Der heutige Coming-Out-Day soll dafür sensibilisieren, dass LGBTTIQ-Menschen noch immer Diskriminierung erfahren – auch im Büro. Ariana Barreto beschreibt, wie man sensibler agieren kann.
Homophobie im Büro
„Schwule Männer sind so witzig und süß, aber bei Lesben, also ich weiß auch nicht, warum müssen die denn immer so männlich sein?“, diesen Satz hörte eine Autorin von uns von ihrer Kollegin, obwohl sie bis dahin dachte, in einem Traumteam gelandet zu sein: junge Menschen, weltoffen … da sollte Homophobie kein Thema sein, oder? Doch verletzende Vorurteile gegenüber LSBTTIQ (die deutsche Abkürzung für lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, transsexuelle, intersexuelle und queere Menschen) oder offene Anfeindungen kommen überall vor, weshalb auch heute noch viele LSBTTIQ-Menschen zum einen Probleme damit haben, sich selbst anzunehmen und auf der anderen Seite auch vor anderen einen Teil ihrer Persönlichkeit verstecken oder zu Notlügen greifen, um sich selbst zu schützen – vor ihrer Familie, im Freundeskreis, in der Schule oder im Büro. So ist auch das Suizidrisiko für lesbische und schwule Teenager vier- bis siebenmal so hoch wie bei heterosexuellen Jugendlichen. Nach einem Outing erleben sie oft Ausgrenzung, Mobbing und Gewalt in der Schule und auch in der Familie.
Der heutige Coming-out-Tag, den es seit 1988 am 11. Oktober international gibt, soll zum einen Menschen, die sich noch im Coming-out-Prozess befinden, Mut machen sowie auf Beratungsangebote hinweisen, aber auch andere dafür sensibilisieren, warum es schwierig sein kann, sich zu outen, wie man unterstützen kann und wie Homo- und Transphobie abgebaut werden können, was auch ein wichtiges Thema für eine inklusive Unternehmenskultur ist. Schätzungen zu Homosexualität variieren zwar enorm, da der Begriff subjektiv interpretiert wird, verschiedene Forschungsarbeiten lassen aber den Schluss zu, dass sich fünf bis zehn Prozent der Menschen weltweit im LSBTTIQ-Spektrum verorten. Das heißt auch: Selbst wenn du glaubst, niemanden zu kennen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du eine ganze Menge Menschen kennst, die nicht heterosexuell sind oder sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, was ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, und du auch beruflich mit ihnen zu tun hast: Sie können deine Chefin sein, dein Kollege oder die Person, die dir im nächsten Jobinterview gegenüber sitzt.
Falls du es noch nicht getan hast, ist der heutige Coming-out-Day ein guter Zeitpunkt um darüber nachzudenken, was Heterosexuelle tun können, um die Teamkultur für alle Mitglieder inklusiver zu machen und dafür zu sorgen, dass niemand homo- oder transphobe Erfahrungen machen muss.
Ariana Barreto hat für The Muse aufgeschrieben, wie ihr LSBTTIQ-Kolleg_innen das Leben leichter machen könnt, in dem ihr diese Dinge wisst:
1. Nicht alle nutzen Labels
Denkst du vielleicht: „Es wäre doch viel einfacher, wenn sie einfach sagt, dass sie lesbisch ist“? Dann solltest du deine Erwartungshaltung überdenken (denn warum sollte es überhaupt jemanden etwas angehen) und außerdem wissen, dass es viele Menschen gibt, die Labels entweder nicht mögen oder vielleicht auch noch gar nicht wissen, wo sie sich verorten möchten.
Arianas Tipp: Wenn du unsicher bist, ob eine Transgender-Person als „sie“ oder „er“, mit Vornamen oder auch einem geschlechtsneutralen Pronomen bezeichnet werden möchte, frag sie – und das nicht im Team-Meeting sondern, wenn ihr zwei miteinander sprecht.
2. Nicht alle möchten im ganzen Unternehmen geoutet sein
Wenn deine Kollegin dir erzählt, dass sie lesbisch ist, dann tut sie das, weil sie möchte, dass du es weißt – das ist keine Erlaubnis, es anderen zu erzählen und bedeutet auch nicht automatisch, dass es alle anderen im Team wissen. Denn Fakt ist: „Anders“ sein ist sehr oft Grund für Diskriminierung – auch in der Berufswelt – und so mag es gute Gründe geben, die dazu führen, dass eine Person eben nicht möchte, dass ihre sexuelle Identität öffentlich ist.
Dir kann also auch völlig egal sein, wer darüber im Unternehmen Bescheid weiß, und wer nicht. Denn die Information, ob deine Kollegin lesbisch, bisexuell oder schwanger ist, spielt im Job keine Rolle. Es gibt keinen Grund, darüber mit anderen im Team zu sprechen.
3. Bitte versuch nicht, zwei Menschen miteinander zu verkuppeln
„Hey Tanja ist auch lesbisch, ihr mögt euch bestimmt.“ Solche Sätze sind völlig daneben. Auch Lesben suchen beim Dating nach sehr viel mehr als der Gemeinsamkeit, auf Frauen zu stehen. Du würdest deiner heterosexuellen Kollegin ja auch nicht den Kollegen mit den Worten vorstellen: „Das hier ist Bastian, der steht auf Frauen, ihr mögt euch bestimmt.“
Denk daran: Du bist hier im Job in deinem professionellen Umfeld. Es ist super, Tipps für Networking zu geben und deiner Kollegin Leute zu empfehlen, mit denen sie sich beruflich austauschen kann. Ungefragte Dating-Tipps kannst du dir allerdings sparen.
4. Deine Fragen können verletzend sein
Wie fühlt es sich an, intime Fragen über deine Persönlichkeit, deine Sexualität oder Dinge gestellt zu bekommen, die dich einmal verletzt haben? Heterosexuelle gehen bei LSBTTIQ oft davon aus, dass alle Fragen okay sind, weil man ja dazu lernen möchte, um dann sensibler sein zu können. Das geht oft ziemlich schief. Ein paar Beispiele: „Wie habt ihr es als lesbisches Paar denn geschafft, schwanger zu werden?“, „Seit wann weißt du eigentlich, dass du lesbisch bist?“, „Hast du schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht?“. Diese Fragen an heterosexuelle Menschen gerichtet klingen genauso komisch. Und das erklärt vielleicht schon am besten, welche Fragen man stellen kann und welche nicht.
5. Verhalte dich professionell
Was kannst du nun mit diesem neuen Wissen anfangen? Deiner Kollegin Artikel über lesbische Schauspielerinnen schicken oder sie fragen, ob sie am Wochenende eine tolle Frau kennengelernt hat?
Eine bessere Idee ist, einfach mit ihr Mittagessen zu gehen und herauszufinden, was sie eigentlich sonst noch interessiert oder welche beruflichen Projekte ihr gemeinsam angehen könnt. Falls du bei diesen Tipps gemerkt hast, dass du dich in der Vergangenheit einmal verletzend verhalten hast, ist jetzt auch ein guter Zeitpunkt, um einfach mal Entschuldigung zu sagen.
Alle Unternehmen, die Diversity-Kompetenzen ernst nehmen und möchten, dass sich alle Angestellten wohlfühlen, sollten ihre Führungskräfte und HR-Verantwortlichen weiterbilden und auch Mitarbeiter-Workshops anbieten, um Diskriminierung zu vermeiden. Ariana Barreto hat eine andere, ganz simple Idee: Verhalte dich deiner Kollegin, die so viel Vertrauen zu dir hatte, sich gegenüber dir zu outen, einfach, wie gegenüber deinen anderen Kollegen auch. Wenn im Office viel über Dating gesprochen wird, kann das auch für deine Kollegin völlig okay sein, wenn dem nicht so ist, dann sprich auch mit ihr so, wie es deinem Unternehmen entspricht. Deine Kollegin will schließlich auch nur ihren Job machen – und wie oder wen sie liebt, spielt hier keine Rolle und sollte nicht zwanghaft thematisiert werden.
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