Foto: Meisterclass

„Gründen ist eine Lebenseinstellung“

Funktioniert das? Linda Dannenberg und Verena von Stromberg haben sich mit einem Strick-Startup selbstständig gemacht.

 

Das Startup mit der Stricknadel

Von Zahlen zum Garn: Linda Dannenberg und Verena von Stromberg haben sich bei ihrer Unternehmensgründung ganz neu orientiert. Im Mittelpunkt ihres Startups Meisterclass steht die Handarbeit. Sie produzieren Onlinekurse, um stricken zu lernen. Nach und nach soll das Angebot auch für andere Techniken erweitert werden. Zentral ist für die beiden Gründerinnen auch die Online-Community, die rund um ihr Unternehmen entsteht. Klickt man auf ihrer Website auf „Showroom“, erhält man keine Adresse für einen physischen Raum, wo man sich Strickmuster ansehen kann. über Instagram sammeln sie gemeinsam mit denjenigen, die über Meisterclass zur Handarbeit gekommen sind, die Ergebnisse in Bildern.

EDITION F hat mit Linda und Verena über ihre Gründungsidee, das Image von Handarbeit und ihre Zukunftspläne gesprochen.

Aus der Unternehmensberatung zum eigenen Strick-Startup. Wie hat sich dieser Schritt angefühlt?

Verena: „Großartig und sehr erfüllend. Es ist wirklich ein besonderes Gefühl, nur für sich selbst zu arbeiten und die eigenen Ideen frei auszuleben. Schön ist auch, dass man sich sonntags immer freut, dass morgen wieder Montag ist. Aber klar, der Schritt die Sicherheit des festen Jobs aufzugeben war groß und das Wasser eiskalt. Aber das gehört dazu – und die Höhepunkte sind dafür umso intensiver.“

Linda: „Der Schritt hat sich wahnsinnig toll angefühlt. Am Anfang schwebt man auf einer ganz anderen Wolke, wie wenn man verliebt ist. Man sieht keine Risiken oder Stolpersteine, sondern will nur die Welt mit der eigenen Idee verändern. Das ist eine ganz tolle Zeit.“

Hattet ihr das eigene Unternehmen immer als Karriereschritt auf dem Zettel?

Linda: „Ich habe seit meinem Studium in der Startup-Szene gearbeitet und war vor Meisterclass als Associate bei einem Venture Capital Fonds. Während dieser Zeit durfte ich viel mit großartigen Gründern zusammenarbeiten. Für viele ist dieser Schritt in einem Job so nah an der Gründerszene logisch, aber ich hatte immer einen riesen Respekt vor Gründern und traute es mir eine ganze Weile nicht zu. Obwohl die Gründung am Anfang für mich noch sehr weit weg war, wurde es während meiner zweieinhalb Jahre als Angestellte immer wahrscheinlicher. Ich wusste aber: Ich kann nur ein Thema verwirklichen, für das ich mit Leib und Seele brenne. Ich würde es weniger als Karriereschritt sondern mehr als Lebenseinstellung bezeichnen. Als wir uns dann für die Gründung entschieden haben, konnte ich nicht mehr anders, als alles über den Haufen zu werfen und full-time für mein eigenes Startup zu ackern.“

Verena: „Geträumt habe ich lange davon, auch stark geprägt durch meine Eltern und Geschwister, die alle Selbstständig sind. Ich wusste aber nie so recht wie, mit wem und was. Während meiner Zeit in der Unternehmensberatung habe ich viele verschiedene Projekte und Konzepte begleitet und gespürt, wie gerne ich eine Idee weiter vorantreiben wollen würde als nur bis zur Abgabe beim Kunden. Die Idee zu Meisterclass und Linda kamen dann über einen Zufall um die Ecke – das war die perfekte Kombination aus Timing, Projekt und Team. Ob es Karriere ist oder nicht, hier geht es in erster Linie um die Leidenschaft für das Projekt.“

Könnt ihr euch erinnern, was ihr als Kinder werden wolltet?

Verena: „Auch hier spielen meine Eltern sicherlich eine große Rolle, die voller Leidenschaft das eigene Geschäft geschmissen haben. Zusammen mit einer Freundin war es bei mir das Reisebüro, das im Kinderzimmer nachgestellt wurde, mit Telefonanlage, Terminkalender und Kundenbesuchen von Puppen. Die Organisation, Planung und eigene Ideen umzusetzen, war es, was mich hierbei früh fasziniert hat.“

Linda: „Ich wollte bis zu meinem 18. Lebensjahr Schauspielerin werden. Schon damals hat mich ein Beruf voller Leidenschaft gereizt. Jetzt kann ich immer noch auf großen Bühnen davon profitieren.“

Welche Reaktionen gab es aus eurem Umfeld auf die Idee?

Verena: „Die ersten Reaktionen waren eher überrascht, à la “…was mit Stricken? Du? Kannst du das?“ Aber sobald ich das Konzept genauer erklärt habe, wuchs der Zuspruch deutlich. Und besonders seit dem Launch, als die Welt von Meisterclass sichtbar wurde, ernten wir Bewunderung für den Mut und Zuspruch für die Idee. Der Support von Freunden und Familie ist uns unheimlich wichtig und tut sehr gut.“

DIY ist schon lange ein Trend. Menschen, die handwerken können, verkaufen ihre Produkte über Plattformen wie Dawanda und Etsy. Wer ist eure Zielgruppe und wie habt ihr sie eingegrenzt?

Linda: „Wir richten uns an junge, modebewusste Frauen und Männer, die viel Zeit im Büro oder vor dem Computer verbringen, sich in der Freizeit nach einem Ausgleich sehen und bisher nur bedingt Berührungspunkte mit Handarbeit hatten. Uns selbst ging es ähnlich – wir waren in unseren alten Jobs stark eingespannt und hatten nach Feierabend oft das Gefühl, nichts „Echtes“ geschaffen zu haben. Das ist natürlich auch ein Resultat der steigenden Digitalisierung und Schnelligkeit unserer Arbeitswelt und des Alltags. Unserer Zielgruppe ist der Ausdruck der Individualität sehr wichtig, orientiert an aktuellen Mode- und Designtrends. Und Handarbeit kann – mit den richtigen Designs und Materialien – wirklich cool und hip sein.“


Hat die digitale Generation verlernt, mit den Händen zu arbeiten?

Verena: „Nein, verlernt glauben wir nicht. Wir sind es nur nicht mehr gewöhnt, uns die Zeit und Ruhe zu nehmen, etwas Schritt für Schritt zu gestalten. Die Generation unserer Eltern hatte Fächer wie Handarbeit noch in der Schule, aber das wurde bei uns aus den Lehrplänen gestrichen. Somit gewinnen traditionelle Hobbies wie Stricken, Nähen oder Gartenarbeit an Beliebtheit, um dabei abzuschalten und etwas mit den eigenen Händen zu schaffen. Daher möchten wir mit unseren Projekten und Kursen zeigen, dass DIY die gleichen Entspannungsgefühle wie Yoga oder ähnliches hervorrufen kann.“

Wie wird eure Idee von Investoren angenommen? Müsst ihr Klischees über strickende Frauen widerlegen?

Linda: „Es hat mich tatsächlich überrascht, wie schnell wir teilweise in die Schublade der netten Mädels, die ein Hobby zum Beruf machen wollen, gesteckt werden. Unsere betriebswirtschaftlichen Hintergründe und durchaus männerdominierten Jobs davor, werden dabei komplett ignoriert. Schade eigentlich. Aber daran kann man gute von schlechten Investoren schnell unterscheiden. Auch die Markteinschätzung spielt eine wichtige Rolle. Die einen beschäftigen sich mit dem Markt und erkennen das Potential, was sich darin noch verbirgt, die anderen tun es als kleinen Nischenmarkt ab. Auch wenn viele Investoren vorgeben in „disruptive“ Industrien zu investieren, merken wir, dass Online Education immer noch stiefmütterlich in Deutschland behandelt wird.“

Wie finanziert ihr euch aktuell?

Linda: „Bisher haben wir alle Investitionen für Meisterclass aus der eigenen Tasche finanziert und sind, wie man so schön sagt, fully bootstrapped. So konnten wir mit minimalsten Mitteln ein tolles Produkt aufbauen und Erfahrungen am Markt sammeln. Die ersten Monate haben gleich gute Früchte getragen und zeigen uns, dass das Modell funktioniert. Jetzt gilt es noch mehr DIY-Fans an die Stricknadel zu bekommen und mit uns zu wachsen.“

Mit wem arbeitet ihr zusammen? Habt ihr schon ein Team?

Verena: „Die wichtigsten Partner in unserem Team sind unsere „Meister“, die voller Herzblut ihre Expertise und Leidenschaft in den Kursen teilen. Hier schauen wir genau, wer zu uns passt und arbeiten bei der Konzipierung der Kursinhalte ganz eng zusammen. Man kann viel lernen von den Experten und es macht große Freude, sich hier auszutauschen. Die erste Festanstellung eines Mitarbeiters für das interne Team steht uns allerdings noch bevor. Dafür haben wir in den vergangenen Monaten intensiv mit vielen fantastischen Freelancern in den Bereichen IT, Design und Online Marketing gearbeitet.“

Was war das erste Stück, das ihr gestrickt habt?

Linda: „Das war natürlich der obligatorische vier Meter lange Schal. Er ist krumm und schief, hat Löcher und ich musste ihn mindestens drei mal wieder auftrennen. Bis heute ist er in meinem Kleiderschrank mein absolutes Lieblingsteil.“

Welche weiteren DIY-Kurse soll es bei euch geben?

Verena: „Wir haben viele Ideen im Kopf und schon einige Kurse ausgetüftelt. über den Winter hin bleiben wir noch der Kategorie Stricken treu und möchten hier Erfahrungen und Kundenfeedback sammeln. Die kalten Tage sind einfach eine wunderbare Jahreszeiten für einen Strickabend auf der Couch. Danach geht es in großen Schritten weiten – und zwar für Mann und Frau.“

Welche Vision habt ihr für euer Unternehmen und eure persönlichen Wege?

Verena: „Meisterclass soll ganz klar zur ersten Anlaufstelle für anspruchsvolle und modebewusste DIY-Projekte werden. Viele Kurse, inspirierende Projekte und eine begeisterte Community – das schwebt uns vor. Als erste Ausbaustufen sehen wir Kooperationen mit jungen Design-Talenten und Ausweitungen der Technologien rund um die Lehr-Erfahrung.“

Linda: „Persönlich möchten wir mit unserem Unternehmen wachsen und unsere Ideen weiter verwirklichen. Jeder von uns hat klare Verantwortungsbereiche, in denen wir uns den Herausforderungen stellen und gemeinsam mit unseren Partnern ausgestalten wollen.“

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