Als in den späten 90ern „Sex And The City“ in aller Welt von den Fernsehern flimmerte, war die Idee von starken Frauen, die sich das holten, was sie wollten noch revolutionär. Knapp 20 Jahre nachdem die erste Episode ausgestrahlt wurde, ist die Serie immer noch unterhaltsam, was aber hauptsächlich an Carries absurdem Lifestyle und ihren noch absurderen Outfits liegt.
Gefängnis statt Manhattan
Die Netflix-Produktion „Orange Is The New Black“ ist genau das Gegenteil von SATC: von Glamour ist keine Spur, die Protagonistinnen sind keine weißen, wohlhabenden Single-Frauen aus Manhattan, und ihr Alltag ist genau das Gegenteil des American Dreams. Genau darin liegt das Erfolgsrezept der Serie. Episode für Episode wird die Geschichte einer Insassin des Litchfield Penitentiary – das Gefängnis, in dem die Serie spielt – erzählt, und oft beginnt diese Geschichte mit dummen Entscheidungen, die aus Geldnot oder Liebe getroffen wurden. Es ist unmöglich, keine Empathie für die Protagonistinnen zu empfinden, da die meisten ein ganz normales Leben führten, bevor sie durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in ihrer orangefarbenen Uniform landeten. OITNB gehört zu den Vorreitern wenn es darum geht, tiefgründige weibliche Charaktere in all ihrer Komplexität und Diversität zu zeigen. Piper, Crazy Eyes, Sophia, Daya und viele der anderen Protagonistinnen wirken auf den ersten Blick schwach und gescheitert, aber jede von ihnen stellt im Laufe der Serie wiederholt ihre Stärke unter Beweis, die sie auch im widrigen Umfeld eines Gefängnisses beweisen können.
Solidarität vs. Rivalität
So ziemlich jede Serie aus den 90er Jahren hatte fiese weiblichen Protagonistinnen – was zweifelsohne unterhaltsam war. Das Bild, das von Frauen gezeichnet wurde, ist jedoch ziemlich deprimierend, denn der Grund für diese Rivalitäten waren meistens Männer a.k.a. das Zentrum des weiblichen Universums. Damit wurde die Lebensrealität von Frauen immer verkürzt dargestellt. Heute sind Schwesternschaft und Solidarität zentrale Themen in Serien, die dem oft harten Alltag der Protagonistinnen realistische Antworten entgegensetzen. Männer sind eben nicht die Lösung. Und auch in OITNB gibt es zahlreiche Momente, in denen die Frauen realisieren, dass sie in Litchfield bessere Freundinnen haben als außerhalb der Gefängnismauern.
Empowerment vs. Oppression-Olympics
Jede Frau erlebt Diskriminierung anders. Manche nehmen sie kaum wahr, andere erleben sie gleich auf mehreren Levels aufgrund von Hautfarbe, Sexualität, Behinderungen, Alter, Religion etc. und wieder andere sind aktiv an ihrer eigenen Diskriminierung beteiligt. Anstatt so zu tun, als wären die Erfahrungen aller Frauen gleich, spricht OITNB komplexe gesellschaftliche Probleme teils humorvoll, teils sehr ernsthaft an. Die Serie schafft es, das zu tun, ohne dabei gleich in „Oppression-Olympics“, also den Wettbewerb, wen es am schlechtesten erwischt hat, auszuarten. Durch die Auseinandersetzung mit diesen schwierigen Themen trägt OITNB dazu bei, dass die Diskussion über Sexismus, Rassismus und Trans-Diskriminierung nicht nur normalisiert wird, sondern spricht auch Frauen an, die absolut gar nichts mit einer Figur wie Carrie Bradshaw gemeinsam haben und sich bislang im Fernsehen wenig oder gar nicht repräsentiert gesehen haben.
Plan B, C und D vs. Enttäuschungen
Der American Dream mag für viele der Insassinnen aus Litchfield in weite Ferne gerückt sein, aber dafür haben sie neue Träume und Hoffnungen. Karriere, Liebe, Kinder, Heirat – zentrale Themen aus „Frauenserien“ der 90er stehen bei OITNB an zweiter Stelle. Was zählt, ist der Moment, und wie sie das Beste daraus machen. Anstatt das alte Klischee der passiven Frau zu bedienen, die vor den Trümmern ihres Lebens steht und gerettet werden muss, zucken die Frauen aus OITNB mit den Schultern und machen Pläne für die Zukunft – auch wenn das heißt, erst mal mit dem Schmuggeln von sexy Unterhöschen ein bisschen Geld zu verdienen.
Rebellion vs. Machtspiele
Ava DuVernays Oscar-nominierte Dokumentation 13th, ebenfalls ein Netflix Original, zeigt die erschütternde Realität des korrupten US-Justizsystems. Polizeibrutalität, Kapitalismus und unverhältnismäßig hohe Strafen für kleine Vergehen haben dazu geführt, dass zwar nur 5 Prozent der Weltbevölkerung in den USA lebt, dafür aber 25 Prozent der der weltweit Inhaftierten in US-Gefängnissen sitzt – wobei Schwarze und Latinos am härtesten bestraft werden. Das Zusammentreffen all dieser Faktoren führte am Ende der letzten Staffel von OITNB zu einer Gefängnisrevolte, die ausgerechnet von Daya angeführt wird – einer Insassin, die Staffel für Staffel mit neuen Problemen zu kämpfen hat.
Bei OITNB liegt Macht oft in den Händen der falschen Personen, was sowohl in der Serie als auch in unserer Gesellschaft katastrophale Auswirkungen hat. Zum Glück sehen wir aber im echten Leben auch immer öfter Proteste, bei denen Frauen eine tragende Rolle spielen und in Solidarität marschieren, um für ihre Überzeugungen einzustehen.
Serien mit Frauen, die $700 teure Designerschuhe sammeln und Jahre ihres Lebens damit verbringen, selbstgefälligen Man-Babies nachzujagen, wird es vermutlich noch eine ganze Weile geben – aber dank unabhängiger Streaming-Plattformen gibt es heute auch genügend Produktionen, die aktuelle, relevante und authentische Geschichten erzählen, weil das Team vor der Kamera genauso divers ist wie der Cast dahinter.
Die neue Staffel von Orange Is The New Black läuft ab sofort auf Netflix. Happy Bingewatching!
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