Man kennt das: ein blöder Spruch, eine unangenehme Situation und erst Stunden später fällt einem der richtige Konter ein. Nicole Staudinger ist Autorin, Speakerin und Schlagfertigkeits-Trainerin. Mit uns hat sie über das Überwinden von Schicksalsschlägen und wie man schlagfertiger sein kann, gesprochen.
„Schlagfertigkeit ist eine Lebenseinstellung“
Gibt es in Gesprächen klare Grenzen oder kann man im richtigen Tonfall alles sagen? Nicole Staudinger sagt ja, das geht! Das Problem ist nur: Es fällt eben nicht immer leicht, in bestimmten Situationen, bei einem kleinen Malheur oder in einem unangenehmen Moment, die richtigen Worte zu finden. Dabei geht es auch nicht darum sein Gegenüber zu ärgern, sondern vielmehr darum die Kontrolle zurückzugewinnen und so zu beeinflussen, was die Situation mit einem selbst macht. Ähnlich sieht es bei Schicksalsschläge aus – auch über sie haben wir keine Macht, der Umgang damit liegt aber zu großen Teilen in unserer Hand. Die Autorin ist überzeugt, wer für sich selbst einstehen kann, dem wird auch nicht der Boden unter den Füßen weggerissen.
Im Interview mit EDITION F spricht Nicole Staudinger über ihr neues Buch „Stehaufqueen“, wie es ihr gelingt, ihren Alltag schlagfertig zu meistern und wie sie mit einem Schicksalsschlag in ihrem Leben umzugehen gelernt hat.
Auch der ein oder anderen Frage nimmt sie charmant die Luft aus den Segeln. Aber da muss man bei einem Schlagfertigkeits-Coach eben durch.
Blöde Anmachen, peinliche Situationen und unnütze Diskussionen – im Alltag begegnen uns oft Momente, die uns ein wenig sprachlos zurücklassen. Sie sind auch als „Schlagfertigkeitsqueen“ bekannt. Welchen Tipp von Ihnen kann man direkt umsetzen, um schlagfertiger handeln zu können?
„Schlagfertigkeit ist keine Frage der Rhetorik. Es ist eine Lebenseinstellung. Die Frage: ,Wem gestehe ich eigentlich zu, mich zu treffen. Wer ist es mir persönlich wert, dass ich mir wertvolle Lebenszeit durch ärgern klauen lasse‘, dies steht – meiner Meinung nach – über allem. Und vielleicht ist es ein erster Schritt, dass wir uns klar machen, dass wir nicht jeden Schuh, der uns gereicht wird, auch anziehen müssen. Oft passen die nämlich gar nicht.“
Schlagfertigkeit ist oft nicht nur bloße Selbstverteidigung. Oder? Ein blöder Spruch geht einem selbst vielleicht leicht von den Lippen, bringt andere zum Lachen und tritt dabei wieder jemandem auf die Füße. Halten sich Schlagfertigkeit und Taktlosigkeit die Hand?
„Äh, nee! Oftmals verwechselt man das gerne auch mit ,zickig‘. Der Schlüssel dazu liegt aber im Tonfall. Wir können im richtigen Ton alles sagen und im falschen nichts. Und ja, nach zigtausenden von Frauen in den Seminaren, darf ich sagen, dass hier oft noch das ,Problem‘ liegt. Du kannst auch den coolsten Spruch so zickig sagen, dass du verbrannte Erde hinterlässt. Und das tut gar nicht not. Das geht auch in charmant.“
Es gibt diese „ach, hätte ich doch das gesagt“–Momente. Kennen Sie das auch andersrum? Einen „ach, hätte ich das doch lieber nicht gesagt“–Moment?
„Eigentlich nicht. Und wenn doch, sprechenden Menschen kann geholfen werden. Ich breche mir keinen Zacken aus der Krone, wenn ich mich dann einfach entschuldige.“Erzählen Sie doch mal von einer Situation als Ihr Gegenüber von ihrer Schlagfertigkeit überrascht oder überfordert war.
In Ihrem neuen Buch „Stehaufqueen“ schreiben Sie über kleine Malheure im Alltag, aber auch über die großen Schicksalsschläge, die einem den Boden unter den Füßen wegreißen. Es ist alles sehr persönlich. Sie sagen gegenüber Schicksalsschlägen sein wir machtlos, aber wir können selbstbestimmt mit ihnen umgehen. Wie genau kann so eine Ermächtigung aussehen?
Gab es in Ihrem Leben schon mal eine Situation, bei der Sie gezweifelt haben, wieder aufstehen zu können? Wie sind Sie damit umgegangen?
„Na klar. Als die Chemo so richtig ausholte. Oder nach der Mastektomie, als die Schmerzen wirklich fast unerträglich waren. Ja, da dachte ich, ich schaff das nicht. Mir haben Menschen geholfen, die mich nicht gewaltsam an den Haaren aus dem Loch ziehen wollten, sondern solche, die sich zu mir ins Loch gesetzt haben. Ich brauchte keinen Zeigefinger, sondern ein Ohr.“
Sie wollen keine Ratschläge geben. Ratschläge würden immer noch Schläge bleiben. Aber in ihrem Buch stellen sie unterschiedliche Stehauf-Regeln auf. Wie passt das zusammen?
„Es macht einen himmelweiten Unterschied, wie ich Steh–Auf–Möglichkeiten formuliere. Ob ich sage: ,Mir hat das geholfen, also MUSST du das auch probieren.‘ Oder ob ich sage. ,Mir hat das geholfen. Punkt.‘ Ich habe mit Überstülpung ein riesen Problem. Und ich habe die Weisheit nicht mit dem Löffel gefressen. Die Steh-Auf-Möglichkeiten im Buch zeigen nur, wer sich wie aus dem Loch gerettet hat. Was die Leser*inen dann daraus mitnehmen, das ist ihnen überlassen.“
Der Untertitel zu „Stehaufqueen“ lautet: Die Herausforderungen des Lebens elegant und majestätisch meistern. Ist Eleganz nicht ein schwieriger Anspruch an das Überwinden von Schicksalsschlägen, die jemanden am Boden zurückgelassen haben?
Sie haben ja das Buch nicht ausschließlich für Frauen geschrieben, obwohl es sich doch sehr stark an Frauen richtet. Wie kommt das?
Wie hängt denn eigentlich Schlagfertigkeit mit Wieder-Aufstehen zusammen?
Und auch hier gilt: Ich kann mein Gegenüber, der mich vielleicht gerade beleidigt hat, nicht ändern. Aber ich kann beeinflussen, was es mit mir macht.
Und wenn mir wieder die passende Antwort fehlt, dann ist das so. Chance vertan. Aber auch danach habe ich es wieder in der Hand, wie ich mit mir rede. Ob ich sage ,Du blöde Nuss, jetzt haste die Schlagfertigkeitsqueen gelesen und dir fällt immer noch nix ein!‘ oder ob ich zu mir sage: ,Gut, heute nicht. Vielleicht Morgen.‘”