Das neue Adoptionshilfegesetz soll die Situation für Familien verbessern. Dabei diskriminiert es Regenbogenfamilien. Ein Kommentar
Als wäre die Corona-Krise nicht schon anstrengend genug für Familien: Die Bearbeitung von Anträgen, wie zum Beispiel auf Kindergeld, lässt ewig auf sich warten, Eheschließungen müssen vertagt werden (mit Geburten ist das ja leider nicht so einfach möglich), Kinderbetreuung klingt wie eine Vokabel aus vergangenen Zeiten (damals, als alles noch gut war) und wer gerade im Begriff ist, ein Kind zu adoptieren, muss auch hier noch längeren Atem als sonst beweisen. Und genau in diesem Chaos hat die Große Koalition so ganz nebenbei ein Gesetz verabschiedet, das sich „Adoptionshilfegesetz“ nennt.
Klingt erstmal positiv. Neben dem Ziel, einen offenen Umgang zwischen Adoptivkindern, Adoptionseltern und Herkunftseltern zu fördern und die Position der Herkunftsfamilien zu stärken, wurde auch noch eine weitere, vermeintliche Unterstützung für Adoptivfamilien in das Gesetz miteingeflochten. Sogenannte Stiefkindadoptionen sind neuerdings einer Beratungspflicht unterworfen. Wie genau diese Beratung aussehen soll, wird nicht näher erklärt, sicher ist aber: Zum ohnehin extrem umständlichen Stiefkind-Adoptions-Prozedere ist nun eine weitere Hürde für die Eltern – und ja, auch ganz besonders für das Kind – hinzugekommen.
In Deutschland bedeutet die Stiefkindadoption, dass ein*e Partner*in das Kind des*der anderen Partner*in adoptiert. Soweit, so nachvollziehbar. Allerdings fallen unter diese Begrifflichkeit auch alle Regenbogenfamilien, die gemeinsam Kinder bekommen. Wird ein Kind in die Ehe zweier lesbischer Frauen geboren, kann die nicht-leibliche Mutter nicht einfach ihre Mit-Mutterschaft offiziell anerkennen lassen. Ein heterosexueller Mann, der mit einer Frau zusammen ist (und noch nicht einmal mit ihr verheiratet sein muss), kann das allerdings schon. Unabhängig davon, ob er der leibliche Vater des Kindes ist.
Der heterosexuelle Mann kann aus freien Stücken entscheiden, für das leibliche Kind seiner Partnerin Verantwortung zu übernehmen. Die lesbische Frau kann dies nicht. Im Gegenteil. Ein Kind, das in eine gleichgeschlechtliche Beziehung hineingeboren wird, hat erst einmal, so will es unser Gesetz, nur einen Elternteil. Eine lesbische Frau, die ein Kind bekommt, ist somit immer erst einmal: alleinerziehend. Ihre Partnerin ist: gar nichts. Das Kind hat somit offiziell nur einen Elternteil.
Diskriminierung von Regenbogenfamilien
Stößt der leiblichen Mutter etwas zu, bevor die andere das Kind adoptieren durfte, ist das Kind Waise. Seit 2017 die sogenannte Ehe für alle eingeführt wurde, hält sich hartnäckig das Gerücht, dass nun alle Eheleute in allen Bereichen des Ehelebens gleichberechtigt seien – aber dem ist bisher nicht so. Die Diskriminierung von Regenbogenfamilien wurde im Zuge der Ehe für alle weiterhin am Leben erhalten.
Nicht nur die Grünen fordern eine Anpassung des Abstammungsrechts dahingehend, dass jedes Kind bei Geburt das Recht auf zwei Elternteile haben soll. Dass dies immer noch nicht umgesetzt wurde, ist, so die Juristinnen Katrin Kappler und Maja Werner, verfassungswidrig: „Da sich die Vermutungswirkung für die Elternschaft des Ehemannes der Mutter nach § 1592 Nr. 1 BGB mit der Ehe entfaltet, liegt spätestens seit der Einführung der sog. ,Ehe für alle‘ eine vergleichbare Konstellation vor. Dass der Gesetzgeber die im Hinblick auf die ,Ehe für alle‘ unstimmige Rechtslage noch nicht dementsprechend angepasst hat, stellt eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts dar, weil alle Personen, die mit der gebärenden Frau verheiratet sind und als Elternteil anerkannt werden wollen, aber keine Männer sind, schlechter gestellt werden.“
Kinder als Verlierer*innen
Wenn die Politiker*innen schon nicht mehrheitlich bereit sind, alle Familien gleich zu behandeln – dann hätten sie das Prozedere der Stiefkindadoption aber wenigstens nicht noch umständlicher gestalten müssen, als es ohnehin schon ist. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass Menschen geprüft werden müssen, die ein Kind adoptieren möchten.
Aber es gibt nun einmal einen Unterschied, ob die erwachsene Person und das Kind sich erst einmal aneinander gewöhnen müssen, weil das Kind eine andere Herkunftsfamilie hat oder viele Jahre in einer anderen Familiensituation gelebt hat – oder ob ein Kind von der ersten Lebenssekunde an in eine Partner*innenschaft hineingeboren wird.
Wünschenswert wäre, wenn die betreffenden Politiker*innen ihre Zeit in der Corona-Krise effizienter genutzt und dabei ihr Menschenbild einmal überdacht hätten. Dabei wäre vielleicht ein familienfreundlicherer Gesetzesentwurf herausgekommen. Zum Beispiel einer, der anerkennt, dass Menschen für die Kinder, die sie gemeinsam wünschen, planen, zeugen, lieben, erziehen und finanzieren, durchaus als Eltern bezeichnet werden sollten.
Ein modernes Abstammungsrecht hätte vielleicht ein bisschen mehr Arbeit und vor allem ein bisschen Horizonterweiterung erfordert, aber wäre sie das nicht wert gewesen? Die aktuelle rechtliche Diskriminierung geht zulasten der Absicherung von Kindern in Regenbogenfamilien. Und wieder einmal sind damit die Kinder die Verlierer*innen.