Ich bin fremdgegangen und habe mich meinen Freunden anvertraut. Ihr Urteil: Ich bin jetzt die Böse. Warum Betrug nicht das Ende der Liebe sein muss.
Einfach nur unzufrieden?
Scheiße ja, ich hab’s getan. Ich bin fremd gegangen. Ich habe meinen Freund betrogen. Fuck ja, ich habe mit einem anderen Mann geschlafen. Und ja , es war nicht nur einmal. Und ja, es war gut.
Als ich eines Morgens völlig fertig von der gut alkoholisierten Nacht auf dem Weg nach Hause war, konnte ich nicht ansatzweise erahnen, was da auf mich zu rollt. Ich war über die Feiertage wie in Trance: keine Arbeit, keine Verpflichtungen, ungewohntes Umfeld. Und da war er. Ben war schön, Ben war interessiert. Ben wollte mit mir sein.
Und nach dieser Nacht war es da: Dieses Verlangen etwas anders zu machen in meinem Leben. Ist es wirklich die Beziehung, die mich aktuell so unzufrieden macht oder etwas ganz anderes? Ich gehe wieder hin. Dieses Mal nüchtern. Und es war gut. Zu gut.
Und dann kam sie zurück die Realität. Wie nach einem Drogentrip schlägt sie mir ins Gesicht und holt mich zurück auf den Boden der Tatsachen. Da fing es an. Ungefähr 100.000 Fragen türmten sich in meinem Kopf auf. Mein ganzes Leben, all meine Entscheidungen – auf einmal in Frage gestellt. Das schlechte Gewissen unüberwindbar, der Schmerz in den Augen meines Freundes unendlich.
Suche nach Objektivität
„Ich bin die Böse. Ich bin die Böse. Ich bin die Böse.“
Wie ein Mantra wummern diese Sätze in meinem Kopf. Meine Versuche, von Außenstehenden mehr Objektivität in meine, in unsere Situation zu bekommen, scheitern. Zu schwarz-weiß wird das Bild von Betrügenden und Betrogenen gezeichnet.
Nicht, dass ich jemals die Schuld von mir weißen wollte oder sowas denken könnte wie „Da gehören doch immer zwei dazu“, aber ist es nicht so, dass man Dinge macht, weil sie sich abzeichnen, weil es eine Vorgeschichte gibt, weil niemand immer Herr seiner Gefühle sein kann?
Was heißt Liebe?
Ich frage mich jeden Tag, ob ich meinen Freund liebe nach so vielen Jahren, nach allem, was passiert ist. Und ja, das tue ich. Aber auf welche Weise? Ich frage mich, wer wir sind, was wir sind, und vor allem, was wir sein wollen. Keiner kann mir sagen, wie Beziehungen sich normalerweise entwickeln, wo geht man hin, wenn man sich viele Jahre begleitet, welche Stufen muss man nehmen, um gemeinsam glücklich zu sein? Und vor allem: Ist es okay, sich auch mal von einander zu entfernen, und zu überdenken, was man als Individuum möchte? Und, um vielleicht auch ein ganz neues Zusammenleben zu etablieren?
Ehrlich zu sich selbst sein
Viele werden vielleicht insgeheim denken, dass das natürlich in Ordnung ist. Aber die meisten würden wohl in der Öffentlichkeit das traditionelle Bild von Paaren bevorzugen, sich niemals selbst eingestehen, dass sie sich nach etwas anderem sehnen, ohne gleich die komplette Beziehung zukappen.
Jedenfalls stehe ich jetzt da und bin einfach die Böse – zumindest für alle, die gern allzu traditionell denken. Ja, ich habe einen Fehler gemacht und ja, ich bin mir verdammt unsicher, was jetzt kommt und auch, was ich eigentlich will. Und ja, ich habe einem geliebten Menschen unheimlich weh getan. Und nein, ich kann das jetzt nicht mehr ändern, einfach gerade biegen.
Aber ich habe eine Hoffnung: Dass das alles am Ende auch etwas Gutes hat, für mich, für ihn und vielleicht sogar für uns. Das wir beide am Ende dieses schmerzenden Weges glückliche Menschen sind. Zusammen oder auch allein. Und dafür müssen wir mutig sein.
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