Seit 2016 gibt es die verpflichtende Quote für börsennotierte Unternehmen zu 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten. Aber was bewirkt das strukturell? Und wie sieht es in den Vorständen aus? Ein neuer Bericht zeigt: Ein Umdenken ist ausgeblieben – Thomas befördert weiterhin Thomas.
Geschlecht über Erfahrung
Als die Frauenquote vor drei Jahren für börsennotierte Unternehmen eingeführt wurde, wunderte ich mich. Wieso sollte das notwendig sein, wenn doch meine Qualifikationen für mich sprechen, wenn ich doch mit meinen Fähigkeiten überzeugen und alles erreichen kann? Und auch ein weiterer Gedanke trieb mich um: Wird man so nicht nur belächelt und abgestempelt als die Frau für die Quote, die nur aufsteigt, weil es diese gibt und nicht, weil sie was drauf hat? Heute weiß ich, dass das naiv war. Und dass es für eine Bewertung einer Quote notwendig ist, dass man sich mit den gängigen Beförderungsmechanismen auseinandersetzt.
Dafür lohnt ein Blick in den neuen Bericht der All Bright Stiftung „Die Macht hinter den Kulissen: Warum Aufsichtsräte keine Frauen in die Vorstände bringen”. Der Bericht untersucht 160 Unternehmen in Deutschland und vergleicht die Entwicklung der Frauen in Aufsichtsräten über die letzten drei Jahre. Er zeigt, dass sich der Ausbildungsweg von Frauen und Männern in Aufsichtsräten kaum unterscheidet. So studierten sie alle größtenteils in München, gleich viele Männer wie Frauen haben einen Professor*innen-Titel und über die Hälfte hat Jura oder Wirtschaftswissenschaften studiert. Diversität, das zeigen die Lebensläufe, sind also nicht nur in der Frage nach dem Geschlecht ein großes Defizit in diesen Positionen – es fehlt auf breiter Ebene an Vielfältigkeit.
Aber wie kann das sein, wieso fehlt es an den Frauen, selbst an jenen, die einen nahezu identischen Lebenslauf hatten? Dahinter steckt letztlich ein ziemlich simples System: Thomas befördert Thomas. Klingt einfach und ist auch einfach – zumindest für Personaler*innen und Headhunter*innen, denn sie präsentieren damit sichere Kandidaten, an denen sich die Führungsetage nicht reiben wird, weil sie sich nahtlos eingliedern. Was leicht absurd und vielleicht fast wie eine Theorie von Frauen klingen mag, die sich über ihre ausbleibende Beförderung ärgern, bestätigt sich tatsächlich in der Praxis: Die häufigsten Namen in deutschen Aufsichtsräten sind Michael, Thomas und Stephan. Die häufigsten Namen bei Vorstandsvorsitzenden sind Thomas und Stephan. Und siehe da: die häufigsten Namen in Vorständen sind Thomas mit 30 Prozent und Michael mit 29 Prozent. Interessanter „Zufall“. Ist es natürlich nicht, man reproduziert sich einfach selbst.
Selbstgespräche in der Chefetage
Was das auch weiter fördert ist, dass die Quote lediglich zu 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten, aber nicht in Vorständen verpflichtet. Unternehmen können sich dem ganz einfach entziehen und sich eine „Zielgröße Null” in Vorständen zum Ziel setzen – bloß nicht zu viel vornehmen. Was mehrere Unternehmen tatsächlich machen. Das ist aber nicht nur bitter, sondern schadet sowohl den Karrieren der Frauen als auch den Unternehmen selbst. Zu wichtigen Veränderungen und neuen Impulsen kommt man bekanntlich besser durch den Austausch mit unterschiedlichen Menschen, die unterschiedliche Perspektiven mitbringen – und nicht durch Selbstgespräche.
Was ist also die Lösung? Wenn Männer unter sich ein Netzwerk bilden und sich bevorzugen, dann sollten wir es auch einfach tun. Frauen fördern Frauen – kein Problem. Wobei doch, eigentlich schon. Denn wo es keine Frauen gibt, können sie sich auch nicht gegenseitig fördern. In deutschen Vorständen sind Frauen lediglich mit 8,8 Prozent vertreten und das nur in 20 von 160 börsennotierten Unternehmen. Und selbst Aufsichtsräte mit Frauenanteil befördern nur vier Prozent mehr Frauen als rein männliche Aufsichtsräte. Liegt das daran, dass die vorhandenen Frauen bei Personalentscheidungen überstimmt oder nicht ernst genommen werden? Oder reproduzieren auch Frauen die Strukturen, die sie kennen, um darin zu bestehen – oder weil sie es eben so gelernt haben? Wer weiß. Und ganz generell ist ja auch nicht gesagt, dass Frauen zwingend Frauen befördern müssen. Es muss immer darum gehen, dass die*der beste Kandidat*in ausgesucht wird und zwar unabhängig vom Geschlecht. Aber dafür braucht es gute Auswahl-Instrumente, die über Netzwerke und Intuition hinausgehen. Und die bisher sehr homogene Gruppe der*die Auserwählten zeigt: Noch scheint es sie mehrheitlich nicht zu geben.
Es darf sich nicht nur etwas auf dem Papier ändern
In dem Bericht von All Bright werden auch Maßnahmen vorgeschlagen, die Unternehmen ergreifen können, um den Frauenanteil zu steigern. Zum Beispiel darf keiner Zielgröße von Null zugestimmt werden oder Voting-Guidelines, das heißt Vorgaben, die bei Hauptversammlungen beschlossen und eingehalten werden müssen, sollen einen Frauenanteil festlegen. Alles Ansätze, die erst einmal gut klingen, aber nur dann wirklich helfen, wenn sie tatsächlich eingehalten werden müssen und das Ganze nicht wieder lediglich als Empfehlung rausgegeben wird.
Von den Ansätzen abgesehen fehlt aber doch vor allem eine Änderung auf gesellschaftlicher Ebene. Ich weigere mich, mich von dem Gedanken zu verabschieden, dass ich nicht aufgrund meiner Qualifikationen eingestellt werde – denn genauso muss die Zukunft doch aussehen. Dafür müssen Aufsichtsrät*innen umdenken. Sie müssen diverse Teams bilden, die sich auch nicht nur an ausgeglichene Geschlechterverhältnissen messen lassen können. Dafür muss man sich im ersten Schritt den Hang dazu, immer sich ähnliche Personen einzustellen, bewusst machen – und dann neue Wege finden. Denn eines muss klar werden: Ein bunt gemischtes Team von Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Alter, Geschlechtern, Hintergründen bringen mehr Erfolg. So könnte man sich einen Schritt hin zu einer gleichberechtigteren Arbeitswelt bewegen. Weniger Thomas’, Michaels und Stephans und mehr Petras, Fatmas, aber auch Josés und Numanas, die es es doch ganz genauso drauf haben. Man muss ihnen nur Platz machen.