Wenn mein Atem immer schwerer wird und meine Brust immer enger, dann weiß ich, es ist wieder soweit: Die Angst kommt angekrochen und wird mich einnehmen. Woher kommen Panikattacken?
Ich atme tief ein und aus, versuche meinen Rücken zu lockern und meinen Brustkorb so groß wie möglich zu machen, doch die Enge geht nicht weg. Das erste Mal dachte ich, ich hätte Atemwegsprobleme oder etwas mit meiner Lunge. Beim zweiten Mal dachte ich, ich sollte mal zum*r Ärzt*in gehen und mein Herz untersuchen lassen. Ich ging nie zum Arzt, bis ich vermehrt auch auf Autofahrten immer häufiger völlig verzweifelt auf einer Raststätte anhalten musste und nicht verstehen konnte, wieso ich ganz plötzlich nicht mehr richtig durchatmen konnte.
Ich hatte zu dieser Zeit von außen betrachtet keinen besonderen Stress. Während meines Studiums oder verschiedener Praktika vorher war es schon einmal deutlich stressiger gewesen. Meinen Master hatte ich soeben erfolgreich beendet, mich sollte ein neuer Lebensabschnitt mit Job und neuer Umgebung erwarten, aber das war ich von den letzten Jahren nicht anders gewohnt. Mir ging es gut, meine Familie war stolz auf meinen schnellen Abschluss und meine Entscheidung, direkt einen Job anzutreten. Meine Freund*innen lebten sowieso überall verteilt, von daher sollte sich, durch meinen Umzug von München nach Berlin, nicht großartig etwas ändern.
Meine Psyche und mein Körper sahen das anscheinend anders. Ich, die immer so stark erschien, die selten krank wurde und vieles ohne zu Jammern meistern konnte, sollte lernen, dass man Stress langfristig nicht unterdrücken kann.
Tief durchatmen? Hilft nicht immer
Als die Enge in meiner Brust immer häufiger auftauchte, ich mich immer unausgeglichener fühlte und schließlich auch noch einen Ausschlag am Bein bekam, ging ich schließlich zu meinem Arzt. „Haben Sie aktuell viel Stress?”, war die erste Frage, die der Arzt nach einem kurzen Blick auf meinen Ausschlag und nach meinen Schilderungen stellte. Ich überlegte etwas länger und antwortete schließlich, dass ich schon bedeutend mehr Stress in meinem Leben gehabt hatte und gerade nur einiges für meinen Umzug erledigen müsste. Also, nein, mehr Stress als üblich hätte ich nun wirklich nicht.
Die Symptome, so mein Arzt, wären allerdings eindeutig auf Stress zurückzuführen und würden sich ohne absolute Ruhe und Entspannung noch verschlimmern, da der Ausschlag ein Zeichen meines sehr geschwächten Immunsystems sei. Ich begriff nur langsam was mir mein Arzt da sagte. Ich, die Vormittags in die Uni raste, danach noch schnell zum Sport ging, Abends noch an einer Hausarbeit schrieb, um danach bis zum Morgengrauen mit Freunden feiern zu gehen, sollte Panikattacken und ein geschwächtes Immunsystem durch zu viel Stress haben?
Ich hatte doch immer funktioniert …
Mein Umfeld war überrascht oder sogar geschockt. Viele verstanden nicht, wie ausgerechnet ich solche Probleme bekommen konnte. Sie waren sich tatsächlich nicht sicher, ob ich mir das vielleicht nur einbilden würde. Heute weiß ich, dass Panikattacken nicht aus rationalen Gründen entstehen und die aufkeimende Angst häufig unbegründet ist. Aber um das zu verstehen, musste ich zunächst einmal lernen, damit umzugehen. Für mich war erst einmal klar, ich musste etwas ändern.
Ich las einige Artikel über Panikattacken, setzte mich mit Stressfallen in meinem Alltag auseinander und versuchte zu verstehen, wie ich mit 23 in solch eine Spirale der unterbewussten Unruhe und Angst hinein geraten sein konnte. Mein Umfeld versuchte mich so gut es ging zu unterstützen, aber mir war klar, ich musste etwas an meiner Denkweise an, meiner Art und Weise, wie ich an bestimmte Dinge heran ging, ändern. So fing ich an täglich zu Meditieren. Auch wenn ich es tatsächlich häufig nur jeden zweiten Tag für gerade einmal zehn Minuten schaffte, merkte ich schnell, dass ich meinen Atem kontrollieren konnte. Ich ging mehr an die frische Luft und versuchte mich viel mit meiner Familie und Freund*innen telefonisch auszutauschen, falls ich mal wieder Ängste verspürte. Ängste über die Zukunft, Ängste über das Jetzt oder Ängste um mein Umfeld.
Mich und meine Ängste kennenlernen
Besonders am Anfang ist es mir schwer gefallen, innerlich ruhig zu bleiben, wenn ich wieder diese aufkeimende Enge spürte. Mit der Zeit habe ich jedoch gelernt, tief in meinen Bauch zu atmen und nicht über die Lungen, wodurch sich der Körper noch mehr verspannt, sobald die Panik in meinem Brustbereich herannaht. Fällt die Decke mir mal wieder auf meinen Kopf, rufe ich meine Freund*innen oder meine Familie an und versuche mich auf deren Stimme zu fokussieren. So habe ich gelernt, dass ich dem Stress in meinem Leben und Umfeld nicht komplett ausweichen kann, aber die Art und Weise wie ich über Dinge denke oder an diese herangehe bewusst steuern kann.
Das was mich, immer wieder überrascht, ist, dass mein Umfeld nie wirklich etwas wahrgenommen hat. Von außen wirkte ich auf alle als die strahlende und unerschütterliche Frau, die alles ganz einfach meistert. Doch die Enge war in mir und damit musste ich alleine klar kommen. Die Hilfe von meinem Umfeld bekam ich nur auf Anfrage, weil vielen nicht bewusst ist, dass auch die Stärksten Ängste haben können, die sich aber nicht unbedingt äußerlich zeigen. Für mich war der erste Schritt meine Ängste unter Kontrolle zu bekommen, andere daran teilhaben zu lassen, wie sich so etwas anfühlen kann.
Mir ist mit der Zeit klar geworden, dass ich die Enge in meiner Brust bewusst steuern kann und mein Gedankenkarussel viel dazu beigetragen hat, meinen Körper in einen kontinuierlichen Stressstrudel zu bringen. Heute kommt die Angst nur noch selten. Manchmal ganz plötzlich und manchmal ganz leise. Aber ich habe das Glück, dass ich mir in diesen Situationen alleine helfen kann (das ist nicht bei jeder Person so) Ich kann mir dann sagen: „Don’t Panic, die Angst wird dich gleich wieder verlassen.” Dieser Gedanke allein hilft häufig schon, denn dann wird mir bewusst, dass ich nicht eine Gefangene in meinem eigenen Körper bin, sondern Kontrolle über meine Ängste ausüben kann.
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