Immer mehr Menschen leiden unter chronischem Stress, der manchmal so weit geht, dass sie nicht mehr arbeiten können. Wie können Unternehmen vorbeugen? Markus Beyer sagt: Hunde im Büro sind die Lösung. Ist da etwas dran?
Hunde machen glücklich
Wer einen Hund besitzt, lässt ihn ungern den ganzen Tag allein Zuhause – denn den Tieren fehlt dann das menschliche Rudel. Doch dass Kollegen ihr Haustier mit an den Arbeitsplatz nehmen, ist in den meisten Unternehmen die Ausnahme. Ein Kaktus ja, ein Hund unter dem Schreibtisch eher nicht.
Markus Beyer hat einen Verein gegründet, der Lobbyarbeit dafür macht, dass Unternehmen sich für die tierischen Freunde ihrer Angestellten öffnen. Der Verein Bürohund e.V. argumentiert dabei mit einem Thema, das Firmen, Krankenkassen und der Politik immer größere Sorge bereitet: Burnout. Was das mit Hunden zu tun hat? Ihre Anwesenheit soll stressreduzierend auf Menschen wirken. Wir haben mit Markus Beyer darüber gesprochen, was für den Hund als Teammitglied spricht und wie man ihn am besten in die Bürogemeinschaft aufnimmt. Auf dem Bild seht ihr ihn mit seinem Hund Chester.
Unternehmen zerbrechen sich den Kopf darüber, wie sie gestressten Mitarbeitern helfen können. Sie sagen: Hunde im Büro sind die Lösung. Tatsächlich?
„Dieser Gedanke mag sicher für den einen oder anderen auf den ersten Blick erstaunlich klingen. Ein genaueres Hinschauen lohnt sich allerdings. Ein Hund im Büro ist tatsächlich eine mögliche Lösung, um die Risiken von Stress, und vor allem dem gesundheitsgefährdenden Dauerstress, zu reduzieren. Hunde werden bereits seit vielen Jahren in unterschiedlichen Bereichen erfolgreich therapeutisch eingesetzt. Man weiß heute, dass bei einer positiven Begegnung zwischen Hund und Mensch bei beiden Spezies das Feel-Good-Hormon Oxytocin freigesetzt wird. Dieses Hormon ist in vielen Fällen die Basis des therapeutischen Erfolgs.“
Ist es wissenschaftlich belegt, dass Bürotiere bei der Burnout-Prävention helfen?
„Zu Bürotieren im Allgemeinen kann ich nichts sagen. Die positive Wirkung eines Hundes im Büro ist bereits vor vier Jahren von der Virginia Commonwealth University durch den Management-Professor Randolph T. Barker nachgewiesen worden. Professor Barker hat in seiner Untersuchung das Stresslevel von drei unterschiedlichen Mitarbeitergruppen untersucht. Die Gruppe, die ihren Hund während der Arbeitszeit mit im Büro hatte, lag im Gesamtverlauf des Tages immer deutlich unter den Gruppen ohne Hund.“
Warum ist das so?
„Das liegt am schon eben erwähnten Oxytocin, das Menschen entspannen kann. Die schwedische Wissenschaftlerin Dr. Linda Handlin hat dieses Thema in ihrer Doktorarbeit „Human-Human and Human-Animal Interaction“ im Jahr 2010 erstmals untersucht. Sie verglich einerseits die Produktion von Oxytocin im Blut von Frauen, die gerade ihr Kind bekommen hatten mit andererseits Menschen, die ihren Hund streichelten. Als Ergebnis konnte sie nachweisen, dass die Hormonentwicklung in beiden Vergleichsgruppen nahezu gleichwertig war. Mit anderen Worten: Wir Hundemenschen reagieren biochemisch auf unseren Hund, als ob wir ein menschliches Kind hätten. Wir lieben. Das allein ist ja schon spannend genug. Dr. Handlin untersuchte in der Studie auch die Hormonproduktion im Körper des Hundes. Ergebnis: Auch beim Hund konnte sie eine Erhöhung des Hormons nachweisen.“
Ist das Hormon der entscheidende Faktor?
„Nun, das Oxytocin ist ein wesentlicher Schlüssel. Das Hormon senkt linear die
Stresshormone Insulin und Cortisol im Blut. Es gilt als sozio- emotionaler
Schalter bei fast allen mehrzelligen Tierarten, vom Borstenwurm bis zum Homo
Sapiens. Es macht emphatischer, also empfänglicher für die Sichtweise des Anderen
und vermindert körperliche und psychische Erkrankungsrisiken. Innerhalb des Büros führt es zu einem angenehmeren menschlichen Umgang, damit zu einem besseren Betriebsklima und einem geringeren krankheitsbedingten Ausfall der Mitarbeiter.“
Mit welchen Techniken kann man Stress am Arbeitsplatz weiter reduzieren?
„Wir denken in unserer Arbeitswelt in der Regel nicht mehr über die Balance zwischen Anspannung und Entspannung nach. Oft sind wir nur noch funktionierende Maschinen, die ohne Unterlass die gestellten Aufgaben abarbeiten. Der Körper befindet sich bei vielen Menschen dabei im Alarmmodus. Ein möglicher Weg, um aus Stress keinen Dauerstress werden zu lassen, ist die Unterbrechung der jeweiligen Tätigkeit. Damit bieten wir unserem Gehirn neue Eindrücke und verhindern die Überlastung von einzelnen Schaltkreisen. Ein Hund kann für diese gesundheitsfördernde Unterbrechung sorgen. Zum Beispiel dann, wenn man mit dem Hund an die frische Luft geht – und auch wirklich das Büro für eine Pause verlässt. Die psychischen und körperlichen Vorteile von Bewegung sind mittlerweile im gesellschaftlichen Allgemeinwissen fest verankert. Jeder von uns weiß, dass fehlende körperliche Aktivitäten die Risiken für einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder auch Diabetes erhöhen. Massenstudien haben
festgestellt, dass bereits eine Stunde Bewegung pro Tag das Leben um etwa ein Jahr
verlängern kann. Ein Hund sorgt vor, während und nach dem Büro, für mehr als
eine Stunde Bewegung täglich. Als angenehmer Nebeneffekt kommt man mit einem
Hund deutlich einfacher in Kontakt mit anderen Menschen. Die Gefahr einer
möglichen sozialen Vereinsamung wird dadurch minimiert.“
Jemand, der wenig Erfahrungen mit Hunden hat, wird zunächst sicherlich sagen: Ein Hund stört. Wie verhält sich denn ein Hund im Büro?
„Diese Reaktion ist sehr menschlich und begegnet uns bei Gesprächen häufig. In
Ihrer Frage steckt aber auch schon die Antwort. Sehr oft sind es fehlende eigene
und reale Erfahrungen, die zu bestimmten verallgemeinernden Vorstellungen
führen. Wir nennen das das ,alte Denken‘. Hilfreich, um sich an dieser Stelle gedanklich zu updaten, sind Gespräche mit Menschen, die bereits einen Bürohund haben.“
Wichtig: Der Hund muss sich im Büro wohlfühlen. (Bild: Henry Majoros – Unsplash)
Ist denn jeder Hund als Bürohund geeignet?
„Nein. Hunde, die sich unwohl und möglicherweise gestresst in der Büroumgebung fühlen, sollten entweder erst nach Vorbereitung oder gar nicht dieser Situation ausgesetzt werden. Ein Hund ist ein lebendes Wesen und als solches ausnahmslos durch uns Menschen zu respektieren und zu schützen. Zum Respekt gehört unter anderem auch, dass wir für die gesunde körperliche und seelische Verfassung verantwortlich sind. Der Hund im Büro ist nicht Mittel zum Zweck, sondern Teammitglied.
Stresssignale beim Hund sind beispielsweise ein andauerndes Bellen, die ,Verteidigung‘ des Büroraumes gegen vermeidliche Eindringlinge, oder die wiederkehrende
körpersprachlich Aufforderung an den Hundehalter, diese Situation schnellstens zu verlassen.“
Und wenn es Mitarbeiter gibt, die vor Hunden Angst haben?
„Diese Mitarbeiter sind zu schützen. Zum einen durch eine klare Vereinbarung,
dass der Hund nicht ohne Zustimmung der Kollegen in öffentlichen Bereichen frei
herumläuft und erst nach Erlaubnis Kontakt aufnehmen darf, zum anderen – wenn
es baulich möglich ist – durch einen hundefreien Bürobereich. Aus unseren Erfahrungen kann ich allerdings berichten, dass bei einer großen Zahl von Menschen, die im Vorfeld Angst vor Hunden hatten, diese Angst durch die positiven Erfahrungen mit dem Bürohund abgebaut werden konnte.“
Sie sagen: Hunde wirken sich positiv auf das Unternehmen aus. Warum kommen dann Betriebe nicht von allein auf die Idee und es braucht ihren Verein, um die Idee bekannter zu machen?
„Aus meiner Sicht gibt es zwei wesentliche Gründe. Zum einen war die positive Wirkung von Hunden auf Menschen bisher oft nur Experten oder interessierten Hundehaltern bekannt. Hier schaffen wir jetzt mehr Öffentlichkeit. Zum anderen sind Arbeitgeber geneigt, den kleinsten gemeinsamen Nenner bei Vereinbarungen für die Mitarbeiter zu suchen. ,Bitte nur kein Aufruhr bei Mitarbeitern‘, lautet oft die Devise des Handelns. Aus Erzählungen weiß ich, dass beispielsweise allein die Genehmigung zum Aufstellen von Zimmerpflanzen im Büro in manchen Betrieben zu einer vor schier unlösbare Aufgabe wurde und vorsichtshalber verboten wurde. Als Verband haben wir da noch dicke Bretter zu bohren. Aber unsere Arbeit zeigt Wirkung. In der ersten Zeit wurden wir vornehmlich von Mitarbeitern kontaktiert, die Hunde in das Büro mitnehmen wollten. Seit etwa sechs Monaten rufen uns immer mehr Arbeitgeber an, um sich bei der Einführung eines Bürohundes beraten zu lassen.“
In welchen Unternehmen sind Hunde denn schon erlaubt?
„Bei den großen weltweiten Flaggschiffen sind sicher Google und Amazon in den
Vereinigten Staaten zu nennen. Beide Unternehmen verfügen über eine sogenannte
Dog-Policy, in der der Umgang mit dem Bürohund genau definiert wird. Einige
sehr bekannte Firmen in Deutschland sind in Kontakt mit uns und prüfen die
Zulassung von Bürohunden. Ich gehe davon aus, dass wir zukünftig mit
interessanten Meldungen öffentlich werden können. Neben zahllosen mittelständischen Unternehmen und Kleinunternehmen hier in Deutschland, möchte ich die
Mars-Holding in Verden herausheben. Das Unternehmen ist einer der Vorreiter auf
dem Gebiet und lässt Hunde auch im Großraumbüro zu.“
Was muss ich Chef beachten, wenn ich Hunde im Büro erlaube?
„Ich sollte zunächst meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Personalvertretung über die Vorteile eines Bürohundes informieren. Gesünder, zufriedener, entspannter und emphatischer. Und ich muss die Mitarbeiter mitnehmen. Also nicht nur so tun als ob, sondern wirklich und ehrlich auf die möglichen Sorgen oder Erwartungen eingehen und gemeinsame Wege speziell für mein Unternehmen und meine Mitarbeiter finden.
Gerade für stark belastete Kollegen ist jede Neuerung innerhalb ihrer Arbeitsumgebung
und -abläufe eine starke Belastung und die Ablehnung eher zu erwarten als die
Zustimmung.
Dann muss ich aus den Ergebnissen der Mitarbeitergespräche heraus eine für alle
gültige schriftliche Vereinbarung erstellen. Dabei kann ich Bezug auf die
genehmigte Tierart, die Freiräume und Einschränkungen der zugelassenen Hunde
oder zum allgemeinen Umgang zwischen Mensch und Hund nehmen.“
Dieser Blick sagt: „Nimm mich mit.“ (Bild: Pixabay)
Ist es für Hunde denn besser, mit im Büro zu sein, als zu Hause zu bleiben?
„Hunde sind wie wir Menschen soziale Wesen. Man weiß heute, dass ein Hund seine
menschliche Familie, Zuneigung, Aufmerksamkeit und Nähe für sein Glück braucht.
Einsamkeit oder lange Trennungen machen einen Hund unglücklich und anfällig für
Krankheiten. Bei der Frage, ob allein zu Hause oder im Büro, muss die Antwort
heißen: immer besser unter adäquaten Bedingungen im Büro, als allein zurückgelassen.“
Ist es denn überhaupt empfehlenswert, einen Hund zu halten, wenn man viel arbeitet? Ist das nicht Stress für das Tier?
„Wer noch keinen Hund in seinem Leben hat, ihn nicht mit zur Arbeit nehmen könnte
und ihn allein zu Hause lassen müsste, sollte sich in dieser Situation verantwortungsbewusst nicht für einen Hund entscheiden. Wenn der Arbeitgeber allerdings verbindlich die Mitnahme des Hundes – unter vorher festgelegten Regeln – gestattet hat, sehen wir sogar eine echte Chance auch für Tierheimhunde. In jedem Fall sollte hier zur Vorbereitung sowohl des Halters als auch des Hundes ein Hundetrainer hinzugezogen werden.“
Können Sie Hunden beibringen, sich mit Katzen zu verstehen, wenn jemand eine Bürokatze hat?
„Das Sozialverhalten und auch die Art der Kommunikation von Katzen und Hunden
sind unterschiedlich. Bei Hunden und Katzen, die von Kindheit an das gemeinsame
Leben erlernt haben, spricht eine Menge für ein gutes Verhältnis. In anderen
Fällen kommt es individuell auf jeden Hund und jede Katze an.“
Sie veröffentlichen auf ihrer Website Stellenangebote von Jobs, bei denen bereits klar ist, dass Hunde mitgebracht werden können. Ist die Nachfrage nach diesen Jobs da?
„Wir wurden immer wieder von Hundehaltern angesprochen, ob uns nicht Stellen mit
Bürohund bekannt wären. Daraufhin haben wir ein einfaches Job-Tool auf unserer
Seite installiert. Die Nachfrage nach Jobs, bei denen ein Bürohund zugelassen ist, ist enorm. Mittlerweile werden die Seiten mit Jobangeboten am häufigsten
innerhalb unserer Homepage angeklickt. Bei der Menge der Angebote hapert es
allerdings noch ein wenig. Da müssten wir in die aktive Akquise, die wir mit
den wenigen ehrenamtlich arbeitenden Unterstützern nur bedingt leisten können. Jedes Unternehmen mit Bürohund kann sein Jobangebot übrigens kostenfrei einstellen.“
Titelbild: Vivian Chen – Flickr – CC BY-ND 2.0
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