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Stealthing: Wenn Männer beim Sex heimlich das Kondom abstreifen

Wenn ohne das Einverständnis des Sexpartners das Kondom ausgezogen wird: Stealthing ist keine „Sexualpraktik“, sondern Missbrauch und ein Angriff auf die körperliche Selbstbestimmung.

Bitte nicht mit dem Begriff „Trend“ verharmlosen: Stealthing

Sex und alles was im Kontext von Sex stattfindet, kann nur als solcher bezeichnet werden, wenn er einvernehmlich stattfindet. Alles andere ist sexualisierte Gewalt. Hierbei gibt es keine harmlosen Kavaliersdelikte und es brauchen auch keine künstlich geschaffenen Grauzonen herangezogen werden. Und genau deshalb, sollte man einen Akt sexualisierter Gewalt auch nicht mit dem Begriff „Trend“ verharmlosen, der etwa immer wieder im Zusammenhang mit „Stealthing“ aufkommt. Stealthing bezeichnet den Vorgang, wenn Männer sich beim Sex ohne das Einverständnis ihres Sexpartners oder ihrer Sexpartnerin das Kondom ausziehen – und davon gibt es sehr viele, wie die Studie der promovierenden Juristin Alexandra Brodsky und die danach aufkeimende Debatte zeigt.

Für ihre Studie sprach Alexandra Brodsky mit zahlreichen Frauen, die genau das erlebt und durchgemacht haben – neben den Ängsten in Bezug auf Schwangerschaft und Krankheiten, empfanden die Frauen Stealthing als gewalttätigen Akt, der sich gegen ihre körperliche Selbstbestimmung richtet. Oder kurz gesagt: Es ist beängstigend und demütigend. Bei ihren Recherchen für die Studie stieß Brodsky auch auf Foren, in denen Männer anderen Männern Tipps gaben, wie sie das Kondom am besten unbemerkt entfernen. Sie spricht von wahnsinnig düstere Ecken im Netz, die sie nie wieder besuchen möchte. Verständlich, umso wichtiger ist, dass sie mit ihrer Studie eine Debatte zum Thema anstieß, denn viele Frauen und Männer haben das erlebt und wissen häufig gar nicht, wie sie damit umgehen sollen. Auch wegen der Scham, dass man den Vorgang nicht bemerkt hat – denn damit kommt häufig auch, wie so oft im Kontext sexualisierter Gewalt, die Frage auf: Habe ich selbst etwas falsch gemacht? Nein, absolut nein. Wer (verbal) Grenzen setzt, ist nicht selbst daran schuld, wenn sie von anderen überschritten werden.

Es geht um Macht

Auch auf Online-Plattform Reddit kommt das Thema immer wieder auf – und das nicht nur durch Frauen und auch nicht erst, seit die Studie im Frühling 2017 erschienen ist. So berichtet etwa ein junger Mann vor etwa zwei Jahren davon, wie sein Sexpartner sich ohne sein Wissen das Kondom abgezogen hat und wie furchtbar hilflos und ängstlich er sich gefühlt hat, als er das bemerkte. Stealthing ist kein Spaß und kein Sex-Trend, bei dem es sich „nur“ um einen Vertrauensbruch handelt, es ist Missbrauch. Es geht um Machtausübung, um Demütigung – und nicht etwa eine „Sexualpraktik“, wie es etwa bei Wikipedia zum Begriff heißt. Und genau deshalb hat in diesem Jahr auch ein Gericht in der Schweiz einen Franzosen wegen Vergewaltigung verurteilt, der heimlich und ohne Einverständnis seiner Sexpartnerin das Kondom entfernt hat.

Die Frage, die sich einem bei diesem Thema wahrscheinlich am schnellsten aufdrängt ist: Wieso verdammt nochmal machen Männer das? Nun, neben der schon angesprochenen Machtausübung, hat ein männlichen Anrufer bei der australischen Radiosendung Hack, die Mitte Mai 2017 eine Sendung zum Thema machte, noch eine wesentlich simplere Antwort: „Es mache einfach ohne mehr Spaß“. Über sexuell übertragbare Krankheiten mache er sich nicht viele Sorgen, mehr schon über Schwangerschaften. Und er mache es häufig, ohne dass die Frauen es bemerken, indem er das Kondom später schnell wieder überstreift. Das heißt, gibt es mehr wie ihn, wissen viele Frauen und Männer gar nicht, dass ihnen das schon widerfahren ist. Von der Gefahr die davon ausgeht – für die Betroffenen und alle Sexpartner danach – will man eigentlich gar nicht erst anfangen.

Umso wichtiger ist es, dass dieser sexuelle Missbrauch mit der Studie und dem Begriff Stealthing nun einen Namen bekommen hat – und genau das war auch das Ziel von Alexandra Brodsky. Denn wenn etwas einen Namen bekommt, wenn man merkt, dass man nicht alleine ist und ein öffentlicher Diskurs entsteht, dann kann man sich wehren. Das geht aber nur, wenn das Bewusstsein für sexuellen Missbrauch, ganz gleich welcher Art, noch stärker wird – und dafür sind wir alle gefragt.

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