Foto: Dineslav Roydev | Unsplash

Weiblich, Mitte 30, Single – muss ich mir etwa Sorgen machen?

Während eigentlich alle um mich herum, mittlerweile eine Familie gegründet haben, bin ich mit Mitte 30 Single und zufrieden damit. Muss ich mir Sorgen machen?

Mit Anfang 20 lag mir die Welt zu Füßen

Das Wort „Alleinsein“ wird mit jedem Lebensjahr, das verstreicht, größer. Jede gescheiterte Beziehung ist auch eine Geschichte mehr über zerstörte Lebensträume. Mit Anfang 20 fühlte ich nach einer Trennung noch den puren Verlust eines vorher geliebten Menschen. Es ging um den Geruch, der noch leicht im Kissen hing, um das gemeinsame Lachen, das noch in den Räumen nachhallte.

Es gab noch so viele Jahre, die vor mir lagen. Ich hatte so unendlich viel Zeit, um mich auszuprobieren, mich selbst zu optimieren. Ein Konstrukt zu erschaffen, wie ich leben wollte. Die Welt bereisen, fremde Kulturen kennenzulernen, Männer, Frauen, Liebschaften. Meine Sexualität erforschen, romantische Dramen kreieren. Große und kleine Lieben erleben. Nächte durchtanzen und im Morgengrauen die Sonne aufgehen sehen.

Und plötzlich wünscht man sich einen Garten

All das lag vor mir ausgebreitet. Ich fühlte die grenzenlose Freiheit, hatte das Gefühl unsterblich zu sein. Mit jedem Jahr, das in meinen Zwanzigern verstrich, entwickelte ich mehr Erwartungen. Ich hatte alles ausprobiert und andere Dinge begannen wichtiger zu werden: Sicherheit, Vertrauen, das Glas Wein mit den besten Freunden, ein gutes Abendessen. Ich hatte studiert, irgendwann meine ersten Arbeitserfahrungen gemacht, wurde nach und nach seßhafter. Mit jeder Beziehung wurde der Druck größer. Ich hatte schließlich erkannt, dass da noch etwas anderes ist. Die unendliche Freiheit war zur Genüge ausgekostet. Auf einmal dachte ich darüber nach, einen Garten haben zu wollen, möglichst viele ruhige Abende mit meinen Liebsten verbringen zu können. Kurz: Ruhe und Besinnlichkeit.

Jeder Mensch den ich kennenlernte, hatte auf einmal ähnliche Päckchen zu tragen: große, vergangene Lieben, tiefe Verletzungen, verlorene Hoffnung, Enttäuschung und den Wunsch, endlich anzukommen. Auf einmal ging es nicht mehr nur um den puren Verlust eines geliebten Menschen, wenn diese Beziehungen zerbrachen. Es war auf einmal so viel mehr. Wieder ein Gewicht mehr auf den Schultern. Ein, zwei enttäuschte Hoffnungen mehr. Geplatzte Träume gepaart mit dem Gefühl der Endlichkeit.

Der Druck wurde immer größer

Mit Mitte 30 fingen die Menschen um mich herum an, Familien zu gründen. Sie hatten vielleicht schon den zweiten Job. Pachteten einen Garten, zogen aufs Land. Plötzlich wurden andere Themen diskutiert. Für das Ungewisse gab es keinen Raum mehr. Wir, als Frauen, spürten unsere vermeintliche biologische Uhr ticken. Ob wir es wollten oder nicht, die Zeit wurde knapp. Jeder zukünftige Partner, jede Verabredung bekam den Geruch der Ernsthaftigkeit. Ein Fallenlassen ins Unbekannte und das Genießen des Ausprobierens waren plötzlich nicht mehr möglich. Auf einmal zählte nicht mehr die Anziehungskraft des Moments und der Person.

Angst und Hoffnung, Erwartung und Träume, deine geplatzten und deine neuen, all das  wurde plötzlich auf den Tisch gepackt, abgewogen. Das Hier und Jetzt wurde auf seine Dauerhaftigkeit abgeklopft: Hat es eine Zukunft? Wie sah die Vergangenheit dieser Person aus? Können wir gemeinsam eine Familie gründen? Seßhaft werden? Für immer zusammen bleiben? Ist dieser Jemand, der oder die, mit dem ich all das will?

34, alleine und glücklich

Ich bin 34 Jahre alt und alleine – und ich liebe mich in diesem Alter. Ich habe in meinem Leben viel gelernt, bin gereift und habe ein anderes, tieferes Verständnis für mich selbst entwickelt. Ich mag mich in meinem Körper, kann selbstbewusst und stark durch mein Leben gehen. Ich habe Freundschaften geschlossen, die für die Ewigkeit halten werden. Habe mich mit meiner Vergangenheit versöhnt, meinen Eltern vergeben. Ich bin selbstbestimmt und weiß, was gut für mich ist, ohne eine andere Person dafür zu brauchen.

Trotzdem vermisse ich die Zeiten, in denen ich mich hoffnungslos oder voll hingeben konnte. Das Gefühl unsterblich zu sein. Den Moment zu genießen, weil ich weiß, dass es noch so viele solcher Sonnenaufgänge geben wird.

Unsere Generation hat unendlich viele Möglichkeiten

Wir sind eine Generation, die völlig frei von ihren Therapieerfahrungen sprechen kann, für die Selbstreflexion eine völlig neue Dynamik bekommen hat, in der Individualität oberste Priorität hat, in der eine Grenze nur noch ein theoretisches Konstrukt ist. In der der Begriff Hedonismus eine neue Bedeutung bekommt. All das ist in diesem schwerelosen Zustand, der dahin rasenden Zwanziger die perfekte Symbiose. Was machen wir aber, wenn wir irgendwann merken, dass unsere Zeit und unser Leben nun doch endlich sind? Wenn wir die 30 erreichen und überschreiten? Wenn man spürt, das Stunden und Minuten kostbar sind, weil wir auf einmal doch begreifen, dass sie nicht ewig währen?

Ich möchte keine 20 mehr sein. Aber ich wünsche mir manchmal diese Leidenschaft und Neugier zurück, die ich in dieser Zeit für alle neuen Dinge und Erfahrungen verspürte. Das Abenteuer des Ungewissen, die Hingabe. All diese großen Empfindungen und Gefühle, die nur dann entstehen, wenn man die Zeit hat, Fehler machen zu können. Doch ich bin dankbar.

Dankbar für all diese großen Momente, die mich geformt haben und mich zu dem Menschen gemacht haben, der ich jetzt bin. Ja, das Wort „Alleinsein“ wird mit jedem Lebensjahr das verstreicht größer. Es macht mir allerdings keine Angst mehr. Denn ich bin angefüllt mit Erinnerungen, Menschen und Erfahrungen, die mich wärmen, mich begleiten und spüren lassen, dass ich alles richtig gemacht habe.

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