Geflüchtete und zugewanderte Frauen werden von Integrationsmaßnahmen für die Arbeitswelt bislang nicht richtig angesprochen. Die Expertin Jutta Rump erklärt, wie der Einstieg in den Job für diese Frauen verbessert werden kann.
Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt
Der Arbeitsmarkt wird bunt – und das ist auch gut so! Was aus Sicht der Arbeitsmarktforschung ein ganz logischer Schluss ist, scheint auch in der Wahrnehmung deutscher Unternehmen angekommen zu sein. Umfragewerte lassen hoffen: Einer Umfrage des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) und HAYS zufolge, können sich 60 Prozent der Unternehmen vorstellen, Geflüchtete zu beschäftigen. Rund 20 Prozent tun es bereits.
Das Thema interkulturelle Zusammenarbeit rückt in den Fokus. Was kann ein Unternehmen dafür unternehmen, dass aus Fremden Kollegen werden? So lautet eine der Leitfragen, die sich die Arbeitswelt der Gegenwart und Zukunft stellen muss. Angebote wie In Arbeit der Initiative Neue Qualität der Arbeit geben bereits wichtige Impulse, Ideen und Beratungsmöglichkeiten, wenn es um die Zusammenarbeit in gemischten Teams geht.
Während sich der Arbeitsmarkt – auch im Hinblick auf die alternde Bevölkerung in Deutschland – auf die Ankunft, junger, leistungsfähiger und motivierter Arbeiter freut, scheint eine große Bevölkerungsgruppe in den bisherigen Planungen noch keine signifikante Rolle zu spielen: geflüchtete Frauen und solche, die als Einwanderinnen in der ersten Generation nach Deutschland kommen.
Dabei gibt es sie – und es werden mehr: Laut Zahlen des Netzwerks Flüchtlingsforschung wurden in 2014 und 2015 etwa ein Drittel der Asylanträge von Frauen gestellt. Wie kommt es also, dass die Frauen nicht gesehen werden und bisher auch bei der Integration auf den Arbeitsmarkt keine große Rolle spielen?
Die Situation eingewanderter und geflüchteter Frauen
Erste Untersuchungen zeigen: Geflüchtete und emigrierte Frauen sind gekommen, um zu bleiben und sich hier eine Zukunft aufzubauen. Dazu gehört auch die große Motivation, am Leben in der neuen Gesellschaft teilzuhaben. Dennoch unterscheidet sich die Situation der Frauen von denen der Männer enorm: Die bisher etablierten Integrationsstrategien lassen sich nicht eins zu eins auf die Lebensrealität der Frauen übertragen.
Die Gründe dafür sind vielfältig und beginnen schon bei ihrer Ankunft. Ein Beispiel: In einem viel größeren Maße als bei Männern hängt der Erfolg der Integration der Frauen von der Situation der Familie ab. Die Frau ist, sei es aufgrund kultureller Aufgabenteilungen oder durch organisatorische Gegebenheiten (in Flüchtlingsunterkünften sind Frauen und Kinder getrennt von Männern untergebracht), unmittelbar für das Wohl der Familie verantwortlich. Deshalb werden zum Beispiel Spracherwerb und Arbeitsmarktzugang häufig, aus persönlich verständlichen Gründen, zurückgestellt. Ein Teufelskreis beginnt: Die Bedürfnisse der Frauen bleiben „unsichtbar“, weil sie bestehende Angebote nicht wahrnehmen – weil diese nicht zu ihren Bedürfnissen passen.
Die Gruppe der geflüchteten oder eingewanderten Frauen ist sehr heterogen – dennoch werden sie in der Gesellschaft und von Unternehmen insgesamt noch nicht als potenzielle Fachkräfte angesehen: Neben familiär eingebundenen Frauen mit kleinen Kindern gelangen auch ältere, verwitwete oder geschiedene Frauen nach Deutschland. Diese Gruppierungen haben es besonders schwer, Anschluss an unsere Gesellschaft zu finden. Dennoch verfügen sie häufig über eine berufliche Ausbildung und besitzen große Potenziale, die den Arbeitsmarkt bereichern. Demgegenüber stehen Mädchen und junge Frauen, die sich durch eine schnelle Eingliederung in Schule und Beruf recht gute Startchancen in Deutschland sichern können.
Natürlich lässt sich die Situation einer geflüchteten Frau aus dem Bürgerkrieg in Syrien nicht mit einer Migrantin aus der Türkei vergleichen. Generell ist jedoch zu beobachten, dass die Erwerbstätigenquote bei Frauen mit Migrationshintergrund bei nur rund 53 Prozent liegt – ein Umstand, mit dem wir uns nicht abfinden dürfen.
Zwischen Vorurteilen und benachteiligenden Strukturen: Die „doppelte Diskriminierung“
Auch wenn sich die Integrationsstrategien für Männer von denen für Frauen unterscheiden müssen, ist die übergeordnete Zielsetzung die gleiche: Arbeit ist der Integrationsmotor Nummer Eins. Zusammenarbeit bringt soziale Kontakte mit sich, baut Berührungsängste gegenüber dem „Fremden“ ab und bringt Menschen verschiedenster Hintergründe und Biographien zusammen. Gleichzeitig bedeutet Arbeit wirtschaftliche Unabhängigkeit und ist damit ein wichtiger Faktor für die Eigenständigkeit und Selbstbestimmung in unserer Gesellschaft.
Der Einstieg in Arbeit ist dabei nicht immer einfach: Vorurteile, bezogen auf Geschlecht und Herkunft, prägen die (häufig unbewusste) Einstellung vieler Arbeitgeber: „Erlaubt ihr Mann überhaupt, dass sie arbeitet?“ „Wird „die Neue“ häufig krank sein, weil sie sich um ihre Familie kümmern muss?“ Diese und weitere Ängste und Vorurteile sind leider weit verbreitet. Hinzu kommen Strukturen, die den Einstieg für Frauen mit Migrationshintergrund auf den Arbeitsmarkt erschweren. Dazu gehören zum Beispiel komplizierte und langwierige Anerkennungsverfahren für ausländische Abschlüsse aber auch die klassisch auf lineare Lebensläufe ausgelegte Karrierehierarchie in Unternehmen.
Diese Diskriminierung durch Strukturen und Vorurteile lässt sich auch bei Frauen ohne Migrationshintergrund feststellen – man denke an die nachweisbare „Gender Pay Gap“. Bei Frauen mit Migrationshintergrund wiegt die Diskriminierung ungleich schwerer, da die Netzwerke, Strukturen und häufig auch der familiäre Rückhalt zur Unterstützung fehlen. Übrigens: Einer Studie des vom Europäischen Sozialfonds geförderten Projektes „Beratung Qualifizierung Migration“ zufolge haben ALLE Frauen mit Migrationshintergrund, unabhängig ihres Bildungsstandes und beruflichen Status’, Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht.
3 Denkanstöße, die Frauen mit Migrationshintergrund den Einstieg in die Arbeitswelt erleichtern
Wir alle können, als Arbeitgeberin, Kollege oder im Privaten etwas dafür tun, dass die Diskriminierung von Frauen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt abnimmt. Hier drei Denkanstöße:
1. Vielfalt als Stärke ansehen – individuelle Kompetenzen erkennen
Diversität in Teams steigert die Zufriedenheit, Motivation und damit auch die Qualität der Ergebnisse – dieser Effekt ist mittlerweile durch Studien bewiesen. Wichtiger als ein Schulabschluss ist daher, wie ein Mensch mit seinen individuellen Stärken ein Team ergänzt. Zukunftsgewandte Führungskräfte denken heute schon in langfristigen Teams, schauen auf individuelle Kompetenzen anstatt auf Zeugnisse und Abschlüsse.
2. Willkommenskultur in Unternehmen etablieren – Strukturen entwickeln, um Einstieg zu erleichtern
Um den Arbeitsmarkt offen zu gestalten, müssen wir uns darüber Gedanken machen, welche Mechanismen und Strukturen Migrantinnen und Frauen im Allgemeinen den Ein- und Aufstieg im Berufsleben erschweren. Wichtige Aspekte, um mehr Frauen mit Migrationshintergrund den Eintritt in die Arbeitswelt zu ermöglichen, sind zum Beispiel die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Möglichkeit zur Weiterbildung. Sei es durch die Unterstützung bei der Organisation der Kinderbetreuung oder durch Ausgleichsstunden für den wichtigen Deutschkurs – gemeinsam gilt es, Hemmnisse aus dem Weg zu räumen. Die Hilfestellungen gehen jedoch darüber hinaus und können ganz unterschiedlich aussehen. Eine Mitfahrgelegenheit zur Arbeit, Unterstützung bei Behördengängen, Hausaufgabenhilfe für die Kinder – wir alle können auch im Kleinen einen großen Beitrag leisten.
3. Mentorinnen und berufliche Vorbilder
Um in einem fremden Land und einer fremden Kultur beruflich Fuß zu fassen, benötigt man Orientierungshilfen. Mentoring-Programme können ein guter Weg sein, um diese Orientierung zu bieten und um mögliche Karrierewege aufzuzeigen. Es gibt viele regionale Initiativen, die Mentorinnen und Mentees miteinander vernetzen. Interessierte können sich jedoch auch im kleinen Rahmen, zum Beispiel durch Sprachtandems, engagieren. Wichtig ist es, den gegenseitigen Kontakt zu suchen und Unterstützung zu signalisieren – damit das enorme Potenzial des „unsichtbaren Geschlechts“ endlich gesehen und genutzt wird.
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