Selbstbewusste Frauen werden anders beurteilt als selbstbewusste Männer. Unsere Community-Autorin Yasemin fragt sich: Wie gehe ich als Frau damit um, authentisch, erfolgreich und selbstbewusst zu sein, aber gleichzeitig damit negative Urteile zu bewirken?
Die Frau: egoistischer und unsympathischer
Männer und Frauen werden nach unterschiedlichen Maßstäben beurteilt. Wie ich darauf komme? Ich beziehe mich maßgeblich auf die Heidi-Howard-Fallstudie von der Harvard Business-School. Der Lebenslauf eines erfolgreichen Managers im mittlerer Führungsposition wurde Studierenden zur Beurteilung vorgelegt. Howard Roizen, wie dessen Name in seiner Vita angegeben wurde, wird als angenehm, effizient und herausragende Führungsperson von den Testpersonen beschrieben.
Der Clou: Howard gibt es nicht. Die aufgelisteten Erfolge sind der real existierenden Heidi Roizen zuzuschreiben. Nun wurde derselbe Lebenslauf mit dem Namen von Heidi den Studierenden vorgelegt. Obwohl alle anderen Informationen identisch waren, wurde Heidi unsympathischer und egoistischer beurteilt, gleichwohl sie in der Ausführung ihrer Arbeit als ebenso effektiv gesehen wurde.
Ergo: Männer und Frauen werden meistens nach unterschiedlichen Maßstäben beurteilt. Die Problematik, die sich ergibt, ist der Umgang mit diesen doppelten Standards. Nehmen wir ein Beispiel:
Ich bekam letztens die Rückmeldung, arrogant zu sein, woraus sich dann ein Streit ergab. Nach diesem Streit bat ich eine Person, die dabei war, mir Rückmeldung zu geben, woran denn diese Arroganz festzumachen sei. Fehlinterpretation von Wörtern? Gewaltfreie Kommunikation lässt grüßen.
Ein konkretes Beispiel konnte mir die Person nicht nennen. Wobei es irgendwann mal hieß: „Ja, du wirkst immer so, als wüsstest du es besser, obwohl du es wirklich meistens besser weißt!“ Aha!?
Was heißt denn Arroganz?
Und ich dachte darüber nach, was denn nun Arroganz heißt. Arroganz wird meistens mit Hochmut und Selbstüberschätzung gleichgesetzt. Arrogant zu sein ist daher nicht schön. Aber was ist, wenn man nicht arrogant ist, sondern einem die Arroganz nur von anderen zugeschrieben wird? Und das ist der springende Punkt!
Nicht jede, der Arroganz vorgeworfen wird, überschätzt sich oder ist hochmütig. Es ist lediglich die Fremdwahrnehmung der anderen, die
nichts über die eigene Selbstwertwahrnehmung aussagen kann.
Im Gegenteil: Jemand, der anderen Arroganz vorwirft, sollte sich selbst fragen, warum man sich durch die andere Person eingeschüchtert fühlt, vielleicht sogar unterschätzt. Meine Einschätzung ist, dass die meisten Frauen nicht arrogant sind, sondern nur auf durch Vorurteile geprägte Menschen arrogant wirken. Muss frau nun darauf nun Rücksicht nehmen und das beachten?
Frauen vermasseln sich immens viele Chancen und Möglichkeiten, indem sie ihr Licht unter den Scheffel stellen. Erfolg erfolgt durch Erfolg! Wie soll das gehen, wenn wir das nicht kommunizieren?
Die Wahrheit ist doch: Wir Frauen machen uns zu viele Gedanken. Wie wir wirken, wie wir wirken wollen, ob wir jemanden auf den Schlips treten. Es nervt! Es nervt auch, dass Frauen, wie ich, sich Gedanken um Sexismus und Gender machen und dass Frau-Sein immer wieder zum Thema gemacht wird, während anderes so viel wichtiger sein könnte. Ich denke aber nicht, dass es den
doppelten Standard aus der Welt schafft, wenn man es ignoriert. Daher suche ich nach praktischen Lösungen auf individueller Ebene.
Der Umgang mit dem Vorwurf der Arroganz
Es geht nicht darum, andere abzuwerten, sondern seine eigenen Fähigkeiten selbstbewusst hervorzuheben. Tun wir es nicht, nehmen wir uns zurück und letztlich sieht uns dann niemand, bis wir uns selbst nicht mehr sehen. Und das Schlimmste, was dann passieren kann, ist, dass man ohne Selbstbewusstsein dasteht. Es ist wichtig, dass wir als Frauen anerkennen und auch nach außen kommunizieren, was wir wert sind, weil wir es uns wert sind. Und das hat nichts mit anderen zu tun, sondern mit einem selbst. Es geht darum, authentisch zu sein. Und sich die Erlaubnis zu geben, authentisch sein zu dürfen und nicht auf das Befinden anderer Rücksicht nehmen zu müssen, weil sie sich an unserer Wirkung stören.
Die Heidi-Howard Studie in der Praxis
Interessant ist eine weitere Studie, die überprüft, ob Frauen in Führungspositionen in der Praxis auch als unsympathisch wahrgenommen werden. Das Fazit:
[M]any people preferred male managers in theory, in practice those gender biases did not play out.
Fehleindrücke entstehen meist durch Ersteindrücke, die jedoch korrigiert werden können. Längerfristig zahlt es sich aus, lieber selbstbewusst einer Person entgegenzutreten — besonders als Frau.
Meine Beobachtung ist, dass die Frauen, die keine Probleme damit haben, diejenigen sind, die sich in einem entsprechendem Umfeld befinden, das selbstbewusste Personen schätzt. Und erst wenn wir uns in Beziehungen mit
Gleichgesinnten bewegen, werden Befindlichkeiten im Selbstwertgefühl keine Rolle mehr spielen.
Mein Rat
Dir wird gesagt, du seist arrogant? Denk dir „Danke“ und mach einfach weiter wie gehabt. Es kann befreiend sein, als auch ein starkes Fundament schaffen, eine Weile eine „I don’t give a fuck”-Mentalität an den Tag zu legen. Und das zeigen auch die meisten Artikel zu Erfolg und Selbstbewusstsein: Erst wenn du dein Ding durchziehst, du selbst bist, Zweiflern keine Chance gibst — eben authentisch deinen Wert kommuniziert — wirst du irgendwann in der Situation sein, es nicht immer kommunizieren zu müssen, weil es klar ist, was du kannst und wert bist. Aber vergiss nicht:
Erfolg erfolgt durch Erfolg! Deine Erfolge und Stärken musst du daher auch kommunizieren.
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