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Nein, ein Baby verändert meine Freundschaft zu Frauen ohne Kind nicht!

„Kann ich noch mit Kinderlosen befreundet sein?“, fragte Katharina Höftmann bei uns in einem Text. Ines Schipperges findet: Ja! Ich brauche meine Freundinnen als Mutter mehr denn je.“

Verändert Muttersein Freundschaften?

Mutter. Das Wort hat eine Wucht, die mich umhaut, seit ich vor eineinhalb Jahren einen Sohn bekommen habe. Mutter. Bäm. Ganz oder gar nicht. Du bist es oder du bist es nicht. Und wenn du es bist, hast du keine Kapazität mehr, irgendwas anderes zu sein. Eine Freundin, zum Beispiel. Auch für Menschen, die keine Kinder haben. Auch für Menschen, für die Freundschaft nicht bedeutet, zusammen in Sandkästen oder in Pekip-Kursen rumzuhängen, gemeinsam Wollseidestrampler in Pastell zu shoppen oder die besten Tipps gegen Zahnen, Trotzanfälle und grüngelbliche Flecken auf pastellfarbenen Wollseidestramplern auszutauschen.

Vielleicht bin ich naiv. Vielleicht dauert der Grundkurs im Muttersein länger als ein Jahr, vielleicht kann man erst nach sechs oder sechzehn Jahren überhaupt mitreden. Doch ich brauche meine Freundinnen heute mehr denn je. Ich brauche das Gefühl, wichtig zu sein, und das nicht nur für diesen einen Menschen, der für mich wichtiger ist als alles andere. Ich brauche das Gespräch mit Menschen, die mehr antworten als „dada“, wenn ich ihnen erzähle, was in meinem Leben und in der Welt gerade schiefläuft, und sie um Rat frage, was man daran ändern könnte. (Und ja, ich habe lange gewartet, ob daraus vielleicht noch „Dadaismus“ wird, aber es ist nicht passiert.) Ich brauche die Gelegenheit, auch mal etwas zu tun, was mir Spaß macht – und nein, Mama-Kind-Yoga und Babyschwimmen gehören nicht dazu. Ich liebe meinen Sohn, ich gehe gerne ins Yoga und noch lieber schwimmen, aber auch das ehrlich gesagt lieber mit meinen Freundinnen als mit meinem Kind. Ich brauche meine Freundschaften, die ich seit Jahrzehnten hege und pflege. Durch dick und dünn, in guten wie in schlechten Zeiten: Ein Kind zu bekommen, ist ein wenig von allem. Warum sollte ich diese Freundschaften also auf einmal auf Eis legen? Warum sollte ich mich stattdessen gar mit Leuten anfreunden, mit denen ich nichts weiter gemeinsam habe als ein Kind im zufällig selben Alter?

Ach ja. Die Sache mit dem Verständnis. Dass Menschen ohne Kinder Menschen mit Kindern einfach nicht verstehen können. Dass als Mutter einfach alles anders wird, dass man sich grundlegend ändert, anders fühlt, anders denkt, anders ist. Weil man Mutter ist. Dass man sich das alles, bevor man Mutter wird, nicht vorstellen kann. Und ja, ich konnte es mir nicht vorstellen. Und ich kann es mir auch jetzt nicht vorstellen.

Als Mama wirst du nicht zu einer anderen Frau

Was hat sich in diesem einen Jahr geändert? Vieles. Ich habe wenig geschlafen, ja. Ich war glücklich und verzweifelt, ja, ich habe Auf und Abs erlebt. Aber es gibt auch Dinge, die sich nicht geändert haben. Die Menschen, die mit mir Glück und Verzweiflung geteilt haben, die mich durch Aufs und durch Abs begleitet haben. Meine Freunde. Dieselben wie immer, einige mit, einige ohne Kinder.

Und noch etwas hat sich nicht geändert: Ich. Ich bin immer noch dieselbe, ich fühle mich genauso, ich denke genauso wie vor der Geburt meines Kindes. Und darum will ich Zeit mit den Menschen verbringen, die mich wirklich kennen, seit Jahren oder Jahrzehnten, und mich nicht erst in den letzten Monaten zwischen Windelwechseln und Spinatbreifüttern kennengelernt haben.

Das heißt nicht, dass nicht auch am Sandkasten enge Bindungen entstehen können. In jeder Lebensphase lernt man einen Haufen Leute kennen, weil man zufällig etwas gemeinsam hat. Dasselbe Hobby, dieselbe Schule, denselben Job. Oder ein Kind im selben Alter. In diesem Haufen findet man, wenn man Glück hat, ein oder zwei besondere Menschen, mit denen einen mehr verbindet als diese oberflächliche Gemeinsamkeit. Und dieses Mehr unterscheidet nicht danach, ob jemand Kinder hat oder nicht.

Ich brauche beide Welten!

Ganz ehrlich: Oft finde ich es sogar angenehmer, kinderlose Freundinnen zu treffen. Die sitzen schon entspannt vor ihrem Glas Weißwein, statt entweder abgehetzt und eine halbe Stunde zu spät mit Kind zu erscheinen (entgegen der Abmachung eines kinderfreien Abends), eine halbe Stunde lang damit zu verbringen, dem Kind Reiswaffeln in den Mund zu stopfen, und dann rasend schnell wieder zu verschwinden, weil die Kleine längst schlafen sollte, sich aber mal wieder nicht von Papa ins Bett bringen ließ. Oder abgehetzt anderthalb Stunden zu spät ohne Kind zu erscheinen, eine halbe Stunde damit zu verbringen, lamentierend zu erklären, wie schwierig es war, sich für diesen Abend frei zu machen, und dann rasend schnell wieder zu verschwinden, um lieber doch mal zu schauen, ob die Kleine auch wirklich schläft.

Kinderlose Freundinnen dagegen sind, trotz stressigem Job, trotz stundenlanger Pendelei zum stressigen Job, trotz Wochenendbeziehung, jederzeit bereit zuzugeben, dass ein Leben mit Kind natürlich tausendmal anstrengender ist als alles, was in ihrem Leben gerade los ist, und sie deswegen gerne zum fünften Mal hintereinander die achtzig Kilometer Weg auf sich nehmen. Und ganz nebenbei hat niemand tollere Geschenkideen als kinderlose Freundinnen. Nichts gegen praktische Windeltaschen und Babynahrungsportionierer, davon kann man natürlich nie genug haben, aber: Welche Mutter käme schon auf die Idee, geschweige denn würde sich die Zeit nehmen, aus drei großen Kissen und einem Handtuch einen (beinahe) lebensgroßen Elefanten zu nähen, für ein Kind, das nicht das eigene ist?

Es tut mir leid, ich sehe den Graben nicht. Nein, es tut mir nicht leid, ich bin froh, diesen Graben nicht zu sehen. Ich freue mich, wenn mich eine kinderlose Freundin darum bittet, abends mit ihr auszugehen – denn selbst wenn ich absagen muss, sehe ich darin ein Zeichen, dass sie mich durchaus als Mensch und nicht nur als Mutter wahrnimmt, freue mich, dass sie mir zugesteht, mein Kind beim Vater oder beim Babysitter zu lassen (ohne mich damit als Rabenmutter abzustempeln). Ich bemitleide eine vom Job erschöpfte Freundin, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie ein anstrengender Tag bei der Arbeit schlauchen kann. Weil ich weiß, dass mein Kind, das mich die ganze Nacht genervt hat, zumindest nicht von mir erwartet, am nächsten Morgen in der Zehn-Uhr-Sitzung ein Dutzend schlauer Themenideen vorzulegen, sondern mit drei stupide hingesummten Strophen „Hänschen klein“ mehr als zufrieden ist.

Das Gemeinsame sehen

Und was die Erziehungstipps von Hundebesitzern angeht: Ich bin der Meinung, dass jede Mutter davon nur profitieren kann. Eine Freundin von mir (die keine Kinder hat und will) hat letztes Jahr einen Dackel bekommen. Seitdem führen wir voller gegenseitigem Verständnis Gespräche über Freud und Leid in unserem neuen Alltag.

Sie: „Woah, du glaubst es nicht, der Kerl hat die ganze Nacht geheult. Ich lag im Bett und hab ihn stundenlang gestreichelt, aber er wollte einfach nicht einschlafen. Irgendwann hatte er mich soweit und ich bin tatsächlich mit ihm aufgestanden …“

Ich: „Und ob ich das glaube, meine Nacht war haargenauso!“

Sie: „Also gestern ist mir ja klargeworden, wie unangenehm das als Mutter sein kann, wenn man einkaufen geht und das Kind den ganzen Laden zusammenbrüllt. Ich war bei Aldi und er hat gekläfft und gekläfft und ließ sich einfach nicht beruhigen – so peinlich!“

Ich: „Hee, was hast du da im Mund, das gibt’s nicht, der kaut schon wieder an meinen Hausschuhen rum. Gestern hat er allen Ernstes versucht, die Tischbeine anzunagen.“

Sie: „Haha, meiner auch, und dann kratzt er immer so an den Stühlen herum …“

Ich: „Ja, und scharrt dabei mit den Pfoten, äh, Füßen … Na, wenigstens ist deiner schon stubenrein …“

Das Wichtigste an einer Freundschaft

Egal, ob Hund, Job oder Kind: Das Wichtigste in einer Freundschaft ist es schließlich, sich für den anderen zu interessieren. Für das, was die Freundin gerade umtreibt, für das, was sie am meisten beschäftigt. Hat die Freundin einen neuen Hund, werden die Gespräche eine Zeitlang dominiert von Hundeschulen und Leckerlis. Fängt sie einen neuen Job an, dann jammert sie über den fiesen Chef und die endlosen Überstunden. Renoviert sie die Küche, beruft sie sämtliche Freunde zur Abstimmung: Kiefer lackiert versus Wildbuche geölt. Und bekommt sie ein Baby, hält sie die Freunde via Liveticker auf dem Laufenden, was das Baby gerade tut (Bäuerchen), nicht tut (schlafen) oder denkt (wahrscheinlich nicht viel, es ist ein Baby). Und gute Freunde hören zu und fragen nach. Eine Zeitlang. Und dann sind sie auch mal wieder dran – damit, von den unwahrscheinlichen Fähigkeiten des neuen Dackels, des neuen Lovers oder des neuen Thermomix zu schwärmen.

Es stimmt schon. Auch ich finde alles, was mein Sohn tut, weitaus interessanter als alles, was alle anderen Menschen auf der Welt tun, interessanter als alle preisgekrönten Ausstellungen, oscarprämierten Filme, weltpolitischen Geschehnisse und sozialkritischen Debatten. Ich finde es interessant, wie er sich manchmal hinstellt und dann mit voller Absicht auf den Po fallen lässt. Ich finde es interessant, dass er tiefschwarze Wimpern hat, aber eher helle Augenbrauen. Ich finde es interessant, dass er Wasser gerne aus dem Strohhalm trinkt, Milch dagegen nicht. Und ich freue mich, dass meine Freundinnen mich netterweise darüber schwadronieren lassen. Und freue mich dann, ihnen zuzuhören, wenn sie von ihrem Hund, ihrem Chef oder ihrem Lover erzählen. Oder von ihrem eigenen Kind, das ebenfalls viele uninteressante Dinge tut und kann, die ich (eine Zeitlang) ebenfalls gerne interessant finde.

Vielleicht sind das Problem ja weniger die Kinderlosen, die sich nicht vorstellen können, wie es ist, ein Kind zu haben. Sondern die Mütter, die sich nicht mehr erinnern können, wie es ist, kein Kind zu haben.

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