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Eine Ode an das Alleinsein: Warum ich regelmäßig ein Date mit mir selbst habe

Allein ist gleich einsam? So ein Quatsch, findet unsere Community-Autorin. Sie geht regelmäßig mit sich selbst essen.

Allein im Restaurant, na und?!

An was denkt ihr, wenn ihr eine Person alleine in einem Restaurant sieht? Empfindet ihr Mitleid? Hofft ihr innerlich nie so zu Enden? Oder gehört ihr zu der Art Person, für die das absolut normal ist und die das auch selbst macht? Woher kommen diese negativen Stereotypen? Warum wird das Alleinsein in der Gesellschaft so stigmatisiert?

Ich dachte zum Beispiel lange Zeit, dass Menschen, die alleine in einem Restaurant essen, einem Leid tun müssten. Dass diese Personen keine Freund*innen hätten oder gerade eine schwierige Phase durchmachten. Dass sie total einsam wären. Und das alle sie bemitleiden würden.

Aber eigentlich ist genau das Gegenteil der Fall, oder? Es interessiert doch eigentlich keinen! Das habe ich festgestellt, als ich das erste Mal selbst bewusst in dieser Situation war. Vorher fand ich die Vorstellung immer sehr unangenehm alleine Essen zu gehen. Wieso sollte man sowas machen? Aber irgendwann war mir das völlig egal und allen anderen auch. Keine traurigen Blicke meiner Mitmenschen oder fragwürdige Gesichtsausdrücke.

Allein, aber nicht einsam

Natürlich gibt es Menschen, die tatsächlich einsam sind und deshalb alleine im Restaurant sitzen, aber was ist bemitleidenswert, wenn ich gerne alleine in einem Cafe sitze und meinen Kaffee und Kuchen genieße, während ich durch eine Zeitschrift blättere? All die Jahre habe ich mir nur vorgemacht, dass es ein Problem sein könnte. Vielleicht hätte ich schon viel früher genießen können, alleine in der Öffentlichkeit unterwegs zu sein.

Für mich ist das Alleinsein, das habe ich mittlerweile begriffen, ein Luxus, den ich mir gerne ab und zu gönnen möchte: Alleine ins Kino gehen, alleine durch die Stadt und durch die Läden stöbern, ohne das ich mich einsam oder von der Gesellschaft ausgeschlossen fühle. Nach dem ich ein paar Stunden mit mir selbst verbracht habe, bin ich bereit mich wieder mit Menschen zu umgeben, die ich kenne. So blöd sich das auch anhört, ich brauche diese innere Ruhe, diese Stunden mit mir selbst. Das Alleinsein verbinde ich mit einem inneren Prozess. Ich denke über viele Dinge nach, die ich im Alltag mit Freund*innen, Bekannten und meiner Familie nicht gar nicht so greifen kann.

Ich hoffe ich klinge nicht, wie eine Misanthropin. Es hat lange gedauert mir selbst einzugestehen, dass ich nun mal gerne alleine bin. Man gibt es ungern zu, da viele Menschen eigenartig darauf reagieren: Vielleicht sei man ja nur introvertiert und sollte mehr unter Menschen? Die meisten verstehen nicht, dass ich einfach gern mit mir bin, ohne dass das heißt, dass ich kaum was mit anderen zu tun habe oder ausgehe. Aber ich brauche keine Gruppe um mich rum, damit ich mich nicht einsam fühle. Ich mag es, einfach mal keine Konversation führen, einem Gespräch folgen und Präsenz zeigen zu müssen. Einfach mal auf soziale Interaktionen verzichten.

Ab und zu muss ich allein sein

Natürlich sind lange Gespräche mit meinen Freund*innen oder meinem Partner toll und ich genieße diese Momente. Ich meide ja keine Menschen und wandere alleine durch die Weltgeschichte. Mit meiner besten Freundin kann ich stundenlang über alles Mögliche reden und lachen, aber irgendwann merke ich, dass ich eine kurze Pause brauche. Dann ziehe ich mich gerne zurück und versuche meine Gedanken zu ordnen oder einfach mal die Stille zu genießen. Andere Leute zu treffen ist für mich keine Ablenkung, denn dann bin ich tatsächlich präsent, höre zu und versuche den Moment wahrzunehmen.

Langweilig wird mir übrigens auch nie alleine. Mittlerweile ist diese Seite von mir eine Selbstverständlichkeit für meinen Partner und meine Freund*innen

Wann wird aus Alleinsein Einsamkeit?

Vielleicht müssen die Begriffe Einsamkeit und Alleinsein noch deutlicher voneinander getrennt werden. Denn ich vermisse niemanden, wenn ich alleine bin. Andersrum ist es natürlich, wenn ich mich einsam fühle. Aber das ist eine andere Baustelle. Einsam fühle ich mich, wenn ich eine längere Zeit meinen Partner nicht sehe, mich verabschieden muss. Wenn ich eine Freundin für eine längere Zeit nicht sehen werde. Wenn ich eine Stadt verlassen muss, die mir ans Herz gewachsen ist und in der ich micht für einen Augenblick sogar wie zu Hause gefühlt habe.

Das Alleinsein dagegen hat für mich keine negativen Aspekte. Ich verbinde es tatsächlich ausschließlich mit positiven Gefühlen. Dennoch ist mir bewusst, dass ich diese Zeit mit Vorsicht genießen sollte. Denn irgendwann wird Alleinsein vielleicht doch zu Einsamkeit. Und da sind die beiden Begriffe dann gar nicht mehr so einfach zu trennen. Ich bin froh, dass ich Menschen um mich herum habe, die mich an der Schwelle auffangen und aus der Gefahrenzone rausbringen. Ich glaub das ist das Wichtigste dabei.

Dieser Text ist zuerst auf Oh Zone erschienen. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können.

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