Wenn die Katze oder der Hund stirbt, bricht für den Besitzer eine Welt zusammen. Außenstehende verstehen die massive Trauer oft nicht. Dabei ist sie auch bei dem Verlust eines Tieres normal.
Klar ist das Familie!
Hunde und Katzen können locker älter als zehn Jahre alt werden. Sogar robuste Kaninchen erreichen dieses Alter. Haustiere begleiten ihre Besitzer daher oft eine sehr lange Zeit und in unterschiedlichen Phasen ihres Lebens, wechseln die Stadt mit, bleiben, wenn der Partner geht oder überleben ihn sogar. Tiere wachsen uns ans Herz – und obwohl man darüber streiten kann, ob sie einen Lebenspartner oder Kinder nun ersetzen können oder nicht, ist klar, dass der Verlust eines geliebten Tieres eine Lücke hinterlässt. Kaum etwas fürchten Tierbesitzer mehr, als dass ihr flauschiger Begleiter sterben könnte. Schon im Kindesalter ist der Tod eines Haustiers die erste frühe Erfahrung, die Menschen mit dem Lebensende machen. Ich erinnere zu gut, als mein erstes Kaninchen tot im Stall lag und wie wichtig es war, Abschied zu nehmen. Das neue Kaninchen ersetzte das alte nicht einfach.
Andere Tierbesitzer verstehen, was es bedeuten kann, wenn die Morgenroutine wegfällt, zum Beispiel mit dem Hund vor die Tür zu gehen oder einfach der Katze ihr Futter zu geben. Der Tod eines Tieres kann traumatisch sein, weil sowohl im Herzen als auch im Alltag eine Leerstelle entsteht. Sie ist vergleichbar mit dem Verlust eines Freundes oder Familienmitglieds, denn schließlich haben wir nicht nur viel Zeit mit dem Haustier verbracht: Wir projizieren Gedanken, Gefühle und Ideen auf unsere wilden Freunde. Das bedeutet auch: Wir sehen uns in unseren Tieren! Zwar müssen Hundebesitzer nicht langfristig aussehen wie ihr Border Collie, diese oft scherzhaft gemeinte Beobachtung vermittelt aber im Kern, dass Tiere uns als so genannte Selbstobjekte dienen – ein psychologischer Ausdruck, geprägt von Heinz Kohut, der die Selbstpsychologie als etwas notwendiges zur Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls beschreibt. Ein Haustier ist somit ein Objekt, das seiner Bezugsperson positive Erfahrungen ermöglicht.
Wenn Hundebesitzer befragt werden, wie nah sie ihrem Haustier stehen, ordnet ein sehr hoher Prozentsatz ihren Vierbeiner als nächste Bezugsperson ein. In einer Studie von 1988 („The human-canine bond: Closer than family ties?“) sagten 38 Prozent der Hundebesitzer, ihr Hund sei ihnen am nächsten. Im Schnitt wurde der Hund von allen Befragten, die in einem Kreis aufzeichnen sollten, wie nah der Hund ihnen steht, näher als das durchschnittliche Familienmitglied eingezeichnet – in der Regel war der Vierbeiner genauso nah wie das engste Mitglied der Familie.
Wie Tiere Freunden ähneln
Um zu verstehen, warum Kleintiere einen so hohen Stellenwert im Leben ihrer Besitzer einnehmen, bietet es sich an zu schauen, was Menschen an ihren Freundinnen und Freunden so schätzen. Als Antworten hört man dann zum Beispiel: „Er verurteilt mich nicht“, „Sie unterstützt mich“, „Sie ist aufrichtig und akzeptiert mich so, wie ich bin“, „Er hört gut zu“, „Sie respektiert und unterstützt mich“, „Er teilt meinen Humor“. Wie selten vereinen sich all diese Dinge in einer Person. Diese Erwartungen an einen Freund jedoch kann man in einem Haustier sehr gut spiegeln.
Zudem können Menschen von ihren Tieren lernen. Für ein Haustier muss man Verantwortung entwickeln, sehr oft Geduld, Freundlichkeit, Disziplin, Verspieltheit – und sehr viel Liebe. Weil wir an Tieren wachsen, machen sie uns glücklich und dankbar.
Die bedingungslose Liebe, die Besitzer ihren Tieren oft entgegenbringen, ist auch ein Grund, warum es so schmerzhaft ist, wenn sie sterben. Denn im Gegensatz zu den komplizierten Beziehungen, die wir mit Menschen haben, sind die Gefühle für das Tier nahezu ausschließlich positiv – auch, wenn sie regelmäßig Schuhe zerkauen, Sofas zerkratzen oder Stuhlbeine annagen. Ein Artikel im wissenschaftlichen Journal Animals & Society, in dem verschienene Studien verglichen wurden, kam zu der Schlussfolgerung, dass der Tod eines Tieres tatsächlich genauso schlimm sein kann wie der Tod eines Menschen. Für Außenstehende mag diese tiefe Trauer unverständlich sein, doch wenn man sich bewusst macht, dass ein Hund oder eine Katze der trauernden Person zum Beispiel konstant Gesellschaft geleistet hat – anders als Personen im Freundeskreis – macht es sehr viel Sinn, dass der Tod dieses engen Freundes so schmerzhaft ist.
Trauer braucht Zeit – auch bei Tieren
Aus diesem Grund ist es so wichtig für den jeweiligen Tierbesitzer, seine Trauer anzunehmen und nicht als lächerlich oder überzogen zu verdrängen – und für sein Umfeld ratsam, die Trauer ernst zu nehmen und die trauernde Person zu unterstützen.
Es ist normal, wenn du immer wieder denkst, dein Tier würde ja doch Zuhause auf dich warten und enttäuscht bist, wenn die Katze eben nicht auf der Fensterbank sitzt. Und es sind normale Gefühle, sich wie ein Verräter vorzukommen, bei dem Gedanken, irgendwann ein neues Haustier zu wollen.
Auch bei Tieren durchlaufen Menschen verschiedene Trauerphasen, wie zum Beispiel die Schweizer Psychologin Verena Kast den Trauerprozess skizziert hat:
1) Nicht-Wahrhaben-Wollen
Viele Menschen erfahren den Tod als Schock, was heftige körperliche Symptome hervorbringen kann. Sie fühlen sich verzweifelt und hilflos, wirken erstarrt oder apathisch. Diese Phase kann ganz unterschiedlich lang andauern.
In dieser Phase brauchen die trauernden Menschen vor allem Hilfe von ihrem Umfeld, was sie ihnen zusichert, dass ihre Emotionen angemessen sind und sie zum Beispiel bei täglichen Aufgaben unterstützt. Ganz wichtig ist es, deine Freundin oder deinen Freund jetzt nicht allein zu lassen.
2) Aufbrechende Emotionen
In der zweiten Phase kommen die starken Gefühle zurück. Vielleicht auch Wut, wie „Warum musste das ausgerechnet jetzt passieren?“, „Warum so früh?“. Vielleicht sind auch aggressive Gefühle dabei, die sich gegen den Tierbesitzer selbst richten und er sich Vorwürfe macht, besser aufgepasst oder sich besser gekümmert haben zu sollen. Auch diese Phase kann mehrere Monate lang anhalten.
Ein Tipp, den Trauerberater geben, ist all diese Gefühle nicht zu unterdrücken, sondern ihnen Raum zu geben. Unterdrückte Gefühle führen eher zu Depressionen.
Als Freund oder Familienmitglied solltest du auch in dieser Phase dasein und zuhören, aber Schuldgefühle nicht bekräftigen, sondern nur zur Kenntnis nehmen. In der zweiten Phase kannst du der trauernden Person aber schon Anregungen geben, Dinge für sich zu tun, die ihr gut tun.
3) Suchen und Sich-Trennen
Die dritte Phase dreht sich viel um gemeinsame Erinnerungen: „Dort sind wir oft spazieren gegangen“, „Wisst ihr noch, als Freddy in meine Hand passte …“. In dieser Phase lernt der Trauernde, dass das verstorbene Lebewesen tatsächlich nicht mehr da ist, und zu einem ,inneren Begleiter‘ werden kann. Wenn diese Phase schlecht verläuft, ist die trauernde Person aber tieftraurig und entfremdet sich von der Realität. Manchmal haben Personen jetzt suizidale Gedanken. Wenn das Haustier mit einem Lebenspartner gleichgesetzt wurde, kann der Verlust als so schwer erlebt werden.
Freunde sollten der betroffenen Person jetzt vor allem Geduld entgegenbringen und nicht dazu drängen, die Trauer zu beenden. Gerade aggressive Gefühle wie Suizidgedanken sollten behutsam begleitet werden und im Zweifel professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden. Wenn der Tierbesitzer versucht, sich neu zu orientieren und Dinge zu unternehmen, unterstützt ihn dabei.
4) Neuer Selbst- und Weltbezug
In der letzten Trauerphase erkennt der Tierbesitzer, dass das Leben weitergehen wird und hat für seinen gestorbenen Gefährten einen Platz in der guten Erinnerung geschaffen. Die Person beginnt, sich wieder mehr für den Alltag zu interessieren, wieder aktiv zu werden und denkt nun mittlerweile vielleicht schon darüber nach, sich wieder einen Hund, eine Katze etc. anzuschaffen, die Teil des eigenen Lebens werden soll.
Als Freund des Trauernden kann es jetzt unterstützend wirken, auch als Trauerbegleiter loszulassen und zu respektieren, dass man selbst weniger gebraucht wird. Gleichzeitig sollte man im Hinterkopf behalten, dass der Trauernde vielleicht doch noch einmal rückfällig wird. Während der Trauer da zu sein ist ein wertvoller Freundschaftsdienst – bietet ihn an, wenn eure eigene emotionale Verfassung das zulässt.
Wenn ein Tier, zum Beispiel ein Kaninchen, über ein Jahrzehnt mit dir zusammenlebt, ist es normal, dass sein Tod dich aus der Bahn wirft. (Bild: Noah Silliman – unsplash)
Die Verluste von Tieren entstehen – im Gegensatz zum Menschen – nicht nur durch den Tod. Manchmal verschwinden Haustiere auch aus dem Garten, ohne zurückzukehren, sie werden geklaut oder bei der Trennung von einem Partner nimmt dieser den Hund mit zu sich. Da es sich um einen gleichwertigen Verlust handelt, greift der Trauerprozess jedoch auch hier.
Wenn das Tier eingeschläfert werden muss
Ein zusätzlicher Sonderfall bei dem Verlust eines Haustieres ist die Entscheidung, das Tier einzuschläfern, denn hier beginnt die Trauer noch vor dem Tod und eventuell greifen Zweifel und Schuldgefühle, die zusätzlich belasten. Ist es der richtige Zeitpunkt?
Hier kann ein Gespräch mit einem einfühlsamen Tierarzt helfen. Zudem kannst du dir bewusst machen, dass du zu dem Zeitpunkt, zu dem du eine Einschläferung in Erwägung ziehst, schon sehr viel für dein Tier getan hast, um sein Leben zu retten. Du gibst es nicht leichtfertig auf. Ein Haustier einzuschläfern soll nicht den Menschen entlasten, sondern vor allem dem Tier vermeidbares Leiden ersparen. Egoistisch ist eher, auf den natürlichen Tod des Tieres zu warten, wenn es große Schmerzen hat. Auch wenn wir als Besitzer gern daran glauben möchten: Tiere können in der Regel nicht signalisieren, wann es für sie die richtige Zeit ist, zu gehen. Eine Tierärztin kann dich hier beraten – und wenn dein Tier bereits schwere Krankheitszeichen zeigt und sichtlich leidet, solltest du darüber nachdenken, ob du die Entscheidung hinauszögerst, damit deine eigene Trauer erst später einsetzt.
Vielleicht hilft dir jetzt, deine eigene Haltung zu Sterbehilfe für Menschen zu reflektieren. Wie möchtest du aus dem Leben gehen? Was wünscht du dir von Angehörigen und Freunden, wenn deine Schmerzen oder eine Krankheit nicht mehr zu ertragen wären?
Jeder trauert anders
Für Trauer gibt es keine Regeln. Wie sehr dich der Tod deines Tieres trifft, kann von ganz unterschiedlichen Dingen abhängen, zum Beispiel wie alt du selbst oder auch das Tier war, wie lange es bei dir lebte, wie wichtig es für dich war und die Umstände des Verlustes.
Trau daher auch deinem Bauchgefühl, wenn es darum geht, mit der Trauer umzugehen. Vielleicht hilft dir ein gerahmtes Foto, ein persönlicher Grabstein, wenn du es bestatten kannst oder andere Formen der Erinnerungen. Es ist okay, eure gemeinsame Zeit lebendig halten zu wollen. Diese Jahre kann euch niemand nehmen – und es ist ein gesunder Weg der Trauer, daran erinnern zu wollen.
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