Seitdem ich Mutter geworden bin, werden die Freundschaften zu Menschen ohne Kinder immer schwieriger. Muss das wirklich sein?
Ein Graben zwischen Eltern und Kinderlosen
Als ich mit meinem ersten Sohn schwanger war, haben mich zwei Arten von Menschen so richtig genervt: diejenigen, die Panik verbreiteten und meinten, mit einem Kind würde sich alles verändern. Und diejenigen, die so taten, als wäre das Kinderkriegen wie ein Autokauf. Ja, der neue Wagen wird anders fahren, aber er wird nicht fliegen, er wird immer noch fahren. Und noch etwas störte mich an Menschen, die schon Kinder hatten: Sie wollten viel über ihre Kinder reden und schienen ständig ein wenig gedankenabwesend – vor allem aber wirkte es so, als ob sie ihre Zeit am liebsten mit anderen Eltern und ihren Kindern verbringen.
Ich nahm mir also fest vor, keine von diesen Müttern zu werden. Weiterhin mit meinen Single-Freundinnen zu verreisen und nach wie vor anspruchsvolle Gespräche zu führen. Mit meiner zweiten Schwangerschaft, einem fast dreijährigen Sohn und einer Karriere wird mir jedoch immer klarer, dass es einen tiefen Graben zwischen den (noch) Kinderlosen und mir gibt. Manchmal kommt mir dieser Gedanke, wenn eine kinderlose Freundin gnadenlos einfordert, dass ich trotz Kind und Schwangerschaft unbedingt noch abends mit ihr ausgehen sollte. Manchmal, wenn meine sehr karriereorientierte, hart arbeitende, beste Freundin ihre Müdigkeit mit meiner vergleicht. Und vor allem dann, wenn eine Kollegin gut gemeinte Erziehungskommentare auf Basis der Erfahrungen mit ihrem Hund gibt. In solchen Momenten beiße ich mir oft auf die Unterlippe und versuche einen Augenroller zu vermeiden, denn, sie können es ja gar nicht besser wissen, auch ich habe solche Dinge durchaus gesagt, als ich selbst noch nicht Mutter war. Auch ich dachte, meine drei Katzen seien bestimmt so herausfordernd wie die Mutterschaft.
Es wird eben wirklich alles anders
Aber, wenn ich ehrlich bin – dieses Schweigen wächst sich zu einer Fremde aus, die ich gerade bei engen Freunden unerträglich finde. Ich will, dass sie mich verstehen. Ich verstehe sie, weil ich auch mal kinderlos war – aber umgekehrt? Ich will diesen Graben nicht zwischen uns haben. Ich will, dass wir uns weiterhin nah sein können, so wie früher, als wir die Nächte durchtanzten und dreimal am Tag telefonierten. Deshalb starte ich nun einen kleinen Erklärungsversuch, darüber, was es bedeutet Mutter zu sein:
So sehr mich die Panikmacher nervten, sie hatten recht: Ein Kind zu bekommen, wirft alles über den Haufen. Das muss nicht unbedingt negativ sein (auch wenn es das manchmal ist) und es muss nicht immer bedeuten, dass man danach ein völlig anderer Mensch ist. Aber nachdem mein Sohn geboren wurde, beschrieb ich das gerne so: Es fühlt sich an, als hätte ich ein Haus fertig eingerichtet, alles stand gerade so schön an seinem Platz und dann kam ein Hurrikan vorbeigerauscht. Es wird Jahre dauern, bis ich das Chaos beseitigt habe und es wird hier nie wieder wie vorher aussehen, auch wenn wir alle vielleicht immer noch in dem gleichen Haus leben!
So wie niemals zuvor
Mutter zu sein ist nicht nur ein Fulltimejob, eine Lebensaufgabe, es macht dich so glücklich und so verzweifelt wie nichts anderes zuvor. Nimm all die verkorksten und tollen Liebesgeschichten deines Lebens zusammen und multipliziere sie mit der Unendlichkeit und dann hast du eine Vorstellung vom emotionalen Auf und Ab, das ich als Mutter empfinde.
Diese schier unbegreifliche Verantwortung, dieses Immer-präsent-sein (denn seien wir mal ehrlich, selbst wenn das Kind mal nicht bei einem ist, so denkt man doch alle paar Minuten an ihn oder sie, direkt oder indirekt) erschöpfen dich mental. Die tatsächlich gerade mit kleinen Kindern verbundene Schlaflosigkeit und die Körperlichkeit, die man mit Kindern auf Spielplätzen erlebt, erschöpfen einen zusätzlich körperlich. Und ja, kleine Kinder schlafen irgendwann durch und trotzdem sind sie immer wieder krank, haben Albträume oder machen gerade anstrengende Entwicklungsphasen durch. Dein Bett ist plötzlich nicht mehr dein Bett, deine Nacht nicht mehr deine Nacht, deine Zeit nicht mehr deine Zeit – selbst aufs Klo gehst du meist in Gesellschaft. Kinder gehen nie weg, sie brauchen dich immer (außer wenn sie dann doch mal tief und fest schlafen), du machst dir immer um ihr Wohlergehen Sorgen. Und du liebst sie so sehr, dass es dich manchmal zu ersticken droht. Ein Leben lang. Ein ganzes Leben lang.
Kinder lösen ein neues Glücksgefühl aus
Aber es ist nicht nur die Anstrengung, die sich Menschen ohne Kinder gar nicht vorstellen können, es ist vor allem das Glück. Ich brauche diese exzessiven Partynächte nicht mehr und ich muss mir nicht beweisen, dass ich nicht langweilig geworden bin. Dieser kleine Mensch, mein Sohn, diese Person, mit der ich seit fast drei Jahren die meiste Zeit in meinem Leben verbringe, genügt mir meist. Natürlich nicht immer. Natürlich schätze ich die Gespräche mit meinen Freundinnen, natürlich gehe ich gerne essen, ohne jemand anderes füttern zu müssen – aber vor allem bin ich durch mein Kind so erfüllt wie nie zuvor. Es macht mich glücklich, ihn lachen zu sehen. Es macht mich zutiefst glücklich, zu sehen, wie er wächst. Und diese Liebe, die ich für ihn empfinde, wird auch noch immer größer.
Ja, auch vor meinem Kind konnte ich mich sehr an Dingen freuen, ich bin wirklich ein begeisterungsfähiger Mensch – ich liebe Essen, gute Musik, tolle Filme, Reisen und manchmal so profane Dinge wie eine Handtasche. Und ich glaube auch nicht, dass mein Leben ohne Kinder weniger lebenswert war oder noch nicht richtig angefangen hatte, aber dieses perfekte Glück, das habe ich so noch nie zuvor erfahren. Und auch nicht diese innere Ruhe, die ich spüre, wenn es meinem Kind gut geht. Wenn man einmal dieses krasse Glück erfahren hat, dann weiß man eben, dass das – ein Essen, eine Reise, eine durchfeierte Nacht – alles schön ist, aber eben nicht annähernd mithalten kann. Und manchmal tut mir das leid und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich mich eben nicht mehr so wie vorher für diese Sachen begeistern kann.
Miteinander mitfühlen
Und weil ich mit „wir“ und „uns“ eben immer in erster Linie meine Familie meine. Ich weiß, dass das für meine Freunde auch ein Verlust ist. Dass sie mich an dieses „andere“ Leben ein bisschen verloren haben. Und dass ich zu der Freundin, die in der Zwischenzeit auch ein Kind bekommen hat, halt doch ein engeres Verhältnis habe, weil sie erlebt, was ich erlebe.
Und das ist irgendwie nicht fair. Aber es ist eben auch nicht fair, wenn ich mich ständig erklären muss. Und wenn ich ständig um Verständnis werben muss für etwas, was die anderen vielleicht sowieso nicht verstehen werden. Das Problem ist, Mütterblogs liest man erst, wenn man selbst Mutter wird. Dabei sollte vielleicht jeder, der eine Freundin hat, die Mutter ist, auch mal einen Blick hinein werfen. So wie man den Auslandsteil in der Zeitung liest, auch wenn einem nicht immer klar ist, wie und ob die Geschehnisse in anderen Ländern einen direkt betreffen. Der Graben wird wahrscheinlich immer bleiben, aber vielleicht können wir einfach eine Brücke bauen?
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