Unterbrochen zu werden, nervt. Es ist nicht nur unhöflich, sondern auch unproduktiv. Und trotzdem ist es gang und gäbe: im Freund*innenkreis, in der Partnerschaft und viel zu häufig auch am Arbeitsplatz. Gerade Frauen passiert Mansplaining oder Manterruption ziemlich häufig und deshalb lohnt es sich zu lernen, wie man sich dagegen wehrt.
Im Bewerbungsgespräch unterbrochen werden? Für Frauen ganz normal!
Eine aktuelle Studie der Universities of California and Southern California hat ergeben, dass Frauen selbst in Jobinterviews häufiger unterbrochen werden als Männer. Und dass Männer anderen doppelt so oft ins Wort fallen wie Frauen. In den observierten Bewerbungsgesprächen auf akademische Stellen blieb den Frauen durch die häufigen Unterbrechungen weniger Zeit, ihre Vorträge im Zeitrahmen abzuschließen. Während männlichen Bewerbern eher wohlwollend begegnet wurde, wurden die Argumente von Frauen häufiger in Frage gestellt. Warum? Schließlich wurden alle Bewerber aufgrund ihrer guten Referenzen eingeladen. Will man vielleicht schon mal testen, wie gut sich Frau im Arbeitsalltag durchsetzen kann?
Manterruption
Denn, so viel ist klar, das muss sie. Ein paar prominente Beispiele: Der Oberste Gerichtshof in den USA, wo Supreme Court Justice Ruth Bader Ginsberg einer Studie zufolge drei Mal so häufig unterbrochen wird, wie ihre männlichen Kollegen. Und der US Wahlkampf, wo Senatorin Hillary Clinton in einer TV Debatte nachweislich 51 Mal vom heutigen Präsidenten Donald Trump unterbrochen wurde. Als Reaktion darauf entwarf eine brasilianische Werbeagentur „Woman Interrupted“, eine App, die zählt, wie oft die eigene Stimme von einer männlichen Stimme unterbrochen wird. Die App kann nichts verändern. Sie ist nur ein Gimmick, eine clevere Art, auf ein viel zu verbreitetes Problem hinzuweisen. Manterruption: Die Unterbrechung der Frau durch den Mann.
Und wieder der Unconscious Bias
Männer unterbrechen also viel und häufig – auch gerne andere Männer, besagen die Zahlen. Aber die Hemmschwelle, Frauen zu unterbrechen, sie zu bevormunden und ihnen die Welt zu erklären ist erwiesenermaßen niedriger. Wundert sicher keinen. Es ist schlicht ein weiteres Symptom des Unconscious Bias. Und bevor jetzt wieder alle „Verallgemeinerung“ rufen: Nein, ich meine damit nicht, dass alle Männer grundsätzlich respektlos seien und ständig Frauen unterbrechen. Ich schreibe davon, dass aus einem gesellschaftlich gewachsenen Bewusstsein, einer jahrhundertelange Prägung beider Geschlechter, ein Ungleichgewicht entstanden ist. Ein Ungleichgewicht, das von vielen Frauen übrigens gerne so hingenommen wird. Deshalb nennt man das ganz eben Unconscious Bias: unbewusste Vorurteile.
Nicht gehört werden ist wie nicht gesehen werden
Egal, was die Beweggründe: Andere zu unterbrechen ist einfach schlechte Manier. Betrachtet man das Phänomen des Unterbrechens, ist es doch nicht in erster Linie eine Genderfrage, sondern eher eine Frage des Miteinanders und des eigenen Selbstvertrauens. Wie traurig, wo wir doch immer alle „Teamwork” und „Kollektive Intelligenz” und „Austausch” rufen. Und dann kommt man in Konferenzen doch kaum zu Wort. Weil man entweder gar nicht erst dazwischen kommt, oder dann doch wieder unterbrochen wird. Wem kommt das bekannt vor? Man gibt klein bei, zieht sich – oft beleidigt oder unzufrieden mit sich selbst – zurück und denkt: „Bringe ich mein Argument halt später, unter vier Augen, nochmal ein … Ist ja auch okay.“ Nein – ist nicht okay. Denn dadurch hat man die Chance verpasst, sich als Mitarbeiterin, als Kollegin, als Expertin zu zeigen, aufzufallen und gesehen zu werden. Das ist weder gerecht, noch bringt es einen weiter.
Was kann ich tun?
Kommunikationstrainerin Isabel Garcia betätigt in Die Zeit, dass es stimme, dass Frauen deutlich öfter unterbrochen werden als Männer. Und, dass Männer Frauen auch ihr eigenes Fachgebiet gerne erklären. „Das ist unverschämt, ja. Aber dieses Verhalten ist kein Grund, sprachlos zurückzubleiben und sich dann tatsächlich kleiner zu fühlen.“ Hurra! Aber was soll ich stattdessen tun?
Verhaltenstipps von den Profis
Informiert man sich bei Kommunikationsexperten und Coaches, sind die Anweisungen sehr klar:
- Wahrnehmen und weiterreden: Nimmt man die Unterbrechungsversuche zur Kenntnis, schafft man sich Zeit auszureden: Den Arm heben und sagen: „Ich bin sofort fertig.“ Das zeigt Souveränität. Allerdings sollte man dann auch schnell zum Punkt kommen.
- Nicht erschüttern lassen: „Lassen sie mich ausreden!“ klingt defensiv. Überhaupt ist es wichtig, die Unterbrechung nicht persönlich zu nehmen. Selbst wenn die Unterbrechung eine Kritik mit sich bringt, ist ein Kritik am Argument ja noch keine Kritik an der eigenen Person.
- Konzentration: Nur, wer konzentriert bleibt, kann sein Argument noch vorbringen. Verliere deine zentrale Aussage nicht aus den Augen und halte festen Blickkontakt mit Gesprächspartnern.
- Prägnant formulieren: Wer gut vorbereitet ist oder sich klare Aussagen überlegt, der mäandert nicht und verleitet andere dadurch weniger, einem ins Wort zu fallen. Also vorbereitet in Gespräche gehen und sich während einer Diskussion ruhig Notizen machen, um pointiert zu argumentieren, wenn man am Zug ist.
- Auf Stimme und Körper achten: Sich vorzulehnen und mit hoher, aufgeregter Stimme zu sprechen ist kontraproduktiv. Eine entspannte Haltung und eine ruhige, tiefe Stimme wirken entspannt und glaubwürdig.
Bullshit-Alarm
Und während ich die Kommunikationstipps der Profis so durchforste, ertappe ich mich selbst: So zurückhaltend ich im Büro bin, so unverschämt bin ich zu Hause. Im Kreise meiner Familie bin ich die Unterbrecherin vor dem Herrn! Es liegt in unseren Genen: Wir sind Satz-Abschneider-ins-Wort-fall-Profis. Auch gerne nach der Prämisse: Je lauter ich rede, desto wahrer ist das, was ich sage. Und je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir auch, warum: Weil wir alles als Wettbewerb betrachten. Wer weiß am meisten? Wer lebt näher am Puls der Zeit? Jedes Gegenargument ist eine persönliche Niederlage. Jede Unterbrechung ein persönlicher Affront. Ist ja irgendwie auch verständlich. In der Familie wird es schnell persönlich. Alte Gefühle von Benachteiligung und Rivalität kommen hoch, man verfällt in das gewohnte Buhlen um Anerkennung, pflegt die alten, ungesunden Mechanismen.
Es lohnt sich, genauer hinzusehen
Aber was heißt das für den Job? Eine Arbeitswelt, die wir hierarchielos, agil und kommunikativ gestalten wollen, mit wenig Formalität, wenig Zwang und viel individueller Freiheit. Befeuert das ein ungesundes Kommunikationsverhalten? Ist genderunabhängiges Unterbrochen-werden ganz genauso wie Manterruption? Schenken wir dem Gegenüber zu wenig Respekt, zu wenig Daseinsberechtigung? Ist es ein großes Einander-ans-Bein-pinkeln? Das wäre doch ein trauriges Fazit.
Es lohnt sich, genauer hinzusehen. Wer unterbricht? Und warum? Vielleicht aus Angst, seinen Gedanken zu vergessen. Vielleicht aus Verweigerung fremder Standpunkte. Vielleicht, weil der oder diejenige ein sogenannter Vielredner ist und einfach nicht anders kann. Oder eben, weil du eine Frau bist und deine Meinung nicht zählt.
Kommen bei Euch alle zu Wort?
Wir wollen hierarchielos und prozessorientiert arbeiten, aus der Expertise des Einzelnen schöpfen? Dann müssen wir die Zeit und die Geduld aufbringen, anderen zuzuhören. Leichter gesagt, als getan, würde ich sagen. Aber hat ja auch keiner gesagt, dass es leicht sein würde.
Titelbild: re:publica/Jan Michalko | Flickr | CC BY-SA 2.0
Mehr bei EDITION F:
Kommunikation ist King! Mit diesen 7 Tipps meistert ihr auch schwierige Gespräche Weiterlesen
Wieso eine hohe Stimme dir deine Karriere vermasseln kann Weiterlesen
So überzeugst du alle im Meeting Weiterlesen