Foto: © H&M conscious

Die Macht der Moral

Corporate Social Responsibility ist ein Trend in der Unternehmensethik. Aber was macht Unternehmen eigentlich nachhaltig?

CSR wird Pflicht

H&M informiert auf seiner Website unter dem Stichwort „Sustainability“ über die „Conscious“-Biokollektion und die guten Löhne seiner Näherinnen, Rewe unter „Nachhaltigkeit“ über die familienfreundliche Unternehmenspolitik und die Spendenpartnerschaft mit den Tafeln, selbst McDonalds verkündet unter „Mission und Werte“: „Bei allem, was wir tun, steht eins im Vordergrund: Nachhaltigkeit.“ Gesellschaftliche Verantwortung schreibt sich heute jedes größere Unternehmen auf die Fahnen. Doch wie glaubwürdig und effizient ist das Engagement der Firmen?

Das Managementkonzept der Corporate Social Responsibility (CSR) kommt aus dem angloamerikanischen Raum und beschreibt eine Unternehmensethik, die die gesellschaftliche Verantwortung als Unternehmensstrategie in den Mittelpunkt stellt. Das können ökologische oder soziale Aspekte sein, aber beispielsweise auch Anti-Korruptions-Strategien. Entwickelt wurde die Idee bereits 1953 von dem amerikanischen Ökonom Howard R. Bowen. „CSR wird dabei in Wissenschaft und Praxis höchst unterschiedlich interpretiert, so dass es sich hierbei nicht um ein klares Managementkonzept, sondern um eine Leitidee handelt, die unternehmensspezifisch zu konkretisieren ist.“, so Professor Nick Lin-Hi, Autor des Eintrages im Gabler Wirtschaftslexikon. CSR versteht sich dabei nicht als reines Wohlfahrtskonzept, sondern als marktwirtschaftlich profitables Managementsystem.

CSR als neuer Standard?

CSR ist ein Globalisierungspänomen: Je schneller der Wettbewerb, je komplexer und globaler unternehmerische Strukturen, desto unzureichender wurden die Regulierungsmöglichkeiten der staatlichen Institutionen, desto sichtbarer wurden aber auch soziale Ungleichheiten, wie zum Beispiel die Arbeitsbedingungen von Näherinnen in der Textilindustrie. Es entstand eine kritische Öffentlichkeit, die über das Internet Kommunikationswege gefunden hat, Missstände innerhalb von kürzester Zeit anzuprangern. CSR ist nicht nur attraktiv für Unternehmer, sie können es sich gar nicht mehr leisten, kein gesellschaftliches Engagement nachzuweisen.

Michael Winter hat mit Stakeholder Reporting im Jahr 2002 eine der ersten CSR-Agenturen in Deutschland gegründet. Zu seinen Kunden gehören unter anderem die Allianz, die Deutsche Telekom oder die Otto GmbH. „Wir verstehen uns nicht als klassische Kommunikationsagentur“, betont er. „Unsere Mitarbeiter verfügen über ein hohes inhaltliches Wissen, haben Nachhaltigkeitsmanagement oder Biologie studiert. Wir verstehen es als unsere Aufgabe, dem Unternehmen die Erwartungshaltungen der Stakeholder nahezubringen und ebenso glaubwürdige wie effiziente Strategie- und Managementsysteme aufzubauen.“

CSR entscheidend für Reputation

Wer diese Stakeholder sind, und welche Themen für das jeweilige Unternehmen relevant sind, müsse individuell bestimmt werden: „Bei einem Chemieunternehmen zum Beispiel sind die lokalen Behörden und Anwohner wichtige Stakeholder, weil die eine ganz Fabrik lahmlegen können, wenn sie das Gefühl haben, das etwas nicht stimmt“, führt Winter an. „Wenn Sie hingegen ein großes Markenunternehmen wie Puma oder Adidas sind, ist die Reputation bei den Kunden ein ganz wichtiger Punkt.“

Umweltmangementsysteme seien grundsätzlich schon weiter entwickelt als Sozialmanagementsysteme, so Winter. „Im Rahmen der Mitteilung ‘A renewed EU strategy 2011 – 14 for Corporate Social Responsibility’ der EU-Kommission rücken aber auch zunehmend soziale Aspekte in den Mittelpunkt.“ Zur Zeit wird in der EU über eine CSR-Berichterstattungspflicht für Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern diskutiert. Denn CSR-Strategien sind noch nicht in allen Branchen unternehmerischer Standard: „Vorreiter waren die Chemiebranchen mit den entsprechenden ökologischen Problemen, die in den 1970er und 1980er-Jahren entstanden sind“, führt Michael Winter an. „Der Textilbereich ist hingegen noch ausbaufähig. Auch neue Geschäftsmodelle wie Amazon oder Zalando werden nach der negativen Berichterstattung der letzten Monate sicherlich noch in den Fokus rücken.“

Das CSR-Konzept wird kritisiert

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen zur Idee des CSR selbst. Kritiker, die der Selbstverpflichtungsidee von Unternehmen grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen, werfen dem Konzept vor, als reine Marketingstrategie zum Greenwashing zu dienen. Dies liegt laut Winter weniger an der Idee des CSR selbst, als daran, „dass durch einen inflationären Gebrauch der Begriffe Bio, Öko oder Nachhaltigkeit eine Verwässerung stattfindet, was sinnvoll ist und was nicht.“ Oder den Unternehmen wird Heuchelei unterstellt, weil die jeweiligen Kampagnen nicht konsequent genug verfolgt werden: Der Supermarktkette REWE wurde letztes Jahr im Marken-Check der ARD vorgeworfen, der Konzern könne nicht hundertprozentig nachweisen, dass bei den Tomaten des Nachhaltigkeitsprojekt „Pro Planet“ die Arbeitsbedingungen der Arbeiter auf den Feldern im spanischen Almería wirklich besser seien als die herkömmlicher Tomaten. Bei Unternehmen, die gar keine CSR-Strategien verfolgten, fiel die Kritik weitaus weniger harsch aus.

Glaubwürdigkeit ist eine zentrale Währung des CSR, und die Maßstäbe werden oft sehr hoch angelegt. War die Kritik an Rewe gerechtfertigt oder birgt der Anspruch an absolute Nachhaltigkeit von Produkten – was auch immer das heißen mag – die Gefahr, dass Unternehmen CSR-Strategien lieber vermeiden, wie das Bremer CSR-Netzwerk „Green-Responsibiltiy“ im Hinblick auf den Marken-Check der ARD beklagt hat? Denn nicht nur die Unternehmen, vor allem auch die Verbraucher müssen ihr Verhalten ändern. „Das Kernproblem bleibt, dass nachhaltige Produkte etwas mehr kosten. Das muss der Verbraucher mitmachen“, so Michael Winter. Offen bleibt deshalb die Nachhaltigkeit der Wirkung.

Nachhaltigkeit ist eben nicht nur eine Frage der kritischen Öffentlichkeit, sondern auch von Angebot und Nachfrage.

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