Eltern leisten in der Corona-Krise noch mehr unbezahlte Arbeit als sonst. Drei Mütter stellen ihre Arbeitskraft jetzt der Politik in Rechnung und starten unter dem #CoronaElternRechnenAb eine Protestaktion.
Für Karin Hartmann ist es ganz logisch. „Ich bin eine unternehmerisch denkende Frau“, sagt die 47-Jährige. Seit Wochen kümmert sie sich neben ihrer Lohnarbeit um ihre drei Kinder. Kocht, beschult, putzt. Alles alleine. Dann hat sie gerechnet.
„Ich erwarte, dass die Schule stattfindet“, sagt sie mit Verweis auf die Schulpflicht. Diese werde gerade ins Private delegiert. „Als ehemalige Unternehmerin weiß ich, dass ich Dienstleistungen zwar in in Anspruch nehmen kann, aber nicht auf Kulanz. Ich bekomme irgendwann eine Rechnung gestellt.“ Und genau das macht Karin Hartmann jetzt. Sie schreibt ihrer Landesregierung eine Rechnung über all die Tätigkeiten, die sie seit Wochen übernimmt.
„Übernahme Betreuung und Beschulung meiner Söhne“ steht über der Rechnung. Durch den Wegfall der Schule „entfällt für meine drei Söhne die Betreuung, Mittagsverköstigung, Beschulung und OGS“, heißt es weiter in der Rechnung.
„Als erwerbstätige Steuerzahlerin bin ich bis dato davon ausgegangen, dass die Kinder gemäß Schulpflicht beschult werden und die Schulen auch die Aufsicht gewährleisten. Den Ausfall der Schulpflicht durch die Pandemie ist bedauerlich, jedoch nicht von meiner Seite zu vertreten. Für den mir dadurch entstehenden Aufwand stelle ich wie folgt in Rechnung:“
Es folgt eine Auflistung der unbezahlten Tätigkeiten zu den Punkten Betreuung, Beschulung und Versorgung. Als Grundaufwand sieht Karin Hartmann ihren Bereitschaftsdienst. „Bereitschaftsdienst zählt als Arbeitszeit, wie bei andere Berufen auch“, erklärt sie. Also kommen neun Stunden Bereitschaft mit auf die Rechnung.
Außerdem steht auf der Rechnung auch die Mehrwertsteuer. „Durch Care-Arbeit entsteht im Sinne der Definition von Wirtschaft ein Mehrwert – nämlich Leben“, sagt Karin Hartmann und bezieht sich damit auf das Buch „Equal Care“ von Almut Schnerring. Als ein Ziel ihrer Rechnung beschreibt Karin Hartmann, Care-Arbeit sichtbar zu machen. Sie möchte dazu auffordern, Care im Bruttoinlandsprodukt zu berücksichtigen und damit auf die gleiche Stufe wie Erwerbsarbeit zu heben.
Das Ziel teilt sie mit Rona Duwe und Sonja Lehnert. Die drei Mütter stellen ihre Rechnungen nicht nur an die Politik, sondern sie auch öffentlich auf Ihre Blogs. Gleichzeitig rufen sie andere Eltern unter dem Hashtag #CoronaElternRechnenAb dazu auf, es ihnen gleichzutun. Auf ihren Blogs gibt es Rechnungsvorlagen zum Herunterladen.
Dem Aufruf der drei Frauen gefolgt ist auch die Autorin Patricia Cammarata. Sie kommt in ihrer Rechnung auf die Gesamtsumme von 22.296 Euro und schreibt dazu: „Über eine Verdopplung der Rentenpunkte freue ich mich.“
Karin Hartmann will ab sofort alle sechs Wochen eine neue Rechnung stellen und später monatlich, „bis sich etwas tut“, wie sie sagt. Ihr Ziel sei ausdrücklich nicht, dass die Schulen überstürzt öffnen. „Aber die Regierung kann nicht einfach – wie im Vertragsrecht – davon ausgehen, dass ich den zusätzlichen Aufwand stillschweigend und unentgeltlich übernehme.“
Am Ende der Rechnung steht Karin Hartmanns Kontoverbindung mit dem Hinweis: „Die Leistung ist bereits vollständig erbracht. Ich bitte ich um zeitnahe Überweisung an meine Bankverbindung.“