Ein Haus im Grünen? Klingt erstmal traumhaft. Bis man merkt: Auch das hat seinen Preis – auch für die Beziehung, schreibt unsere Community-Autorin Silke.
Wo ist meine Privatsphäre geblieben?
Alles hat seinen Preis, auch den Traum vom Haus im Grünen zu leben. Das mag jetzt erstmal dramatisch klingen, aber ich habe es an mir gemerkt und auch an vielen anderen Frauen in meinem Umfeld gesehen: der Umzug in ein Haus tut wirklich nicht allen gut – auch nicht den Beziehungen. Ich kann nicht sagen, was es ist. Vielleicht ist die höhere Belastung durch den Haushalt oder das mit dem Erwerb eines Hauses einhergehende Gefühl, dieses „richtige” Zuhause nun auch schön gestalten zu müssen. Vielleicht sind es auch die traditionellen Werte, die Werte unserer Mütter und Großmütter, die fast auf magische Art und Weise reaktiviert werden, wenn man das kleine Glück im eigenen Haus lebt. Ich weiß nicht, was es ist, aber Häuser verändern einen.
Ich habe es selbst drei Jahre probiert: Häuschen im Grünen, wunderschön, toller Garten, ein Kinderparadies. Aber ich war nicht mehr die Alte. Die erste Zeit war toll, wie permanenter Urlaub. Tür auf, raus in den Garten, Planschbecken, gärtnern, spielen, toben, Freiheit. Dann kamen die ersten Nachbar*innen und warfen kritische Blicke über den Zaun. „Wie sieht denn der Garten aus?”, „Mäht ihr den Rasen jetzt gar nicht mehr?”, „Wir haben ja gestaunt, wie lange ihr gebraucht habt, die Umzugskisten auszuräumen.” Schluss mit der Anonymität der schick eingerichteten Wohnung, in die nur reinschaut, wem ich es erlaube. Plötzlich war alles sehr viel offener. Gärten und große Fenster geben alles preis.
Vielleicht waren es auch die Gespräche. Da ging es plötzlich nicht mehr um Politik, Kino, Musik, schicke Klamotten oder anderes. Nein, plötzlich drehte sich alles um selbstgebackenes Brot, Einrichtungsmagazine, Zwiebeln in den Grünkohl ja oder nein und putzen, putzen, putzen. Fragt mich nicht warum, aber es war so.
Zurück in die Wohnung und zu mehr Gleichberechtigung
Zurück in eine Wohnung zu ziehen, war ein Befreiungsschlag, eine Rolle rückwärts zurück zu mir und gleichzeitig ganz weit nach vorne zu einer gleichberechtigten Beziehung mit meinem Mann. Und, sehr interessant, auch einige Frauen aus meinem Bekanntenkreis haben betont, wie gerne sie auch wieder in eine Wohnung ziehen würde, saßen ganz nostalgisch bei mir rum, das wäre ja wie früher! Aber leider könne man ja nicht ebenfalls in eine Wohnung ziehen, weil der Mann ja so am Haus hänge.
Und damit komme ich zu dem Punkt, der mich wirklich wundert: Wie oft es immer noch die Männer sind, die die Art des Wohnens bestimmen. In allen mir aus meinem privaten Umfeld bekannten Fällen, in denen Uneinigkeit zwischen den Partner*innen um die Art des Wohnraumes bestand, waren es die Männer, die sich mit ihrem Wunsch nach einem Haus durchgesetzt haben. Und das, obwohl sie doch die meiste Zeit des Tages, zumindest in besagten Fällen, gar nicht zuhause sind! Während sie im Büro sitzen und sich auf ihr Haus freuen, sitzen ihre Frauen drinnen, putzen, räumen auf, machen es schön. Und da Häuser teuer sind, wohnt man häufig auch noch außerhalb der nächsten Stadt und so verbringen diese Frauen fast automatisch unglaublich viel Zeit damit, zum Einkaufen zu fahren oder die Kinder von A nach B zu fahren. Plötzlich hängt man wieder knietief in traditionellen Rollenbildern fest. Ist es das wirklich wert?
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