In Deutschland werden jährlich neue, unbenutzte Produkte im Wert von sieben Milliarden Euro vernichtet. Das Non-Profit-Unternehmen Innatura vermittelt diese Waren gezielt an soziale Organisationen. Im Interview erklärt Gründerin und Geschäftsführerin Dr. Juliane Kronen, wie sie mit ihrer Arbeit gemeinnützigen Initiativen helfen will und wie Unternehmen davon profitieren.
„Wir konnten 580 Tonnen fabrikneuer Produkte vor der Vernichtung retten“
Dr. Juliane Kronen ist Gründerin und Geschäftsführerin von Innatura. Das gemeinnützige Kölner Unternehmen ist eins von vielen sozialen Projekten, das die Deutsche Fernsehlotterie auf ihrer Plattform „Du bist ein Gewinn“ vorstellt. Mit der Seite möchte die Fernsehlotterie Menschen, die sich für Hilfebedürftige in ganz Deutschland einsetzen, eine Bühne bereiten – Menschen wie Juliane Kronen. Ihre Idee: Sachspenden für wohltätige Zwecke organisieren. Mit Innatura sammelt sie fabrikneue Waren wie Haushaltsgeräte und Pflegeartikel ein, die aufgrund von Überproduktion, falscher Etikettierung oder ungenauer Befüllung unverkäuflich sind und sonst vernichtet werden würden, und vermittelt sie an soziale Einrichtungen und Organisationen. Im Interview spricht sie über die Arbeit von Innatura, die Konsumgesellschaft und Denkansätze zu mehr Nachhaltigkeit.
Wenn man durch das Lager von Innatura geht – welche Waren findet man da?
„Wir nehmen nur absolut neue, einwandfrei verwendbare Produkte an, die wegen eines kleinen Makels nicht verkauft werden können oder einfach übrig sind. Keine Medikamente oder Lebensmittel, da sind die Tafeln ja bestens organisiert. Stattdessen freuen wir uns immer über Windeln oder Waschmittel und auch Spielzeug. Kürzlich haben wir echte LeCreuset-Töpfe vermittelt. Viele der Markensachen, die gemeinnützige Organisationen bei uns bekommen, habe ich selbst gar nicht zuhause, so fein sind die.“
Organisationen bezahlen zwischen fünf und 20 Prozent vom niedrigsten Einkaufspreis für Produkte bei Ihnen. Finanziert sich Innatura mit diesem Anteil?
„Nein, leider reicht das noch nicht. Wir haben Gesellschafter, die Geld ins Unternehmen gesteckt haben. Denn Förderungen bekommen wir für unsere Vermittlung nicht, weil wir nicht direkt mit den Begünstigten arbeiten. Es gibt neben uns einige Projekte, die sozialen Initiativen bei der Arbeit helfen und ebenfalls nicht förderwürdig sind. Diese Regelung halte ich für total verkehrt.“
Wie profitiert beispielsweise ein Kinderheim davon, wenn es bei Ihnen Produkte bestellt?
„Natürlich können die Leiter von solchen Organisationen auch ohne unsere Hilfe Waschmittel, Windeln oder Spielzeug kaufen. Aber bei uns sparen sie mindestens 80 Prozent auf den Einkaufspreis. Damit es bei den jährlichen Budgetverhandlungen dann keine Abzüge gibt, liefern wir auch gleich einen Nachweis über den Wert der Sachen ab. Am Ende bleibt viel Geld übrig, das die Leitung für die eigentlichen Kernaufgaben ausgeben kann.“
Können Sie ein Beispiel dafür geben?
„Da haben wir schon die schönsten Sachen gehört: Dass der Camping-Ausflug mit den Kindern im nächsten Sommer nach Italien geht – und nicht an den nächsten Baggersee. Oder dass in der Beratungsstelle für Drogensüchtige ein zusätzliches Notbett aufgestellt werden kann. Ein Jugendtreff hat deshalb seine Öffnungszeiten erweitert. Solche Erfolge berichten wir auch den Spender-Unternehmen. Die können mit überschüssigen Waren wirklich Freude stiften. Und nebenbei ist es auch nachhaltiger, denn in Deutschland werden jährlich Waren im Wert von sieben Milliarden Euro vernichtet. Zum Glück dank uns nun deutlich weniger. In den letzten Jahren konnten wir insgesamt 580 Tonnen fabrikneuer Produkte vor der Vernichtung retten.“
Sparen Unternehmen, von denen Sie Produkte bekommen, auch Geld?
„Momentan leider noch nicht, das ist ein steuerliches Problem: Wenn Sie Waren vernichten müssen, können Sie diese abschreiben. Gespendete Produkte müssen Sie aber wie einen Umsatz verbuchen und Umsatzsteuer bezahlen. Darum ist es nicht nur gleich teuer, sondern eher fünfmal so teuer, die Produkte an uns zu geben statt sie wegzuwerfen. Aber wir sprechen auch mit der Politik, damit sich an dieser Situation bald endlich etwas ändert.“
Warum spenden die Unternehmen denn, wenn es sich für sie nicht rechnet?
„Das hat viele gute Gründe. Procter & Gamble hat auch durch uns die Abfallquote deutlich reduzieren können und wurde sogar mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Das ist für ein Unternehmen eine tolle Botschaft. Sie lernen auch dabei: Wenn ein Unternehmen durch eine falsche Kalibrierung einer Abfüllanlage auf einen Schlag Ausschuss für 50.000 Euro herstellt, wird die Produktion die Kalibrierung künftig nach der ersten Palette prüfen und nicht erst am Schluss.“
Sie waren lange Partnerin bei der Boston Consulting Group und wurden dann zur gemeinnützigen Geschäftsführerin. Wie profitieren Sie heute von Ihren Erfahrungen als Unternehmensberaterin?
„Es hilft natürlich, wenn man rechnen und wirtschaftlich denken kann. Ich beobachte leider bei manchen Organisationen das Gegenteil, da scheint das Budget vom Himmel zu fallen. Als Berater hat man zusätzlich noch eine zupackende Haltung gegenüber Problemen. Man lernt über die Jahre, dass man einen großen Hebel hat, Dinge zu beeinflussen und sogar globale Herausforderungen zu meistern. So eine Erfahrung brennt sich ein. Darum vernetzten wir uns auch gleich international, zum Beispiel mit ‚In Kind Direct‘, der Vorbildorganisation von Prince Charles. Das hat uns ungemein geholfen.“
Inwiefern?
„Wir konnten sehr viele Prozesse auf uns übertragen und noch heute profitieren wir davon, wenn unsere britischen oder französischen Partner ein großes Spender-Unternehmen an Bord holen. Amazon zum Beispiel. Die haben uns inzwischen schon im siebenstelligen Wert Waren gespendet – meist schlichtweg Dinge, die ihnen unbestellt geliefert wurden oder die zu viel gekauft waren. Klar gibt es viele Leute, die an dem Onlinehändler aus anderen Gründen Kritik üben. Aber in dem Fall muss man das Engagement doch einfach mal anerkennen.“
Sie haben sich schon während Ihrer Zeit als Beraterin ehrenamtlich engagiert. Waren Sie da eine Ausnahme?
„Nein, es ist ein Vorurteil, dass Menschen ab einer gewissen beruflichen Position nichts mehr für die Gemeinschaft tun. Im Gegenteil, ich kenne viele Führungskräfte, die sich sehr stark gesellschaftlich engagieren. Vielleicht verteilen sie nicht Suppe an Wohnungslose oder lesen im Altenheim vor, aber sie verwenden ihre Kontakte, ihren Einfluss und ihre Erfahrung, um Dinge zu verändern, die falsch laufen.“
Was haben Sie aus der Arbeit bei Innatura für sich selbst mitnehmen können?
„Natürlich weiß man intellektuell, dass es Armut in Deutschland gibt, aber die Vielfalt und die persönlichen Folgen davon wurden mir erst jetzt so richtig bewusst. Es ist gleichzeitig beeindruckend, zu sehen, wie viele verschiedene Initiativen es in Deutschland gibt – in Bereichen, an die ich vorher nie gedacht hätte. Hausaufgabenhilfe für die Kinder von Prostituierten zum Beispiel, damit die eine gute Zukunft haben.“
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