Junges Paar In Der Stadt Bei Nacht. Sie blickt nach unbeeindruckt nach unten, während der Mann sie erwartungsvoll ansieht.
Foto: Trinity Kubassek

Er trägt Nagellack, hört Taylor Swift und sagt „Scheiß Patriarchat“ – na und?

Warum feiern wir Männer für Basics, während Frauen sich rechtfertigen müssen, wenn sie zu radikal, zu laut, zu engagiert klingen? Der Fall El Hotzo ist kein Einzelfall – sondern ein Spiegel dafür, wie performativer Feminismus zum Karrieretool wird. Was passiert, wenn Männer Gleichberechtigung als Image-Strategie nutzen – und warum wir dringend aufhören müssen, sie dafür zu beklatschen.

Zum wiederholten Male sehe ich in meinem Social-Media-Feed Männer – natürlich in einem Podcast-Interview – die sich über das Gym-Outfit von Frauen unterhalten. Darüber, dass wir „sluts“ sind, wenn wir im Fitnessstudio enge Leggings tragen oder es wagen, dort sogar bauchfrei, nur im Sport-BH, aufzutauchen.

Wie misogyn solche Verhaltensweisen sind, ist offensichtlich. Es gibt aber viele selbsternannte Feministen, die sich hinter verschlossener Tür mindestens genauso frauenfeindlich verhalten und äußern. Der einzige Unterschied: Sie ernten öffentlichen Applaus, wenn sie laut „Scheiß Patriarchat“ sagen, als wäre es eine bahnbrechende Erkenntnis. Denn für sie ist Feminismus oft nur eine Bühne und keine Haltung.

Der Fall Sebastian Hotz alias El Hotzo (mehr dazu hier) ist nicht neu, nicht überraschend und nicht einzigartig. Ein Mann, der sich öffentlich als progressiv und feministisch gibt, privat aber genau das Gegenteil lebt? We’ve heard it all before. Und doch zeigt seine Geschichte ein tieferes, strukturelles Problem: Warum sind wir immer wieder bereit, Männer für das absolute Minimum an feministischem Selbstverständnis zu feiern – anstatt zu hinterfragen, ob sie tatsächlich etwas verändern?  

Das Vertrauen in „die Guten“

Es ist ein seltsames Phänomen: Während Frauen in feministischen Debatten ständig auf die Probe gestellt werden („Ist sie zu radikal? Übertreibt sie es nicht? Ist sie nicht ein bisschen hysterisch?“), reicht es bei Männern oft schon, wenn ein Typ irgendetwas gegen Ungleichbehandlung sagt – und plötzlich gehört er zu „den Guten“. 

Und ja, auch ich möchte diesem Bild des feministischen Mannes Glauben schenken. Denn diese Männer verpacken ihre Botschaften oft humorvoll und machen feministische Inhalte dadurch für andere Männer leichter verdaulich. Ein bisschen Selbstironie, ein bisschen Popkultur-Referenz – und schon ist das Thema salonfähig. Aber meinen sie es auch wirklich ernst? 

„Das Problem ist nicht, dass Männer feministisch sind. Das Problem ist, dass ihr Feminismus zu oft nur eine Inszenierung ist.“

Ylva Tebartz

Das Problem ist nicht, dass Männer feministisch sind. Das Problem ist, dass ihr Feminismus zu oft nur eine Inszenierung ist. Lackierte Fingernägel, Taylor Swift in der Playlist, Secondhand-Kleidung, das Merkel-Memoire in der Hand. Eine Währung, mit der sie in bestimmten Kreisen Ansehen gewinnen. 

Und wenn sie auffliegen? Dann inszenieren sie sich, ähnlich wie im Fall Hotz, als Opfer, als tragische Figur, als jemand, der sich selbst gecancelt hat, weil die öffentliche Aufmerksamkeit „nicht angemessen“ (Quelle: Spiegel Online) war. In Wahrheit ist Sebastian Hotz jedoch ein Mann, der Frauen im Privaten, entgegen seinem öffentlich-feministischen Image, angelogen und betrogen hat. Genau deshalb erntet er so scharfe Kritik, und genau deshalb ist die Kritik auch angemessen.

Wenn Feminismus zur Brand wird

Es ist kein Zufall, dass Männer, die sich feministisch geben, oft die größeren Plattformen haben als Frauen, die seit Jahren über dieselben Themen sprechen. Männlicher Feminismus verkauft sich gut, weil er eine Art sanftere, gefälligere Version dessen ist, was Feminismus eigentlich fordert. 

Männer wie Hotz sind dabei nicht einmal das Hauptproblem. Sie sind nur ein Symptom dafür, dass im Namen des Feminismus längst nicht mehr nur für gesellschaftlichen Wandel gekämpft wird – sondern die Bewegung für persönlichen Profit zweckentfremdet wird. Wer als weißer cis Mann laut „Gleichberechtigung“ sagt, wird eingeladen, gerepostet, gebucht. Und manchmal fragt man sich: Geht es hier um die Sache oder nur um die Reichweite?  

„Wir müssen aufhören, Männern Feminismus hoch anzurechnen – und stattdessen fragen: Wem bringt es wirklich etwas?“

Ylva Tebartz

Es geht nicht darum, ob ein Mann Feminist ist – sondern wem sein Feminismus nützt
Wenn wir über den Fall Hotz sprechen, dann nicht nur, weil sein Verhalten so übel ist – sondern auch, weil es so vorhersehbar war. Die Frage ist letztlich nicht nur, warum er so gehandelt hat, sondern warum er so lange damit durchgekommen ist. Warum Männer, die sich feministisch inszenieren, so selten hinterfragt werden. Warum sie so leicht damit durchkommen, wenn sich ihr Image nur als Schein herausstellt. 

Wir müssen aufhören, Männern Feminismus hoch anzurechnen – und stattdessen fragen: Wem bringt es wirklich etwas? Wem hilft es? Wem öffnet es Türen? Denn am Ende reicht es nicht, gegen das Patriarchat zu sein. Man muss sich auch aktiv dagegen einsetzen. Immer. Nicht nur, wenn es sich gut verkaufen lässt. 

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Dieser Text von Ylva Tebartz erschien erstmals im Voices Newsletter von EDITION F, der jeden Mittwoch erscheint. Du möchtest ganz persönliche Sichtweisen unserer Redaktion kennenlernen, mitdiskutieren und deine Ideen zu den Perspektiven teilen? Melde dich an für den Voices Newsletter, dann erreicht er dich exklusiv jeden Mittwoch in deinem Postfach.

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