Je unterschiedlicher ein Team ist, desto eher kann eine Organisation von einer breiten Expertise profitieren. So gelingt Vielfalt im Unternehmen.
Debatte in der Medienbranche
Diversity im Unternehmen ist gerade vor allem in der Medienbranche Gesprächsthema: Das journalistische Crowdfunding-Projekt Krautreporter stand gleich zu Beginn der Kampagne in der Kritik, weil von 28 Mitgliedern der Redaktion gerade einmal sechs Journalistinnen dabei waren und 22 Journalisten – von Menschen, die verschiedenen kulturelle Hintergründe und verschiedene Ausbildungswege mitbringen ganz zu schweigen.
Gabriele Fischer, Chefredakteurin der brand eins, erklärte zu der Kritik, das Wirtschaftsmagazin widme sich kaum Geschichten mit Protagonistinnen, dass von acht Themenvorschlägen, die ihre Redaktion erreichten, nur zwei von Frauen stammen würden.
Der Verein Pro Quote hat das Thema Frauen in journalistischen Führungspositionen auf die Agenda gehoben und konkrete Forderungen an die Branche formuliert: Mindestens 30 Prozent Medien-Chefinnen bis 2017 erwartet die Initiative von Verlagen. Ende Juni zogen die Journalistinnen Bilanz: Mindestens 87 Medienfrauen seien seit März 2012 aufgestiegen, 43 davon bis in die Chefredaktionen oder Programmleitungen, heißt es in einer Pressemitteilung. „Wir haben den deutschen Journalismus nachhaltig verändert“, sagte die ProQuote-Vorsitzende Annette Bruhns. Druck von außen wirkt.
Vielfalt als Unternehmenswert
Doch Redaktionen im Nachhinein vielfältig zu besetzen, ist harte Arbeit. Ein Posten muss frei werden oder es muss Budget zur Verfügung stehen, damit neue Stellen geschaffen und besetzt werden können. Das ist insbesondere in der Medienbranche, die nach neuen Geschäftsmodellen sucht um profitabel zu bleiben, keine ideale Ausgangsbasis um Redaktionen umzukrempeln.
Neue Projekte hingegen – so wie auch Krautreporter eines ist – haben jedoch von Anfang an die Chance, Vielfalt als Unternehmenswert zu setzen und ein Team dementsprechend aufzubauen. Diversity ist dabei kein Selbstzweck. Sie ist in zahlreichen Branchen ein konkreter Wettbewerbsvorteil: Beim Design von Produkten und Lösungen, bei der Ansprache von Zielgruppen, und wenn es darum geht, das Interesse von Leserinnen und Lesern zu wecken, wird ein vielfältiges Team immer besser darin sein, Bedürfnisse der Nutzer zu erkennen und daraus Ideen abzuleiten.
Diversity planen
Wenn man Menschen für ein neues Projekt anwirbt oder sogar in der Position ist, sie für das eigene Unternehmen anzustellen, kann es verlockend sein, auf die eigenen Netzwerke zurückzugreifen. Man stellt Personen ein, die man sehr mag, die einen ähnlichen Hintergrund haben oder eine ähnliche Ausbildung, die ähnlich denken wie man selbst. Einander ähnlich zu sein erleichtert den ersten Kontakt, schafft Vertrauen und mag auf den ersten Blick wie eine kluge Strategie erscheinen, doch sie ist es nicht. Wer vorrangig aus den eigenen Netzwerken heraus Mitarbeiter rekrutiert, limitiert damit das eigene Unternehmen. Was eindeutig Fakt ist, auch für EDITION F ist das Recruiting von männlichen Teammitglieder nicht unbedingt leicht. Weibliches Thema, mehr weibliche Bewerbungen. Und: Am Ende geht es natürlich in erster Linie um die Qualität des Mitarbeiters.
Um ein vielseitiges Team aufzustellen, muss man Einstellungsprozesse planen und außerdem eine Unternehmenskultur aufbauen, die unterschiedliche Menschen anziehen und einbinden kann. Diese fünf Wege helfen, eine solche Arbeitskultur zu schaffen.
1) Legt Ziele fest und bindet das Team ein
Wer etwas verändern will, muss sich im Vorhinein darüber klar werden, was die Ziele sind. Diversity kann ein schwammiger Begriff sein. Möchte ich ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis, ein interdisziplinäres Team, Mitarbeiter unterschiedlichen Alters und mit vielfältigen kulturellen Hintergründen? Nur wer messbare Ziele festlegt, kann hinterher wissen, ob die Strategie aufgegangen ist oder angepasst werden muss.
Schon das Konzept für die Rekrutierung profitiert von unterschiedlichem Input: Die Ziele für die Diversität der Belegschaft sollten daher allen bisher angestellten Personen kommuniziert werden und sie sollten sich in den Prozess einbringen können. Erklärt eurem Team, warum Diversity für das Unternehmen wichtig ist.
2) Rekrutierungsprozesse planen und anpassen
Was tut man, wenn sich auf ausgeschriebene Jobs nur sehr ähnliche Menschen bewerben? Die selbst gesteckten Ziele in die Tat umzusetzen, ist häufig schwieriger als gedacht. Um ein vielfältiges Team aufzustellen, muss man sich anstrengen. Diversity entsteht selten von selbst; Unternehmen, die damit bereits werben können, wenden in der Regel schon lange Maßnahmen in der Rekrutierung neuer Mitarbeiter an, um Vielfalt in ihre Bewerbungen zu bringen.
Es gibt auch in Deutschland schon Personalvermittlungen, die sich auf Diversity-Beratung spezialisiert haben und bei der Rekrutierung hinzugezogen werden können. Wenn man mit Headhuntern zusammenarbeitet, sollte man diesen sehr genau sagen, welche Eigenschaften und Qualifikationen für die Besetzung der Stellen wichtig sind. Wer Diversity will, muss geeignete Kandidaten direkt ansprechen. Außerdem ist es empfehlenswert, eingespielte Ausschreibungsstrategien zu überdenken: Man sollte eine Bandbreite von Jobbörsen bedienen, Stellen über soziale Medien bewerben und zudem neue Stellenbeschreibungen testen. Denn schon Formulierungen in der Ausschreibung beeinflussen, welche Menschen sich auf eine Stelle bewerben, und welche weniger.
Ein weiterer Trick kann sein, ein neues Team gemeinsam einzustellen, um von Anfang an auf Ausgewogenheit achten zu können und direkt zu sehen, wie Persönlichkeiten sich ergänzen. Stellt man neue Mitarbeiter mit zeitlichem Abstand ein, passiert es schneller, dass man auf ähnliche Typen zurückgreift.
3) Weiterbildung für das eigene Team
Diversity-Training ist leider in Deutschland noch nicht weit verbreitet, dabei tragen sensibilisierte Teammitglieder entscheidend zu einer Arbeitskultur bei, die inklusiver ist als in Unternehmen, die ihre Kultur nicht steuern. Trainings können Themen wie interkulturelle Kommunikation, Sexismus am Arbeitsplatz oder Konfliktmanagement beinhalten. Ein Unternehmen sollte solche Bildungsangebote nicht als Pflicht, sondern als Chance begreifen, um eine Arbeitskultur zu schaffen, die für Menschen unterschiedlicher Kulturen, Geschlechter, Ausbildungen und auch unterschiedlich alter Menschen gleichermaßen attraktiv ist. Nur auf diese Weise finden die Talente, die man haben will, auch garantiert einen Platz in der Firma.
4) Gemischte Teams bilden
Vielfalt darf nicht nur auf dem Papier existieren, sie muss in Aktion treten. Für die Organisation eines Unternehmens bedeutet das, dass die unterschiedlichen Menschen, die man rekrutiert hat, auch tatsächlich miteinander arbeiten. Schon die Teams der einzelnen Unternehmenseinheiten müssen daher vielfältig aufgestellt werden. Auch dann, wenn es zum Beispiel nur zwei Personen sind, die ein Team bilden. Dort ein Junior-Team mit Absolventen, da ein Senior-Team mit Berufserfahrenen kann nur dann eine Lösung, wenn in ihnen wenigstens Geschlechter und kulturelle Herkunft gemischt sind.
Solche Teamaufstellungen sind nicht immer einfach. Berufsgruppen werden oft von ähnlichen Menschen dominiert und die Ausnahmen muss man erst einmal rekrutieren. So ziehen viele Unternehmen schon ihren eigenen weiblichen Tech-Nachwuchs heran, um die Entwicklungsabteilungen bunter zu machen. Wenn sich zunächst keine gemischten Teams bilden lassen, sollte man Gelegenheiten schaffen, zu denen teamübergreifend gearbeitet werden kann. In Kreativprozessen geht dies meist sehr gut. Tolle Ideen entstehen oft unerwartet – so dass auch die fachfremden Mitarbeiter aus der Verwaltung eine tolle Marketing-Idee haben können.
5) Mentoring-Programme anbieten
Mentoring muss nicht immer nur in eine Richtung geschehen. Das miteinander Lernen wird in Unternehmen heute vielschichtiger gestaltet. Berufserfahrene können ihr Fachwissen an junge Mitarbeiter weitergeben, diese wiederum geben ihr Wissen zurück, zum Beispiel den Umgang mit Social-Media oder neuen Technologien. Co-Mentoring bringt aber nicht nur Menschen unterschiedlichen Alters zusammen, es kann ebenfalls Werkzeug dafür sein, gemischte Teams aller Art zu bilden. Innovative Mentoring-Programme helfen so dabei, Berührungsängste und Vorurteile gegenüber anderen abzubauen.
Diversity als Marketing-Instrument
Sobald das Unternehmen die ersten Diversity-Ziele erreicht hat, sollten die Erfolge kommuniziert werden. Fotos der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigen nicht nur potentiellen Bewerbern, dass die Organisation für ganz unterschiedliche Menschen Arbeitgeber sein kann, auch potentielle Kunden oder Investoren wissen diese Errungenschaft zu schätzen. Ein Unternehmen, dass Vielfalt für sich als Wert begreift, wird das in vielen Zielgruppen als Wettbewerbsvorteil nutzen können. Plus eine wirklich moderne Unternehmenskultur, die Mitarbeiter langfristig binden kann, in der sie lernen und Wissen weitergeben können, und die offen für Talente ist, die sich anderswo nicht willkommen fühlen.
Was sind eure Erfahrungen? Wie habt ihr es geschafft, vielfältige Teams aufzubauen?