Unser Arbeitsleben soll individuell gestaltbar sein, doch meist gelingt uns das nicht einmal mit der eigenen Familie. Wieso nur?
Wir brauchen eine Zukunft ohne reflexhafte Rollenbilder
Es kann selbst der modernsten Frau passieren, dass sie nach Geburt eines Kindes irgendwann in den 50er-Jahre-Modus umschaltet, Abendessen kocht, saugt, spült, wischt, sich schön macht, dem Mann den Rücken frei hält und versucht damit die Schwiegermutter zu beeindrucken. So geht das sechs Monate, vielleicht ein Jahr, vielleicht auch länger. Die wenigstens machen das bewusst, es schleicht sich einfach so ein. Denn wenn man den ganzen Tag zu Hause ist, kann man ja schließlich auch das Abendessen vorbereiten. Klar. Will man auch. Und natürlich fängt man damit schon an, bevor der Herr des Hauses heimgekommen ist. Vielleicht bekommt man es genau so hin, dass das Essen gerade auf dem Tisch steht, wenn er zur Tür reinkommt. Dann kann man auch gemeinsam mit dem Kind essen. Schön, oder?
Während er dem Kleinen dann eine Gute-Nacht-Geschichte vorliest, kann sie sich um die Wäsche kümmern, denn die bleibt schließlich sonst liegen. Und sind die Kinder endlich im Bett, will man ja auch keinen haushaltenden Mann, sondern die Beziehung pflegen. Abwasch? Kann am nächsten Morgen erledigt werden.
Hausfrau und Mutter – macht das glücklich?
Sollte man in diesem klassischen Rollenverhalten sein Glück finden, ist ja alles gut. Jeder mache, was er will.
Doch in der Regel ist es so, dass die wenigsten Frauen von diesem Alltag mit einem strahlenden Gesicht erzählen, sondern eher mit einer anders-geht-es-nicht-Haltung. Weil mehr als zwei Monate Elternzeit für den Vater nicht drin sind. Weil das Haus abbezahlt werden muss oder weil er gerade vor einem ganz wichtigen Karriereschritt steht. Die Balance, die vor den Kindern da war, ist damit aus dem Ruder. Und nicht selten fällt dann auch die Liebe über Bord.
Das Kind als Beziehungskiller?
„Kinder sind ein Liebeskiller. In sämtlichen Studien sackt die Zufriedenheit mit der Beziehung in ungeahnte Tiefen, sobald der erste Sprössling aus der Zweier- eine Dreierkiste macht“, schreibt Rafaela von Bredow für den Spiegel. Aber muss man diese Entwicklung nicht einfach als ein Nebenprodukt genereller Unzufriedenheit werten? Wenn ich mich selbst nicht wohlfühle, wird auch meine Beziehung kraftlos. Wenn ich stattdessen glücklich bin, etwas erlebe, Erfolge feiere, dann färbt das ab. Auf alles, auch auf die Paarbeziehung.
Doch ganz gleich welche Ursachen die Unzufriedenheit hat, so führen sie letztlich zur selben Frage: Wenn das klassische Modell, in dem wir Kinder bekommen, nicht einmal für die Beziehung gut ist, die diesem Modell zu Grunde liegt – warum gehen wir dann nicht einfach andere Wege und finden heraus, was zu uns selbst und der eigenen Familie passt?
Die nächste Generation kann es ganz anders machen
So weit der theroretische Part. Also warum läuten wir Frauen also nicht endlich den Wandel ein und beginnen damit, die Sache von vorneherein anders anzugehen? Weil man dieses mögliche, neue Ich ja gar nicht in sich vermutet. Denn: Mir passiert das nicht. Mein Mann ist so toll. Wir sind anders. Oder aber man kommt erst gar nicht darauf, dass man es auch anders machen könnte. Genau so, erging es mir.
Statt den Irrtum zu erkennen, habe ich schlicht und einfach nicht in Frage gestellt was in Stein gemeißelt schien: Das klassische Familienmodell. Doch wer soll schon entscheiden, wie Familie auszusehen hat, wenn es nicht wir selbst sind? Stoisch übernommene Denkmustern lassen sich nur mit einem beherzten Schritt nach vorne abschütteln. Hin zu mehr Offenheit, mehr Kreativität und mehr Vielfalt. Und am wichtigsten: hin zu noch viel mehr Erfahrungsaustausch.
Denn dann kann eine Zukunft gelingen, in der Kinder mit divers geprägten Vorstellungen von einer Familie aufwachsen, die es ihnen möglich machen sich erst einmal zu überlegen: Wie wünsche ich mir mein Familienleben und welches Modell passt zu mir – und erst dann nach eigenen Maßstäben loslegen.