Foto: Carolin Otzelberger

Selbstbestimmt leben: „Nichts ist mächtiger als eine klare Entscheidung für die eigenen Ziele“

Ein erfülltes, freies und selbstbestimmtes Leben? Das wünschen wir uns doch alle – nur wie kommt man da hin? Unsere Community-Autorin Carolin hat es nach einem klaren Cut in ihrem Leben gefunden und beschreibt, welche Fragen sie dahin gebracht haben.

Und auf einmal steht das Leben auf dem Kopf

Plötzlich war alles in mir ganz ruhig. All die Anspannung der letzten Monate fiel von mir ab, das Highspeed-Gedankenkarussell in meinem Kopf war endlich still. In mir breitete sich eine Gewissheit aus, die keine Kompromisse zuließ: „Carolin, du wirst kündigen. Und zwar sofort und ohne etwas Neues zu haben“, sagte die Stimme in mir. „Du wirst dich aufmachen, herauszufinden, wer du eigentlich bist und was du wirklich willst.“ Bäm.

Mit einem Mal fand die Inszenierung meines 1A-Lebenslaufs ein jähes Ende. Der rote Faden, der sich durch meine Vita zog, gehörte ab diesem Moment der Katz‘. Was folgte, war zunächst ein wilder Ritt durch Höhen der Erleichterung, Abenteuerlust und viel mehr Tiefen der Frustration, Resignation und Orientierungslosigkeit.

Heute, neun Jahre später, kann ich mit Fug und Recht behaupten: Ich lebe ein wirklich außergewöhnliches, freies und selbstbestimmtes Leben und habe meine Bestimmung gefunden. Der Weg dorthin war lang, erkenntnisreich und hat mich gelehrt, welche Kraft in uns allen liegt. Und wie wichtig es ist, sich von den eigenen Zweifeln nicht abschrecken zu lassen.

Der Weg ist oft schon da, auch wenn man ihn noch nicht sieht

Pläne zu schmieden ist eine Kernkompetenzen unserer Gesellschaft. Viele von uns planen ihre Karriere, ob sie Kinder haben möchten (und dann den Zeitpunkt und die Anzahl), lieben Konzepte, Strukturen und Fahrpläne. Planung gibt Sicherheit.

Dabei gibt es einen entscheidenden Haken: Man kann nur planen, was man kennt. Der Verstand bewegt sich am liebsten im bekannten Terrain und alle Wünsche, Ziele und Ideen für die Zukunft setzen sich zusammen aus den Erfahrungen der Vergangenheit.

Wer also etwas möchte, was man noch nicht kennt, beispielsweise einen sinnhaften, erfüllenden Job, den man ortsunabhängig und selbstbestimmt ausführen kann, wird die Anleitung dazu kaum im eigenen Verstand und den darin vorgefestigten Denkmustern finden. Und genau deshalb sollte man sich ins Unbekannte wagen, ohne den Weg zu kennen.

Du musst wissen, wo du hinwillst

Wenn man heute mit einzelnen Bereichen seines Lebens unzufrieden ist, hat man in der Vergangenheit Entscheidungen getroffen, die heute nicht mehr stimmig sind. Man ist also aufgefordert, neu zu wählen. Doch woher weiß man, was man künftig wählen soll? Dazu muss man wissen, wo man eigentlich hinwill: Wie möchte man leben, lieben und arbeiten? Was sind die Must-haves, was die No-Gos?

Klare Vorstellungen von dem, was man will, machen es einfacher. Hat man jedoch noch keine Idee, wie das Leben seiner Träume aussehen soll, hilft die Frage: „Wie möchte ich mich eigentlich fühlen?“ Emotionen sind sehr starke Motivationsfaktoren und gute Indikatoren dafür, wie nahe man seinem Ziel schon ist. Wenn man sich frei, sicher, geliebt, begehrt, selbstbestimmt, gewertschätzt oder lebendig fühlen will, ist genau das das Ziel – und man sollte sich endlich auf den Weg machen.

Nicht zweifeln, sondern loslegen

Unser Verstand ist sehr schnell im Bewerten. Unter anderem beurteilt er Ideen als möglich oder unmöglich noch bevor der Gedanke zu Ende gedacht ist. Wer also weiß, was er oder sie will, hört womöglich schnell eine innere Stimme, die einem erzählt, warum das Ziel unmöglich sei: Man ist zu alt oder zu jung, zu dick oder zu dünn, zu groß oder zu klein, hat nicht genügend Geld oder Zeit. Man kennt sich nicht gut genug aus und überhaupt kann man schließlich nicht alles haben.

Zum Glück gibt es aber auch den anderen Teil. Und der weiß, dass da noch ganz viel möglich ist. Deswegen sollte man den Zweifeln zum Trotz für seine Wünsche, Ziele und Träume einstehen und mutig sein.

Zweifel als Chance für neue Perspektiven

Aber wie schafft man es, die*den inneren Zweifler*in nicht zu laut werden zu lassen? Die wichtigste Aufgabe auf dieser Reise in ein selbstbestimmtes Leben ist es, den eigenen Verstand zu beobachten, ihm die uneingeschränkte Macht über sich zu entziehen und stattdessen Fragen zu stellen.

Jedes Mal, wenn man beispielsweise denkt, dass man etwas nicht kann, kann man stattdessen zur*zum eigenen Beobachter*in werden, erst wahrnehmen, was man denkt und dann mit Fragen reagieren: Halte ich das wirklich für wahr? Bin ich absolut davon überzeugt, dass das stimmt? Und dann: Wie schaffe ich es, mein Ziel zu erreichen? Was ist hier sonst noch möglich, was ich noch nicht in Betracht gezogen habe? Wer oder was kann mir hier eine Unterstützung sein?

Sobald die Beobachter*innenrolle einmal eingenommen ist, sind die Gedanken nicht mehr lähmend und man hat seine Wahlfreiheit zurückgewonnen. Denn durch diese Art des Fragens öffnet sich ein neuer Raum. Man weiß immer noch nicht, wie der Weg zum Ziel verläuft, aber man fokussiert sich jetzt auf das Potential, statt auf die Begrenzungen.

Die Fragen müssen übrigens nicht sofort beantwortet werden. Die Hinweise und Lösungen werden zu einem kommen – auf Wegen, die man nie erwartet hätte. Beispielsweise, wenn man Menschen begegnet, die einem weiterhelfen. Oder es kommen Einladungen und Gelegenheiten auf einen zu, die man selbst nicht besser hätte arrangieren können – und die im Zweifel sogar ganz anders aussehen, als erwartet.

Gehe über das Gewohnte hinaus

Als ich damals meine aussichtsreiche Position in der Industrie aufgab, stellte ich nicht nur mein eigenes Leben auf den Kopf, sondern das meiner Familie und meines persönlichen Umfeldes gleich mit – und nicht jede*r konnte meine Entscheidung nachvollziehen. Möglicherweise stößt man sogar auf Unverständnis oder gar Kritik. Das bedeutet aber nicht, dass man auf dem falschen Weg ist – im Gegenteil: Es zeigt lediglich die Ängste, Zweifel und Begrenzungen der Mitmenschen auf. Viele Kolleg*innen kamen nach meiner Kündigung auf mich zu und erzählten mir hinter vorgehaltener Hand, dass es ihnen ganz ähnlich gehe. Doch sie trauten sich nicht zu kündigen.

Deswegen ist es so wichtig, größer zu denken, wilder zu träumen, nach mehr zu fragen, als man gemeinhin für normal hält. Erwarte auf dem Weg in das Leben deiner Träume keinen Applaus – der kommt später, wenn man angekommen ist und die früheren Weggefährt*innen einen ein wenig sehnsüchtig bewundern.

Orientiere dich an Mentor*innen und Vorbildern

Für viele ist es absolutes Neuland, wenn sie sich selbst in den Fokus und ihre Träume und Ziele ernst nehmen. Es gibt allerdings Menschen, die diesen Weg vor einem gegangen sind und bereits leben, wovon man selbst noch träumt – von diesen Menschen kann man eine Menge lernen. Und zu sehen, wie andere es geschafft haben, wird dabei helfen, die eigenen Ziele sehr viel schneller zu erreichen.

Wer sich also nach einer erfüllten Beziehung sehnt, sollte Ausschau nach Paaren halten, die solch eine Partner*innenschaft bereits leben und sich von den Verhaltensmustern inspirieren lassen. Wer davon träumt, die eigene Bestimmung zu finden und anderen Menschen damit zu helfen, sollte sich mit anderen Personen vernetzen, die das bereits geschafft haben und von ihnen lernen.

Von all den Menschen, die ihre Ziele bereits erreicht haben, kannst du nicht nur erfahren, welcher Weg sie dorthin geführt hat, sondern auch, welches Mindset und welche innere Einstellung es dazu braucht. Denn: Alles ist möglich und nichts und niemand ist mächtiger als eine klare Entscheidung für die eigenen Ziele.

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Wie du endlich lernst, auf deine innere Stimme zu hören, verrät Ragnhild Struss in diesem Artikel.

Welcher Tipp bei einem Neuanfang wirklich hilft.

Unsere Redaktion verrät ihre Ratschläge an ihr 18-jähriges Ich.

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