Mehrere Autor*innen beschäftigen sich derzeit in ihren Büchern damit, wie sich Deutschland verändert, wie es den Menschen hier geht und wie sich die zunehmende Spaltung der Gesellschaft verhindern lässt. Sie erzählen die großen Konflikte anhand individueller Biografien. Wir haben mit Jana Simon, Christoph Amend und Bastian Berbner über Deutschland gesprochen.
Deutschland – ein gespaltenes Land?
In den vergangenen Monaten haben sich drei Autor*innen auf ähnliche Weise demselben Thema angenähert: Für ihre Bücher sind sie quer durchs Land gereist, haben mit unterschiedlichen Menschen gesprochen und wollten so herausfinden, warum und wie sich Deutschland verändert, ja spaltet. Es ist eine Suche nach Antworten über die Biografie Einzelner. Seit einigen Jahren erleben wir eine Verschiebung des öffentlichen Diskurses nach Rechts, Frust über die noch immer bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West, Überforderung und Verunsicherung durch die Ankunft vieler geflüchteter Menschen. Dazu der steigende Zuspruch für die AfD, starker spürbarer Rassismus und Hass auf die Presse und Politiker*innen, der auch in politische Gewalt übergeht. Die Fronten, so scheint es, verhärten sich zunehmend. Zwischen jenen, die behaupten, man dürfe „überhaupt nichts mehr sagen”, und denen, die als „politisch korrekt” diskreditiert werden, wenn sie rassistische oder anderweitig diskriminierende Sprache nicht hinnehmen wollen. Deutschland wirkt gespalten und die Menschen, die hier leben, scheinen sich immer weiter voneinander zu entfernen.
Während die Autorin und Journalistin Jana Simon, 47, die Protagonist*innen für ihr Buch „Unter Druck. Wie Deutschland sich verändert“ über einen längeren Zeitraum im Alltag begleitet hat, setzt der Chefredakteur des „Zeit-Magazins” und Autor Christoph Amend, 45, für sein Buch „Wie geht’s dir, Deutschland?“ eher im Privaten an und hat zum Beispiel einen Schulfreund oder auch seine Eltern besucht. Als Reporter hat Bastian Berbner, 34, für „Geschichten gegen den Hass“ wiederum Menschen gefunden, die ihre Vorurteile überwunden haben. Wenn man versucht, die Erkenntnisse dieser Autor*innen zu bündeln, erfährt man vielleicht mehr: Was ist los mit diesem Land? Und was kann man gegen die Spaltung tun?
Warum steht Deutschland unter Druck?
Jana Simon hat für ihr Buch „Unter Druck”, das im Frühjahr diesen Jahres erschienen ist, sechs Menschen über mehrere Jahre hinweg begleitet. Dazu zählen der Polizist Thomas Matczak aus Thüringen, die alleinerziehende Krankenschwester Bozena Block, der Investmentbanker Jörg Asmussen, der früher Direktor der Europäischen Zentralbank gewesen ist, die junge Influencerin Lisa Banholzer aus Berlin, der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland und die mittelständische Unternehmerfamilie Reichenbach. Jana Simon möchte anhand dieser verschiedenen Lebensgeschichten den sozialen Wandel in Deutschland abbilden. „In jeder Biografie spiegelt sich die Wirklichkeit”, sagt sie.
Eines haben fast alle Menschen, die Jana Simon getroffen hat, gemeinsam: Sie sind verunsichert und zweifeln an der deutschen Politik. „Viele der Menschen, mit denen ich gesprochen habe, haben existenzielle Ängste, fürchten sich vor dem Alter und der Zukunft. Sie bewegen sich auf brüchigem Untergrund”, sagt die Autorin. Sie machten sich Sorgen um das, was um sie herum passiert und ob die gesellschaftliche Spaltung weiter zunehmen wird. Nahezu jede*r suche vergeblich nach politischen Vertreter*innen, die ihre Interessen verfolgen. Jana Simon sagt auch: „Noch vor gar nicht langer Zeit ist es ziemlich sicher gewesen, dass man einmal eine Rente bekommt oder wenn man krank ist, angemessen behandelt wird. Heute ist dies keineswegs mehr gewiss.“ Viele fühlten sich ohnmächtig, überfordert. Und dieses Gefühl erzeuge Druck.
Die Grenzen des Sagbaren
Nur für einen im Buch gilt das nicht: Alexander Gauland. Jana Simon sagt, der AfD-Vorsitzende und seine Partei profitierten von der angespannten und verunsicherten Stimmung im Land. Sie habe Alexander Gauland als Strategen kennengelernt. „Jeder seiner Schritte zielt darauf ab, der Partei mehr Macht zu verschaffen. Zuerst weitet er die Grenzen des Sagbaren aus, provoziert, und nun unter der teilweisen Beobachtung des Verfassungsschutzes sieht er auf einmal selbst die Grenzen des Sagbaren, um nach den Wahlen in Ostdeutschland plötzlich zu behaupten, seine Partei wäre bürgerlich.”
Jana Simon sagt auch: „Die AfD ist aber keine ostdeutsche Partei, auch wenn sie im Osten stärker ist. Wir haben es mit einem gesamtdeutschen Phänomen zu tun. Die AfD sitzt in allen Landesparlamenten und im Bundestag.” Dennoch hat sie eine Theorie, wie man die aktuelle Situation in Ostdeutschland erklären könnte. „Erst heute haben viele Ostdeutsche Zeit und den nötigen Abstand, sich damit zu beschäftigen, wie es ihnen nach dem Mauerfall ergangen ist. Die meisten von ihnen mussten sich beruflich völlig umorientieren, ein ganz neues Leben aufbauen. Lange haben sie einfach weitergemacht, funktioniert. Nun, fast 30 Jahre später, bricht das Erlebte heruas. Und das äußert sich jetzt oft in Form von Wut.” Zudem hätten viele Ostdeutsche das Gefühl, nicht auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden, sagt Jana Simon. Ungerechtfertigt ist das sicher nicht, denn weiterhin bestehen wirtschaftliche Unterschiede zwischen Ost und West, die Löhne sowie Renten sind niedriger und es gibt zu wenig Ostdeutsche in Führungspositionen, die mitentscheiden, wie das Land regiert wird.
Bei ihren Recherchen hat Jana Simon vor allem festgestellt, dass es zwischen manchen Gesellschaftsgruppen kaum noch Berührungspunkte gibt. Eine linksliberale Influencerin Ende 20 und ein fast 80-jähriger AfD-Politiker seien in nahezu allen Lebensbereichen zu weit voneinander entfernt, als dass sie sich auf irgendeiner Ebene begegnen könnten, sagt sie. Solche Brüche gibt es aber auch innerhalb von Familien. „Alexander Gauland redet mit seiner Tochter nicht mehr über Politik”, sagt Jana Simon, „sie ist anderer Meinung und hat auch schon geflüchtete Menschen bei sich aufgenommen.” Für die Autorin gibt es allerdings einen Weg, der Spaltung entgegenzuwirken: den Dialog. Denn: „Wenn der Dialog endet, was soll danach kommen?”
Wovor haben die Deutschen Angst?
Jemand, der regelmäßig mit seinem Vater streitet, ist Christoph Amend. Mit der Familie ist es letztendlich wie in der Politik: Konflikte müssen thematisiert werden. Sobald es Raum für Diskussion gibt, kann man die anderen meist besser verstehen. Für sein aktuelles Buch „Wie geht’s dir, Deutschland?” hat Christoph Amend deshalb nicht nur mit bekannten Persönlichkeiten wie Herbert Grönemeyer oder Lena Meyer-Landrut gesprochen, sondern auch mit einem Schulfreund, seiner Mutter und seinem Vater. „In Wahrheit finden die gesellschaftlichen Konflikte auch in der eigenen Familie, im eigenen Freund*innenkreis statt”, sagt er. Und: „Miteinander reden – das ist anstrengend, wenn man nicht einer Meinung ist.” Sein Vater denke, die Welt sei in Ordnung, wenn er nicht fernsehe, die Tageszeitung lese oder im Internet surfe, sagt Christoph Amend. „In seiner privaten Umgebung empfindet mein Vater die Entwicklung des Landes als positiv.” Die mediale Berichterstattung bilde jedoch ein anderes Deutschland ab, hier würden Dinge thematisiert, die ihn nicht direkt betreffen oder mit einbeziehen, weshalb sich sein Vater bei großen gesellschaftlichen Debatten nicht gesehen fühle. „Einmal hat er zu mir gesagt: ‚Ihr in Berlin habt ja keine Ahnung, was im Rest des Landes los ist.‘”
Er, der Sohn, zählt auf einmal zu „denen da oben”. Obwohl die beiden das Gespräch suchen und über Politik diskutieren, ist es teils wie bei Alexander Gauland und seiner Tochter: Unverständnis auf beiden Seiten. Womöglich weil wir die Sorgen der anderen oft nicht nachvollziehen können.
„Somewheres“ und „Anywheres“
Um zu verstehen, warum bestimmte Gruppen mehr Angst haben als andere, zieht Christoph Amend die Theorie des Wissenschaftlers David Goodhart heran. Dieser sagt, westliche Demokratien hätten an Stabilität verloren, weil es eine wachsende Wertekluft gebe. Auf der einen Seite stünden die „Somewheres”, die stärker verwurzelt seien und Vertrautheit sowie Gruppenzugehörigkeit bräuchten. Auf der anderen Seite seien die mobilen, aufgeschlossenen und autonomen „Anywheres”. Letztere könnte man als Globalisierungsgewinner*innen bezeichnen, sie fühlten sich nahezu überall wohl und sicher. Die „Somewheres” hingegen seien an einen Ort gebunden, würden häufig auf dem Land leben und sich ausgeliefert fühlen, wenn Veränderungen eintreten; die Welt zu ihnen kommt, wie etwa geflüchtete Menschen.
Ein Beispiel: „Die Frau meines Vaters fühlt sich unsicher, wenn sie im Nachbardorf auf eine Gruppe geflüchteter Männer trifft, die alkoholisiert sind”, sagt Christoph Amend. Sie verknüpft zwei Dinge, die erstmal nichts miteinander zu tun haben: Straftaten und geflüchtete Menschen. Wenn Geflüchtete kriminell werden sollten, so Christoph Amend, handle es sich meist um ein strukturelles Problem. „Sie dürfen nicht direkt arbeiten, haben also viel Zeit und müssen oft ihre Angehörigen finanziell unterstützen.” Christoph Amends Schulfreund Ilyas Akdemir, mit dem er für sein Buch gesprochen hat, ist als Kind mit seiner Familie aus der Türkei nach Deutschland eingewandert. Auch dieser findet, dass die Menschen früher einen Beruf ausüben können müssen. Der Vater von Ilyas Akdemir sei sogar krank geworden, weil er jahrelang nicht arbeiten durfte.
Warum sympathisiert jemand mit Zuwanderungsgeschichte mit der AfD?
Christoph Amends Buch basiert auf subjektiven Empfindungen, eine objektive Wahrheit über Deutschland kann es nicht liefern. Das sagt er selbst. Wenn man aber mit Fragen – und nicht mit Urteilen – auf die Menschen zugehe, erfahre man viel über sie und das Land, in dem wir leben. Christoph Amend erzählt von der jungen Schauspielerin Lea von Acken, die die AfD im Schulunterricht durchgenommen hat und öfter gegen die Partei demonstriert. „Sie wächst mit einer rechtspopulistischen Partei auf, ihr Bild von Deutschland ist ein anderes als das der 95-jährigen Lucia Levitanus.” Die Ärztin aus Riga hat Ausgrenzung erlebt, als sie mit ihrem jüdischen Mann nach Deutschland kam und ihre Praxis Anfang der 70er-Jahre in Berlin eröffnete. Sie dachte dennoch ernsthaft darüber nach, die AfD zu wählen. Warum? Christoph Amend sagt: „Lucia Levitanus zählt selbst zu den Menschen, die nach Deutschland gekommen sind und das Land verändert haben. Dieser Prozess ist anstrengend, weil sie sich finden müssen, die Sprache lernen, eine neue Arbeit suchen. Vielleicht hatte sie genau aus diesem Grund Angst davor, dass das Land eines Tages mit der Integration überfordert sein könnte.” Die frühere Ärztin ist vor kurzem gestorben.
Dass selbst eine Frau wie Lucia Levitanus genau die Partei wählen wollte, deren Vorsitzender den Holocaust als „Vogelschiss in der Geschichte” betrachtet, macht deutlich, wie verworren die aktuelle Situation ist. Endgültige Wahrheiten scheint es in dem Geflecht aus Empfindungen nicht mehr zu geben.
Gegen die „Wir-und-ihr-Haltung“
Um der Spaltung des Landes etwas entgegenzusetzen, müsse man die „Wir-und-ihr-Haltung” auflösen, sagt Christoph Amend. „Schon immer sind unterschiedliche Menschen aufeinandergetroffen, wodurch sich Religionen, Meinungen und Kulturen durchmischt haben. Das Mischen ist jetzt unsere Aufgabe.” Wenn wir als Gesellschaft vorankommen wollen, müssen wir mit denen in Kontakt kommen, die andere Werte vertreten als wir selbst. So lauten die abschließenden Worte des Vaters im Buch: „Die Gespräche, die wir führen, die führen viele nicht. Dabei sind sie wichtig, auch wenn man nicht einer Meinung ist.”
Nur wie nähern sich die Menschen an? Wodurch können sich Meinungen um 180 Grad ändern? Und was soll man gegen den Hass unternehmen?
Für sein Buch und den gleichnamigen Podcast „Hundertachtzig Grad – Geschichten gegen den Hass” wollte Bastian Berbner herausfinden, was man gegen das Auseinanderdriften der Gesellschaft tun kann. Er erzählt unter anderem vom Rentner*innenehepaar Hermes, das keine Muslim*innen und Roma mag. In ihrer Hamburger Reihenhaussiedlung ziehen hunderte geflüchtete Menschen ein und so kommt es, dass die beiden ihre neuen Nachbar*innen ins Herz schließen. Dann berichtet Bastian Berbner von einem Neonazi und einem Punker aus Wismar, die einander zuerst verprügelt und später geholfen haben.
Bastian Berbner sagt: „Die Spaltung der Gesellschaft geht mittlerweile so tief, dass die Menschen nicht nur aufgehört haben, miteinander zu sprechen, sondern gar nicht mehr verstehen, wer und wie die anderen sind.” Denn: „Die Vorurteile kultivieren sich schnell innerhalb der eigenen Blase.” Im direkten Kontakt aber würden den Menschen die Feindbilder mit all ihren Etiketten vom Leib gerissen. In der Sozialwissenschaft bezeichnet man dieses Phänomen als Kontakt-Hypothese. Das ausländer*innenfeindliche Ehepaar Hermes war plötzlich gezwungen, die neuen Nachbar*innen kennenzulernen und verstand sie dadurch besser. Verständnis für die Gegenseite sei der erste Schritt, sagt Bastian Berbner. Schon kleine Gemeinsamkeiten würden ausreichen, um eine vereinende Basis zu schaffen und Vorurteile zu brechen.
Der Nazi und der Linke hingegen haben viel Zeit außerhalb ihrer gewohnten Umgebung, außerhalb ihres sozialpolitischen Kontextes verbracht. Ein Weltenbummler aus Wismar hatte die Idee, sie mit nach Afrika in die Wüste zu nehmen. Sowas wie ein „Abenteuerurlaub für schwer erziehbare Jugendliche”, wie es im Podcast heißt. „Dann ist einer krank geworden und der andere hat seinen Rucksack getragen. In Extremsituationen sieht man nicht den politischen Feind, sondern nur einen Menschen, dem es schlecht geht”, sagt Bastian Berbner. Die allermeisten würden hier Empathie zeigen. Bei dem Linken hat diese Erfahrung zur Entradikalisierung geführt und dazu, dass er heute nicht mehr in Schwarz-Weiß-Schablonen denkt.
Der Linke, der Thomas Wahnig heißt, kann sich diese Einstellung allerdings auch leisten, weil zwar seine politische Meinung angegriffen wird, jedoch nicht seine Existenz. Für Menschen, die aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Herkunft von Rechtsradikalen bedroht werden, wäre es wohl eher abwegig, sich einem Nazi anzunähern. Der Hass ist hier also einseitig und kommt von rechts. Doch es läuft nicht immer wie im Fall von Thomas Wahnig. Das sogenannte „Subtyping” sorge manchmal dafür, dass Stereotype bestehen bleiben, sagt Bastian Berbner. „Es ist Teil der menschlichen Natur, seine Einstellung nicht sofort ändern zu wollen. Also machen wir Ausnahmen. Wenn wir jemanden nett finden, heißt das nicht automatisch, dass wir die gesamte Gruppierung mögen. Das würde uns aus unserem sozialen Umfeld ausschließen und unser Weltbild ins Wanken bringen.” Sven Krüger, der Nazi, hat seine politische Haltung nicht infrage gestellt, obwohl er sich in der Wüste gut mit einem Afrikaner verstanden hat. Und das Ehepaar Hermes hat noch immer extreme Vorurteile gegenüber Roma, ihre Nachbarn sind für sie ein Einzelfall.
Weniger Vorurteile, weniger Wut
Pauschal kann also niemand sagen, in welchen Fällen das Kennenlernen eine wirkliche Veränderung bewirkt. Aber im Podcast fällt einmal der Satz: „Wenn Menschen sich treffen, dann passiert etwas.” Was? Bastian Berbner sagt: „Sie stellen in den allermeisten Fällen fest, dass sie trotz gegensätzlicher Positionen in einigen Punkten gar nicht so unterschiedlicher Meinung sind.” Man erkenne Details, die aus der Ferne nicht sichtbar seien. „Das heißt nicht, dass sich alle anfreunden, aber die Vorurteile werden zumindest weniger. Und das verringert die Wut.”
Persönlicher Kontakt wäre demnach das Mittel gegen den Hass. Als Journalist ist es Bastian Berbners Job, empathisch auf Andersdenkende zuzugehen, die anderen kennenzulernen und sie erklären zu lassen. Nur wie kann man es schaffen, dass sich ganz Deutschland wieder annähert? Früher sei sowas durch staatliche Maßnahmen wie die Wehrpflicht oder den Zivildienst geschehen, sagt Bastian Berbner. Bei der Recherche ist er auf etwas Vergleichbares gestoßen: In Botswana gab es früher einen verpflichtenden Zivildienst für Frauen und Männer. Sie mussten in eine andere Region gehen, durften das Land aber nicht verlassen. „Das hat unter anderem dazu geführt, dass die Stammesmentalitäten zurückgedrängt wurden und eine nationale Identität entstanden ist”, sagt Bastian Berbner.
Wie kann in Deutschland Annäherung gelingen?
Ein Bekannter hat kürzlich von einer Idee erzählt: Am liebsten würde er in jedes Dorf für ein paar Monate mindestens eine*n Großstädter*in schicken, dafür kommen einige vom Land in die Stadt. Ein Austauschprogramm innerhalb Deutschlands. Die Mehrheit der Deutschen verlässt ihr soziales Milieu nämlich eher selten. Wir leben in jenem Dorf, in jener Kleinstadt, in dem Stadtteil, in dem wir uns wohlfühlen und umgeben uns überwiegend mit den Leuten, die so sind wie wir selbst. Was wäre nun, wenn man weiterdenkt und Menschen jeden Alters, aus unterschiedlichen sozialen Schichten, mit und ohne Migrationshintergrund, mit kontroversen politischen Meinungen, abweichendem Bildungshintergrund und sexueller Orientierung erstmal durch eine Veranstaltung zusammenbringt? Wenn Bürgermeister*innen dazu verpflichtet wären, solche Treffen für ihre Stadt oder Gemeinde anzubieten; von der lokalen Ebene könnte man das noch ausweiten, auf verschiedene Orte, Städte und Bundesländer. Ost, West, Nord, Süd. Auch wenn es solche Bürger*innendialoge im Kleinen schon gibt – groß gedacht ist so ein Austausch bisher noch Utopie.
Aber dann würden vielleicht wirklich alle miteinander reden, so wie Jana Simon es sich vorstellt. Womöglich ist es auch das, was Christoph Amend mit dem „Mischen” der Gesellschaft meint. Und laut Bastian Berbner könnte es funktionieren, denn sobald die anderen nicht mehr fremd sind, werden gegenseitige Vorbehalte weniger und die Spaltung kleiner. So wird aus Hass zwar nicht gleich Freundschaft, aber Annäherung wäre ja auch schon ein großer Schritt.