Bild: Christopher Glanzl

Monika Salzer: „Die Leute müssen raus aus der Netflix-Dauerschleife und sich endlich um die Welt kümmern“

Dem Verein „Omas gegen Rechts“ geht es um ein gemeinsames Europa, soziale Standards, Gleichstellung von Mann und Frau und vor allem positionieren sie sich klar gegen den Rechtsruck. Wir haben mit der Gründerin Monika Salzer gesprochen.

„Wir sind nicht nur eine lustige Oma-Hauben-Gruppe“

Monika Salzer ist Gründerin des Vereins „Omas gegen Rechts“. 2017 startete sie die Initiative und gründete eine Gruppe auf Facebook, weil sie dem Rechtsruck in Österreich nicht länger zusehen wollte. Denn im selben Jahr ging der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz eine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ ein. Über die letzten Jahre haben sich über 3.600 Menschen in ganz Österreich und Deutschland Salzers Verein angeschlossen. Für ihre Idee und ihr Engagement im Kampf gegen Rechts haben wir sie im Mai 2019 mit dem Award „25 Frauen, die mit ihrer Stimme unsere Gesellschaft bewegen“ ausgezeichnet.

Seit 2017 hat sich bei den „Omas“ und in der Regierung viel getan. Die Omas räumen mit Klischeebildern von Rentnerinnen, die den ganzen Tag strickend im Schaukelstuhl sitzen oder die „Neue Post“ lesen, auf und konnten Frauen jeden Alters, mit oder ohne Enkelkinder, und auch 18 Prozent Männer mobilisieren. Dem gegenüber stehen die jüngsten politischen Ereignisse: Nach der Ibiza-Affäre des Ex-Vizekanzlers Heinz-Christian Strache hatte die Opposition ein Misstrauensvotum gegen Sebastian Kurz gestellt und diesen im Mai abgewählt. Bis zu den Neuwahlen Ende September wird eine Übergangsregierung unter der Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein die Geschäfte führen.

Wir haben uns mit Monika Salzer über die politische Situation in Österreich und die anstehenden Neuwahlen unterhalten und warum es so wichtig ist, die eigene Stimme zu nutzen, egal wie alt man ist.

Haben Sie sich Ihre Rente mal so vorgestellt? Dass die Rechten in Österreich wieder derart auf dem Vormarsch sein könnten?

„Der Rechtsruck war vorauszusehen. Der hat schon bei der ersten schwarz-blauen Regierung Anfang 2000 stattgefunden. Aber dass sich die Politik so entwickeln würde und von Sebastian Kurz geduldet wird, das hätte ich nicht erwartet.“

Und woher kam die Idee, mit einer Facebook-Gruppe dem Rechtsruck entgegenzuwirken?

„Ich habe ,Omas gegen Rechts‘ in der Nacht vor der Beerdigung meiner Mutter gegründet. Ich weiß nicht genau wie ich auf die Idee kam, aber es war vermutlich der Spirit dieser Nacht und dann habe ich die Facebook-Gruppe einfach gegründet. Wir hatten dann schnell Erfolg, weil dieser Name für viele offensichtlich stimmig und positiv konnotiert war – ich bin auch gerne Oma. Und wie man sieht, hat sich die 68er-Generation angesprochen gefühlt, weil sie genauso politisch unzufrieden ist.“

Wie kann man sich das Leben einer Oma gegen Rechts vorstellen?

„In den letzten knapp zwei Jahren habe ich sehr, sehr viel für die Omas gearbeitet: Ich habe ein Buch über uns geschrieben, das Ende August erscheint, es gibt immer sehr viele Presseanfragen an unser kleines Team, regelmäßige Veranstaltungen von uns und wir haben eine ,Fridays For Future‘-Gruppe. Und wir wissen ja noch nicht wie die Wahl im September ausgeht, das wird dann auch ein aufregender Herbst.“

Für die Neuwahlen am 29. September befinden sich momentan alle Parteien im Wahlkampf. Wie nehmen Sie den vor Ort wahr?

„Ich sehe, dass es sachliche Wahlkämpfe von Rot und Grün gibt und unsachliche von Schwarz und Blau. Dabei hat Politik etwas mit Verstand zu tun und man muss die Vernunft einschalten. Alles, was der Staat macht, ist so unglaublich komplex und das kann man nicht mit ein paar aggressiven Schlagworten regeln. Schwarz-Blau macht keine Politik.“

Haben Sie als Omas bestimmte Aktionen für die Zeit während des Wahlkampfes geplant, um sich einzumischen und Statements zu setzen?

„Ja, wir machen Stadtspaziergänge und Sommerpromenaden. Hier treffen wir Leute und versuchen dagegen zu argumentieren, dass Schwarz-Blau wieder an die Regierung kommen soll. Insgesamt versuchen die Omas, auf vielen Kanälen zu argumentieren. Nur ist es eben so, dass die Möglichkeiten als zivilgesellschaftliche Gruppe beschränkt sind – aber wir können uns im Bereich der Meinungsbildung einmischen, und das tun wir.“

Die Wähler*innen stehen bei ihrer Entscheidung sicher noch unter dem Eindruck des Ibiza-Videos des ehemaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache und der Ernennung der momentanen Übergangsregierung…

„Das Schwierige in Österreich ist, wie in jeder Demokratie, dass man als Partei zwar gewinnen kann, aber dann immer noch Kooperationspartner*innen braucht. Und so wie das politische Klima in Österreich vergiftet ist, wird es schwierig, Kooperationspartner*innen zu finden. Zudem sind alle mit der Übergangsregierung sehr zufrieden – endlich kein Hickhack mehr und endlich werden wichtige Fragen angegangen oder zumindest auf die Tagesordnung gesetzt. Wie zum Beispiel, dass die österreichische Justiz personell völlig ausgehungert ist. So etwas gehört auch zur rechten Agenda: Funktionen personell aushungern lassen, damit die Rechten dann die Macht übernehmen können.“

Was würden Sie sich als Alternative zu Sebastian Kurz‘ ÖVP und den Rechten einerseits erhoffen und welche Befürchtungen haben Sie auf der anderen Seite?

„,Omas gegen Rechts‘ sind ja überparteilich, deshalb will ich mich nicht in Wahlspekulationen verlieren, aber ich hoffe, dass ein anderes Lager als Schwarz-Blau die Mehrheit bekommt. Doch diese Hoffnung ist leider eine sehr kleine Hoffnung. Meiner Ansicht nach gehört Kurz für sein Verhalten abgestraft. Er führt keine inhaltlichen Debatten, es gibt keinen Diskurs mehr in Österreich und die Medien wurden unter Druck gesetzt. Er sagt, dass er bei einer Mehrheit für die ÖVP mit einer Minderheitsregierung regieren möchte, aber ich glaube nicht, dass das in Österreich funktioniert. Wir sind, wie man so schön sagt, in der Rue de la Caque.“

Rue de la Caque bedeutet, dass man in einer miserablen oder verlorenen Situation feststeckt. Was motiviert Sie, trotz der vermeintlich verlorenen Situation, nicht aufzugeben und immer weiterzumachen?

„Das, was mir am meisten Motivation gibt, sind die gemeinsamen Aktionen und – wie auch immer alles ausgehen wird – das Gefühl, etwas gemacht zu haben. Wir wollen nicht, dass uns die Jugend irgendwann fragt, warum habt ihr nichts gemacht? Ich selbst habe Enkelkinder und will ihnen ins Gesicht schauen und sie motivieren können. Und natürlich helfen auch Anerkennungen wie der 25 Frauen-Award. Das hat mich sehr gefreut und ist eine gute Möglichkeit, um zu bestimmten Menschen durchzudringen. Ich bin auch gespannt, wie die Reaktionen auf mein Buch sein werden, weil es schwierig ist, alle Teile der Öffentlichkeit anzusprechen.“

Warum ist es so wichtig, in der eigenen Rente nicht nur zu entspannen, sondern sich wie Sie und andere ,Omas‘ zu engagieren, auf Demos zu gehen, sich nicht den Mund verbieten zu lassen und mitzumischen?

„Ich glaube es ist gut, in seiner Pension eine Zeitlang Ruhe zu haben, runterzukommen und sich vom Arbeitsleben zu erholen. Aber dann, wenn man nur noch zu Hause sitzt und neben der Betreuung der Enkelkinder keine größere Aufgabe mehr hat, dann ist es gut, wenn man für die Gemeinschaft sorgt oder etwas Soziales tut. Es gibt nicht umsonst so viele Vereine, bei denen man ehrenamtlich arbeiten kann und für andere da ist. So sind die Omas eben auch die Chance für ältere Menschen, sich engagieren zu können und der Einsamkeit zu entfliehen, die man im Alltag vielleicht mal hat. Zudem ist es wichtig, dass den älteren Generationen zugehört wird: Manche begehren auf und können sich noch an früher erinnern als die Rechten schon einmal 2000 bis 2005 in Österreich an der Macht waren. Und diese Erinnerungen wachzuhalten, ist wichtig.“

Haben Sie denn das Gefühl, dass Ihnen zugehört wird?

„Die Omas wurden von Beginn an positiv wahrgenommen, vor allem auch von jungen Menschen. Sie fühlen sich von uns gestärkt, weil wir mit ihnen auf die Demonstrationen gehen. 40- oder 50-Jährige arbeiten oder haben einfach keine Lust. Wenn in Österreich nur Jüngere wählen dürften, dann hätten wir keine schwarz-blaue Regierung, denn vor allem die Älteren wählen Sebastian Kurz und sehen ihn als vollendeten Schwiegersohn. Nur letztens hat uns ein Jugendforscher als paranoide und hysterische Weiber bezeichnet. Ich denke, dass er keine Ahnung hat, wovon er redet und einfach nur frauenfeindlich ist. Wir sind absolut nicht hysterisch oder paranoid, sondern wir wissen einfach, was in Sachen Rechtsruck auf uns zukommt in Europa.“

Solche Beleidigungen sind leider nichts Neues, ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Demonstrant*innen von Fridays for Future von Teilen der Politik nicht ernst genommen werden. Woher kommt es, dass die jüngsten und ältesten Generationen so behandelt werden?

„Warum Menschen andere beleidigen kann man nie wissen, aber das krümmt uns auch kein Härchen. Ich glaube das ist einfach misogyner Neid. Bei dem Jugendforscher ist es Neid auf die Anerkennung, die wir bekommen. Bei Greta Thunberg ist es dasselbe: Sie bekommt eine so unglaubliche Anerkennung, weil sie zur richtigen Zeit das Richtige sagt. Ich bewundere Gruppen und Menschen wie Carola Rackete und Greta Thunberg, die sind wirklich unglaublich – und alles, was mit Engagement zu tun hat, ist ja auch harte Arbeit.“

Bei den vielen Demonstrationen, ob jetzt Fridays For Future oder anderen, tragen die ,Omas gegen Rechts‘ immer rote Hauben. Haben die eine bestimmte Bedeutung?

„Bei der Gründung im November und den Demonstrationen zu der Zeit war es immer dunkel und alle waren schwarz gekleidet. Da haben wir gesagt, wir müssen uns irgendwie abheben von den anderen. Ich habe im Internet die Pussy Heads bei ihren Protestmärschen gegen Trump gesehen und ihre rosa Hauben – wir haben das abgewandelt. Damit werden wir erkannt und machen uns sichtbar, das ist das Wichtigste.“

Haben Sie noch andere Aktionen geplant, mit denen Sie sich sichtbar machen wollen in Zukunft?

„Jemand plant, einen Dokumentarfilm über uns zu machen, ich werde mit meinem Buch auf Lesereise gehen, wir werden wieder die Donnerstagsdemos besuchen, die sich vermutlich gegen die neue Regierung richten werden – wir werden auf unserem Weg bleiben und uns weiter einmischen, damit die Demokratie erhalten wird. Wir sind nicht nur eine lustige Oma-Hauben-Gruppe.“

Alle, die noch nicht zu „Omas gegen Rechts“ gehören oder einfach so als einzelne*r nie auf Demonstrationen gehen oder sich anders engagieren – haben Sie einen Appell an sie?

„Ich verstehe alle, die beruflich unglaublich eingespannt sind. Aber die Leute, die am Abend stundenlang Netflix schauen, sollten endlich wieder aufstehen und sagen ,ich lass jetzt die Serie und kümmere mich um die Welt‘. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu beteiligen und wir müssen die jungen Menschen, die wirklich ein feines Gespür haben, doch unterstützen.“

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