr die Miete nicht bezahlen kann. Soll Nola also Geld von einem ihrer reichen Lover annehmen, der sie für sich alleine haben will? Oder soll sie mit einem Streamingdienst zusammenarbeiten, der ihre Kunst für kommerzielle Werbezwecke nutzen will? Nola muss – wie auch im echten Leben – dann eben auch Kompromisse eingehen. Und tut dennoch alles, um sich treu zu bleiben: „Ich bin eine starke, unabhängige, Schwarze Frau. Und ich werde es hoffentlich schaffen, für mich selbst zu sorgen.“
Nola Darling ist politisch
Immer wieder greift die Serie politische Themen auf. Eine der Folgen beginnt mit den Reaktionen der Charaktere auf den Wahlsieg von Donald Trump. Die US-Wahlen von 2016 haben Menschen auf der ganzen Welt schockiert. Doch die Serie macht nochmal deutlich, wie beängstigend und deprimierend sich der Wahlsieg dieses Präsidenten insbesondere für Menschen angefühlt haben muss, die schon ihr ganzes Leben mit Rassismus konfrontiert sind. In einer anderen Folge protestieren die Anwohner*innen gegen die Gentrifizierung ihres Viertels. Während Fort Greene in Brooklyn lange von den afroamerikanischen Einwohner*innen geprägt war, werden diese nun dazu gedrängt, ihre Häuser an reiche Interessenten zu verkaufen. Mit den steigenden Mieten verändert sich nicht nur die Anwohner*innenschaft, mit ihnen zieht auch Rassismus ein.
Zur Entstehungsgeschichte
Die Netflix-Serie „She’s Gotta Have it“ ist ein Remake des gleichnamigen Films von 1986. Im Gegensatz zum Film geht die Serie jedoch reflektierter mit sexualisierter Gewalt um. Im Original wird Nola Darling von einem ihrer Lover vergewaltigt, zum Schluss kommt sie sogar mit dem Täter zusammen. Gegenüber dem Magazin „Deadline” sagte Regisseur Spike Lee bereits 2014, dass er diese Szene sehr bereue und bei einer Fernseh-Adaption ganz anders mit dem ernsten Thema umgehen würde. Dieses Versprechen hat er dann auch eingelöst. In der Serie wird Nola zwar auf der Straße von einem Fremden belästigt, kann den Übergriff aber abwehren. Das traumatische Erlebnis führt dazu, dass sie sich mit Hilfe einer Psychotherapeutin intensiv mit sich selbst beschäftigt. Zudem kanalysiert sie ihre Wut über den Vorfall in ein Kunstprojekt, das zum Schluss sogar ihre Karriere vorantreibt. Der Übergriff bleibt während der ganzen ersten Staffel Thema und macht deutlich, dass sich so ein negatives Erlebnis nicht so leicht abschütteln lässt.
Der Original-Film „She’s Gotta Have it“ von Oscarpreisträger Spike Lee gilt als Beginn des New Black Cinema. Und die Serie sorgt für mehr Sichtbarkeit von People of Color in einer noch immer sehr weißen Fernsehindustrie. Während in den meisten Serien ein Großteil der Rollen mit weißen Schauspieler*innen besetzt wird, sind diverse Besetzungen leider noch die Ausnahme. In „She’s Gotta Have it“ ist das anders, sämtliche Hauptcharaktere sind Schwarz, weiße Darsteller*innen hingegen sieht man nur in Nebenrollen. Es gibt auch so einiges, was man der Serie kritisieren könnte, doch in einer Industrie, in der People of Color und ihre Geschichten noch immer stark unterrepräsentiert sind, setzt „She’s Gotta Have it“ einen starken Gegenpunkt.
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