In ihrer Thirtysomething-Kolumne schreibt Silvia über alles, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und diese Woche über attraktive Attribute.
Sind nette Männer die Verlierer im Dating-Game?
Kürzlich erreichte uns Leserpost von einem Mann, den das Gefühl plagt, als netter Typ käme man bei den Frauen einfach nicht an – zumindest nicht bis in Herz und Bett. Vielmehr, so seine Erfahrung, hätte man vor allem die Schulter zum Ausweinen und ist der mit den guten Ratschlägen, aber nie jener, mit dem man sich ein amouröses Unterfangen vorstellen könnte. Kurz: liebe Männer sind die ewigen Kumpels, oder?
Tja, die Frage, was wir Frauen denn eigentlich attraktiv an einem Mann oder Menschen im Allgemeinen finden, ist in der Tat eine verdammt gute. Und sie kann kaum pauschal beantwortet werden. Nichtsdestotrotz scheint sich die Idee des netten, und deshalb weniger attraktiven Mannes bei aller Skepsis bezüglich klassicher Rollenbilder weiterhin hartnäckig zu halten – tatsächlich kursiert die Vorstellung auch innerhalb meines männlichen Freundeskreises immer wieder. Aber geht auch mein weiblicher davon aus, dass nette Männer eher das Trockenobst in der Frischeauslage sind? Und wenn ja, warum könnte das so sein?
Wie darf er denn sein, liebe Frauen?
Klar, es gibt einige, wahrscheinlich sogar viele Frauen, die als schnelle Antwort auf die Frage ihres „Beuteschemas“ jene geben, dass sie sich selbstsichere, aufregende Männer wünschen. Aber das schließt wohl kaum aus, dass es sich dabei auch um nette Männer handeln könnte. Zudem fallen übrigens sehr viel häufiger Adjektive wie lustig, zuverlässig, treu, ambitioniert, neugierig, ehrlich oder auch „auf keinen Fall CSU-Mitglied“. Der Typus „egoistisches Arschloch“, falls man nun den krassen Gegensatz zu nett aufmachen möchte, ist dagegen kaum etwas, das einen Wunsch definiert, sondern ist eher ein Begriff, der im Nachgang einer gescheiterten Beziehung oder einer missglückten Affäre gebraucht wird. Entweder aus überraschter Enttäuschung oder weil sich die zu Beginn als sexy-unnahbar getarnten Männer eben dann doch als solche entpuppten.
Es kann also durchaus sein, dass genau dieses nicht vordergründige Nettsein im Sinne von einer gewissen Unnahbarkeit oder auch einer sehr unverstellten Sicht auf die höchsteigenen Bedürfnisse tatsächlich einen gewissen Reiz ausübt. Dass sich trotz aller Arbeit am Geschlechterthema der archaischer Instinkte immer noch ungeachtet unserer Mühe seinen Weg in unser Liebesleben bahnt. Und doch wäre das einfach zu eindimensional. Nun, wenn man es als Einzelne nicht so genau weiß, kann man ja mal nachhören, was die Masse so sagt. In dem Fall etwa die Ergebnisse einer Studie des internationale Forschungs- und Datenanalyse Unternehmens YouGov, das wissen wollte, welche inneren Werte für Frauen bei einem Mann wichtig sind. An erster Stelle kommt (sag ich doch!) der Humor, es folgen Intelligenz, Höflichkeit und Selbstbewusstsein – keine großen Überraschungen also. Interessant ist allerdings, dass nur zwei Prozent der Frauen Zurückhaltung attraktiv finden. Und das könnte doch durchaus ein Anhaltspunkt sein.
Was ist denn eigentlich nett?
Denn wenn wir herausfinden wollen, was als attraktiv wahrgenommen wird, muss man natürlich auch definieren, über was man redet. Wenn wir also die etwas schwammige Zuschreibung nett mit einer gewissen Schüchternheit verbinden (was absolut nicht notwendig wäre), man sich also nicht so recht traut, sich zu offenbaren oder anzunähern, kann das natürlich ein Grund für den ewigen Kumpelstatus sein – wahrscheinlich vor allem, weil die entsprechende Frau gar nicht mitbekommt, dass Interesse besteht. Aber auch hierbei sollte man sich wohl kaum dazu hinreißen lassen, das absolut zu sehen – schließlich sind erobernde Männer genauso wenig das Credo, wie wir hier von einer unternehmerischen Jahresbilanz sprechen, bei der man die relevanten Faktoren einfach so gegeneinander aufrechnen könnte. Es müssen also auch die schüchternen Männer keine Furcht vor ewiger Einsamkeit haben – schließlich gibts genug selbstbewusste Frauen, die gerne den ersten Schritt machen und kann auch, um der Studie zu widersprechen, Zurückhaltung und ein dadurch verlangsamter Anbahnungsprozess durchaus etwas Magisches haben. Wie immer kommt es auf den Blickwinkel an.
Lassen wir das also. Bei dem Versuch, eine Regel für Liebesdinge und das Paarungsverhalten zu finden, driftet man einfach viel schneller in Klischees ab als man das Wort Attraktivitätsmerkmal aussprechen kann. Und die machen das Bild in der Regel nicht klarer, sondern lassen eher noch etwas mehr Dunst aufziehen. Die Liebe beschreibt doch letztlich immer den Einzelfall und genau deshalb ist das hier die einzige Antwort, die ich ernsthaft darauf geben kann:
Bei allem Zwischenmenschlichen ist es durchaus nicht die schlechteste Ausgangslage, nett zu sein. Denn wie könnte das ausschließen, auch attraktiv zu wirken? Ganz besonders, wenn nett Liebevolles, Integrität, und Aufmerksamkeit in sich vereint. Jemanden kennenzulernen, dem man vertraut und der um einen guten Umgang miteinander bemüht ist – jesses, wer wünscht sich das denn nicht?
Es ist sogar ziemlich aufregend, wenn ihr mich fragt. Nett sein ist eine Haltung, kein Tranquilizer. Also, nette Männer, beruhigt euch und geht bloß nicht in Sack und Asche, weil ihr zu den Guten gehört, sondern packt das Kinn doch gerne mal eine Stufe höher und begebt euch weiter auf die Suche. Wenn ihr denn nicht schon längst gefunden wurdet.
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