Der Pixar-Kurzfilm Purl zeigt, wie schwierig es für Frauen ist, sich in einer von Männern dominierten Berufswelt durchzusetzen.
Pixar thematisiert Sexismus am Arbeitsplatz
Eine Etage in der fiktiven Investment-Firma B.R.O. Capitals: Auf den Fluren laufen ausschließlich Männer in Anzügen herum, eine Frau ist weit und breit nicht zu sehen. Ein weiterer Anzugträger spricht im Aufzug mit einem Neuen: „Ihr Lebenslauf war bei Weitem der beeindruckendste. Ich bin mir sicher, dass Sie gut hier reinpassen werden“, begrüßt er die Person, gerät dann jedoch ins Stocken. Denn es fängt nicht etwa ein weiterer Mann im schwarzen Anzug seine Karriere in der Firma an: Im Aufzug steht ein pinkes Wollknäuel namens Purl und freut sich schon darauf, ein Teil der B.R.O. Capitals zu sein. So führt Regisseurin Kristen Lester die Zuschauer*innen in ihren knapp achtminütigen Pixar-Animationsfilm Purl ein. Der Film macht darauf aufmerksam, wie es ist, in einem von Männern dominierten Unternehmen zu arbeiten.
Purl wirkt freundlich, aufgeschlossen, ein wenig aufgeregt, begrüßt die anderen Kollegen herzlich und bezieht frohen Mutes seinen neuen Schreibtisch, der umgehend mit allerhand Dekoration versehen wird. Die anwesenden Männer tauschen irritierte Blicke aus, skeptisch tuscheln sie über Purl. Es wird deutlich: Wollknäuel Purl, das im gleichnamigen Kurzfilm offenbar für das Weibliche steht, wird von den Männern nicht ernstgenommen, belächelt und übergangen.
„Du bist zu soft!“
Das zeigt sich unter anderem, als Purl laut in das Gelächter über einen ziemlich unlustigen Witz eines Kollegen einstimmt. Als es dann selbst einen Witz zum Besten gibt, zwingen sich die Kollegen nicht mal zu einem Lachen. Auch im Firmenmeeting wird Purl übergangen, niemand hört dem pinken Wollknäuel zu. Und als es einen konstruktiven Lösungsvorschlag macht, muss es sich von den anderen anhören: „Du bist zu soft, wir müssen aggressiv sein!“ Beim anschließenden Lunch wird Purl auch nicht bedacht und bleibt allein im Büro zurück.
Purl ist traurig, fühlt sich nicht ernstgenommen und fehl am Platz. Doch plötzlich hat es eine Idee: Es verschwindet auf die Toilette und strickt sich kurzerhand einen Anzug. Die Kollegen staunen nicht schlecht, als sie aus der Mittagspause zurückkommen. Purl gibt sich nun betont hart und männlich, macht ebenfalls unlustige Witze, brüllt bei dem nächsten Meeting wild umher – und erntet dafür viel Zustimmung. Dank der neuen Attitüde wird Purl auch zu After-Work-Drinks eingeladen und als gleichwertiges Mitglied des Kollegiums angesehen.
Das geht so lange gut, bis ein gelbes Wollknäuel die Firma betritt: Es heißt Lacey und freut sich wahnsinnig darüber, in der Firma anzufangen. Purl, das sich noch immer betont männlich gibt, hält für einen Moment lang inne, fühlt sich an sich selbst erinnert, gibt sich einen Ruck, begrüßt Lacey herzlich und integriert das gelbe Wollknäuel in die Firma. Einige Zeit später kehren die Zuschauer*innen in die Firma zurück – und siehe da: Nun arbeiten Männer, Frauen, Wollknäuel und Co gemeinsam, Hand in Hand – ohne dass irgendjemand befürchten muss, nicht akzeptiert zu werden.
Ein Stück Hoffnung
In einem Interview erklärt die Purl-Autorin und Regisseurin Kristen Lester, die Idee zu dem Kurzfilm beruhe auf ihren eigenen Berufserfahrungen. „Bei meinem ersten Job war ich die einzige Frau im ganzen Büro. Und um das tun zu können, was ich liebe, wurde ich irgendwie einer von den Typen dort“, erklärt sie. Erst als sie zusammen mit anderen Frauen in einem Team arbeitete, habe sie verstanden, dass sie Teile ihrer Persönlichkeit versteckt und zurückgelassen habe, erinnert sich Kristen. Purl macht Mut, im Job so zu sein, wie man ist.
Der Originaltext von Ole Siebrecht ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.
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